Es mag Zufall sein oder eine lieb gewordene Angewohnheit, daß wir oft und gern das Renaissance-Theater besuchen; im Verlauf der Jahrzehnte erlebten wir dort Winnie Markus und Karl John in Van Drutens »Lied der Taube«. Der zärtliche Liebhaber überrascht seine Freundin mit einer Schachtel Konfekt, woher hat er die so plötzlich? »Na – ich ging im Wald so vor mich hin, auf einmal war Schokolade drin.« Die deutsche Version stammte von Alfred Polgar.
Wir erfreuten uns also an Hilde Körber, Walter Franck, Käte Haack, Blandine Ebinger, Lucie Mannheim, Edith Hancke, Theo und Ursula Lingen, Alice Treff, Berta Drews, Curt Goetz und Valerie von Martens, Ernst Schröder, Oscar Karlweis, Rúdolf Forster, Paul Hörbiger, Erik Ode, Hanne Hiob, Horst Buchholz. Hubert von Meyerinck, Gisela Trowe, Victor de Kowa, Hilde Volk, Harald Juhnke, Hans Nielsen, Tilla Durieux, Agnes Windeck, Heinz Rühmann, Hertha Feiler, Boy Gobert, Hardy Krüger, Erich Fiedler, Elisabeth Bergner, O. E. Hasse, Peter Mosbacher, Hannelore Schroth, Käte Jaenicke, Ida Ehre, Grete Weiser, Susanne Heise, Simone Rethel, Friedrich Schoenfelder, Axel von Ambesser ...
Wer nennt all die Namen derer, die hier zusammenkamen, um den großen Ruhm eines kleinen Theaters zu bilden und zu festigen? Ich nicht. Ich bin kein Gedächtniskünstler. Aber ich weiß aus wohltuender Erfahrung, daß jene unsichtbaren Lorbeerblätter, welche die ungeraden Eingangsstufen des Bühnenhauses Hardenberg-/Ecke Knesebeckstraße, manchmal etwas glitschig machen, nicht von begeisterten Besuchern stammen, sondern von ehrgeizigen und erfolgreichen Theaterkünstlern.
Seit 1995 auch von Boris Aljinovic. Der wird allerdings nicht die Zuschauertreppe benutzen, sondern den Bühneneingang um die Ecke, der besonders für kleinere Leute wie den Schreiber dieser Zeilen geeignet ist. (Gelegentlich habe ich den Intendanten des Hauses, Horst-H. Filohn, bei der Bemühung, die Gänge hinter der Bühne zu durchqueren, beobachtet; Herr Filohn ist vielleicht für solche Miniatur-Tunnel etwas zu groß.
Boris Aljinovic, den wir seit langem bewundernd beobachten, macht uns in jeder seiner Rollen Freude. Man sah ihn kürzlich in bester Verfassung als Partner von Robert Gallinowski in dem Kicher-Szenarium von Francis Veber »Le Diner de Cons« mit dem verzwickten deutschen Titel (von Peter Gilbert und Ursula Lyn) »Von hinten durch die Brust ins Auge«. Man könnte das Werk auch nennen: »Lieber Gott, mach mich krumm ...« Die Handlung, soweit sie von Aljinovic und Gallinowski vorgespielt wird, besteht darin, daß sich Brochalke (Gallinowski) als Opfer eines Hexenschuß-Anfalls in mörderischen Schmerzen windet, denen sein Finanzberater Ritzel beiwohnt. Die Dramaturgie faßt zusammen: »Innerhalb kürzester Zeit zerstört Ritzel Brochalkes Ehe, bevölkert dessen Wohnung mit ungebetenen Gästen und informiert das Finanzamt über B.s unversteuerte Vermögenswerte.« In kürzester Zeit? »Spieldauer: 2 Stunden«.
Denn in dieser Zeit entfaltet Boris Aljinovic seine Talente. Guntbert Warns inszenierte das Stück; als bedeutenden Komiker kennen wir ihn von der Renaissance-Bühne. Aljinovic, geboren 1967 in Berlin, schloß 1994 sein Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ab. 1995 erhielt er im Renaissance-Theater sein erstes festes Engagement und stand in »Noch ist Polen nicht verloren« als Adolf Hitler auf der Bühne. Das hat ihm nicht geschadet. Er ist ein ungewöhnlich anpassungsfähiger Darsteller, zudem ein Sprecher von Rang (Träger des »Deutschen Hörbuchpreises«). Mit Gallinowski trägt er diese ganze Brust-Augen-Komödie von Veber sicher, intelligent und witzig wie einen Sommerblumenstrauß zu unser aller Freude von der Bühne ins Auditorium. Brillant! Ich möchte nicht wissen, was das Berliner Theater ohne diesen Mann wäre. Also ich möchte es lieber nicht wissen.