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Titel1216

Hiroshima wie Auschwitz?  (Conrad Taler)

Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass jemand Gulag, Auschwitz und Hiroshima in einem Atemzug nennt und das Geschehen, das sich hinter jedem dieser Worte verbirgt, damit auf unziemliche Weise miteinander vergleicht. Angesichts des Besuches von Barack Obama in Hiroshima, der als erster US-amerikanischer Präsident den Ort des ersten Atombombenabwurfs besuchte, ein geradezu obszöner Vergleich. Er stellt einen der Amtsvorgänger Obamas, Harry. S. Truman, der damals den Befehl gab, in eine Reihe mit Hitler und Stalin. Als Ernst Nolte 1980 den Massenmord der Nazis an den Juden als Reaktion auf die vorausgegangenen Massenverbrechen und das Gulag-System in der Sowjetunion bezeichnete, erntete er scharfe Kritik. Als Joachim Gauck 2006 noch einen Schritt weiter ging und Hiroshima gedanklich in Verbindung mit Auschwitz brachte, stieß sich niemand daran.


Dass Gauck damals noch nicht Bundespräsident war, macht die Sache nicht besser. Vier Jahre danach wurde er von der SPD und den Grünen als Kandidat für das höchste Staatsamt nominiert, unterlag damals aber dem von der CDU aufgestellten Bewerber Christian Wulff. Inzwischen residiert er seit vier Jahren im Berliner Schloss Bellevue und viele sähen es gern, wenn er eine weitere Amtsperiode dort bliebe. Anscheinend wissen seine Lobredner nichts von den Seelenabgründen des ehemaligen Bürgerrechtlers, der laut Spiegel (47/2014) zwei DDR-Pässe besaß und zwischen 1987 und 1989 elfmal in den Westen reisen durfte, wovon die meisten seiner damaligen Landsleute nur träumen konnten. Den Unwissenden sei die Lektüre der Rede empfohlen, in der Gauck 2006 als Ex-Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen den erwähnten Vergleich angestellt hat. Er hat ihn nach eigenen Angaben bei Zygmunt Bauman entlehnt, einem antikommunistisch gesinnten Bruder im Geiste.


»Welche Erinnerungen braucht Europa?« lautete das Thema des Vortrages, den Gauck am 26. März 2006 auf Einladung der Robert-Bosch-Stiftung in Stuttgart gehalten hat. Die Erinnerung an den Holocaust sei von zentraler Bedeutung, sagte er damals. Welche Art des Erinnerns von nachhaltiger Bedeutung sein werde, würde sich allerdings noch zeigen. Es gebe eine Tendenz der Entweltlichung des Holocaust. Das geschehe dann, »wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in seiner Einzigartigkeit überhöht« werde. Würde der Holocaust auf eine »quasireligiöse Ebene entschwinden«, wäre er nur noch zu verdammen, nicht aber zu analysieren. Dann verlas Gauck das folgende Zitat:
»Aber der Holocaust wurde inmitten der modernen, rationalen Gesellschaft konzipiert und durchgeführt. In einer hochentwickelten Zivilisation und im Umfeld außergewöhnlicher kultureller Leistungen, er muss daher als Problem dieser Gesellschaft, Zivilisation und Kultur betrachtet werden.« So sage es der jüdisch-polnische Soziologe Zygmund Bauman, »dem ich meine gewandelte Sicht auf den Holocaust verdanke«, fügte Gauck hinzu. Die Moderne habe dem Menschen zwar Autonomie gebracht, die Bindung an Gott und seine Gebote seien jedoch relativiert und dann aufgegeben worden. Die alte Barbarei werde überboten, es entstehe ein »spezifisch moderner Charakter des Inhumanen, der dann »den Gulag, Auschwitz oder Hiroshima« ermögliche, »diese vielleicht sogar unvermeidlich« mache. »So weit Baumann [sic!]«, fügte Gauck hinzu. »Folgen wir ihm, begreifen wir, Humanität ist nie im sicheren Hafen.«


Zugegeben, Humanität ist nie im sicheren Hafen. Aber was für ein Aberwitz, was für ein Hohn auf die Opfer, den Massenmord an den Juden als Produkt der modernen Zivilisation auszugeben und die Nazis damit aus ihrer Verantwortung für das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu entlassen. Der französische Front National hat seinen Gründer Jean-Marie Le Pen 2005 aus der Partei ausgeschlossen, weil er die Gaskammern der Nazis verharmlosend als »Detail« des Zweiten Weltkrieges abgetan hat. Joachim Gauck wurde nach seiner Stuttgarter Rede zum Bundespräsidenten gewählt. Und so als sei nichts geschehen beteuerte er am 50. Jahrestag der deutsch-israelischen Beziehungen: »Wir werden nicht zulassen, dass das Wissen um die besondere historische Verantwortung Deutschlands verblasst.«