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Titel1217

Für das Kreuz – mit Haken  (Otto Köhler)

Dieses Geständnis kann ich jetzt nicht mehr vermeiden: Als vor einigen Jahren der inzwischen verstorbene Hamburger Versandhändler Werner Otto in seinen weltweiten ECE-Einkaufszentren eine Unterschriftenkampagne für die Wiedererrichtung des wilhelminischen Stadtschlosses in Berlin betrieb, zögerte ich beim Einkauf im Harburger Phoenix-Center keinen Augenblick. Ich unterschrieb sofort. Bedenkenlos. Allerdings nicht mit meinem ehrlichen Namen. Sondern als Dr. Joseph Goebbels. Das erschien mir angemessen. Der Mann, der die Durchhaltereden für den Zweiten Weltkrieg hielt, musste ganz einfach dem Kaiser, der den Ersten erklärte, seine Reverenz erweisen.

 

Inzwischen steht das Ding wieder in der Mitte Berlins. Dort, wo Walter Ulbricht die hässlichen Reste des vom Krieg zerstörten Schlosses wegsprengen ließ, damit Honecker den Palast der Republik errichten lassen konnte. Den mussten wir – eine andere Möglichkeit gab es nicht für unseren freiheitlichen Staat – ganz einfach abtragen, um als Zeichen unseres Sieges über die Unfreiheit das Schloss des Kaisers wieder zu errichten. Restauration nennt man sowas.

 

Die ist weitgehend vollendet. Es fehlt nur noch die Kuppel auf dem Schloss und das Kreuz auf der Kuppel. Beide hatte Friedrich Wilhelm IV. ab 1840 dem Schloss hinzugefügt, um ein Zeichen gegen jene bürgerliche Revolution zu errichten, die sein Sohn, der spätere erste deutsche Kaiser Wilhelm I. noch als Kartätschenprinz im März 1848 im Blut erstickt hatte. Und nun wird plötzlich Die Zeit geschmäcklerisch: »Das geschichtspolitische Dilemma ist jedenfalls beträchtlich.« Bisher habe ja »niemand« so recht gewusst, »wozu das monströs teure und bald schon vollendete Stadtschloss gut sein soll« (eine mögliche Antwort steht ein paar Zeilen höher in einem anderen Zeit-Artikel: »Das Ganze ist ein Komplex mit hoher Legitimität, aus deutscher Sicht: das Modell für Europa«).

 

Jetzt weiß die Zeit, wozu schon damals Kuppel und Kreuz dem Schloss hinzugefügt wurden: »Das Bauwerk demonstriert, dass der König seine Macht niemand anderem verdanke als seinem Schöpfer. Die demokratischen Streiter sollten schön stille sein.«

 

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In der Berliner Zeitung steht, woher das Geld für das Kreuz kommt: »Die ‚siebenstellige Summe‘ soll laut Zeitungsberichten bereits vor zwei Jahren mit der Mäzenin Maren Otto verabredet worden sein.« Sie sehe das Kuppelkreuz als Erinnerung an ihren 2011 verstorbenen Mann, den Unternehmer und Mäzen Werner Otto.

 

Das find ich, wenn es wahr ist, gut. Denn das Kreuz auf dem restaurierten Schloss ist das Zeichen der Ehrlichkeit. Es zeigt, wohin wir heute gekommen sind. Und vor allem, woher wir kamen. Doch diese Vergangenheit, die tatsächlich nie vergehen will, ist mit dem nackten Kreuz unvollständig. Und da sollten wir vom Otto-Versand eine weitere Spende erwarten: Dem goldenen Kreuz fehlen die goldenen Haken.