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Titel1308

Albtraum und Sommernachtstraum  (Anne Dessau)

»M – eine Stadt sucht einen Mörder«, Fritz Langs berühmtester Film, 1931 uraufgeführt, hat Jahrzehnte überdauert. Jetzt hat Stefan Pucher Fritz Langs und Thea von Harbous Drehbuch für die Bühne bearbeitet und das Stück im Berliner Maxim-Gorki-Theater inszeniert.

Vordergründig geht es um Kindermord, eigentliches Thema aber ist die Mobilmachung von Staatsgewalt, Aufruhr der organisierten Gangster, der aufkommende Faschismus. Berlin als Schmelztiegel der Gesellschaft. Damals. Heute. Hier kippt Soziales ins Asoziale, Menschen werden ins Abseits und Aus gedrängt, und alle, alle sehen zu.

Der oberste Dienstherr der Inneren Sicherheit erläßt ein Dekret nach dem anderen, angeblich um uns zu schützen. Bald sind wir von Schutzleuten und Ordnungshütern, von Milizen und Militär umstellt. Geschürte Angst vor Terror macht uns manipulierbar, läßt uns die Gewalt von oben akzeptieren: Entrechtung, Unterdrückung, Schikanen, Festnahmen, Verhaftungen, Strafe, Sicherheitsverwahrung. Die perfekte Überwachungsgesellschaft entsteht. Begehrt niemand dagegen auf? Zivilcourage ist gefragt. Damals. Heute.

Tote, menschenfeindliche Architektur, kalte Kahlheit der Großstadt. Diese Szenerie (Bühne: Barbara Ehnes, Video: Chris Kondek) wirkt bedrohlich, man fühlt sich verfolgt wie »M«, der Mörder. Ein Albtraum.
Das Besondere ist, daß dieser Mörder nichts Besonderes an sich hat. Er trägt das Gesicht des gewöhnlichen Faschismus, gleichzeitig ist er ein Stigmatisierter. In diesem Zwiespalt wird es für das Publikum schwer, sich zu entscheiden. Jeder Einzelne muß selber nachdenken, seine Position finden. Zitate aus einem Interview mit Fritz Lang, kurz vor seinem Tode geführt, bringen die Geschichte auf den Punkt. Die Musik (Marcel Blatti) ist kongenial dazu gesetzt. Die Darsteller (Peter Kurth als Peter Lorre, außerdem Michaela Steiger, Daniel Lommatzsch, Peter Moltzen) verstehen sich auf ihr Handwerk. Aber seltsam: Zum bewegenden Kunstwerk rundet sich der Abend nicht. Die Affinität zum Hier und Heute ist schnell begriffen, der Rest hält den Betrachter nicht in Krimi-Spannung. Schade.

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Sonntagnachmittag, Kulturgießerei Schöneiche nahe Berlin. Das »theater in schöneiche« spielt Shakespeares »Ein Sommernachtstraum«. Es ist die 27. Vorstellung innerhalb weniger Monate. Der Saal ist, wie jedesmal, bummsrammelvoll.

Prinzipal der begeisterten Laienspieler – Schüler, Studenten, Ingenieure, Tischler, Betriebswirtin und andere – ist Peter Baumgart, ehemaliger Leiter des Pantomimen-Ensembles des Deutschen Theaters, Berlin. Er sieht alles, kümmert sich. Dirigiert die Zuschauer in den Zuschauerraum, stapelt sie förmlich in die Stuhlreihen bis hoch unter die Decke, sorgt für gute Sicht der Rollstuhlfahrer.

Eine launige Ansprache ans Publikum, dann läßt er zwei Glöckchen erklingen, der halbhohe, leuchtend rote Seidenvorhang bauscht sich verheißungsvoll.

Lustig, luftig gewandet in fantasievoll improvisierte Kostüme aus Spitzenresten, bunten Bändern, Tüll und Flitter, agiert die Truppe. Jede/r gibt ihr/sein Bestes. Ernsthaft nimmt das heitere Spiel seinen Lauf. Man deklamiert, lispelt, ist nach Vermögen witzig, deftig, mit ungelenkem Charme präsent. Die Aufführung macht gute Laune, die musikalische Begleitung setzt reizvolle Akzente. Das Publikum lacht, klatscht, die Stimmung ist prächtig.
Ein Jahr lang haben sie dreimal die Woche geprobt, jeweils drei Stunden. Mütter mit drei, vier oder sechs Kindern, Schüler unter hohem Leistungsdruck, Männer und Frauen, die in ihren Jobs gefordert sind. Alle vereint in Leidenschaft für das Theater. Das zeigt sich auch an den selbstgenähten Vorhängen, am sorgfältig gestalteten Programmheft, in vielen Details.
Kein Sponsor half, Fördermittel wurden nicht verwendet. Ein wenig Geld war in der Kasse, gespart aus den Einkünften vergangener Jahre mit ebenso erfolgreichen Aufführungen. Der Prinzipal gab einen Vorschuß; mittlerweile brachten 3000 Zuschauer ihren Obolus und ihm sein Geld zurück.

Theater im Dorf – ein Ereignis. Manchem Besucher eröffnet es eine neue Welt, nimmt ihm Berührungsängste, weckt Interesse an Kunst, Literatur, bringt Publikumsnachwuchs für die professionellen Bühnen.

Applaus für alle Beteiligten.