Der deutsch-österreichische Film »Women without men« der Exil-Iranerin Shirin Neshat dokumentiert nicht, sondern symbolisiert die Situation von Frauen im Iran. Ich will einige Szenen wiedergeben.
Eine Frau, sie wird später Munis gerufen, überlegt, sich von einem Haus zu stürzen. Sie tut es dann auch. Man sieht nur ihr wehendes Haar in den Wolken. Stimme aus dem Off: »Und ich dachte, der Weg, mich vom Schmerz zu befreien, ist der, mich von der Welt zu befreien.« Danach werden die Wolken zu Erde (Überblendung), die einen kleinen Bachlauf umgibt, man hört Vogelgezwitscher, sieht eine dschungelartige Baumlandschaft im Nebel, etwas kitschig, dahinter Wüstenei mit Steinen, mittendrin eine verfallene Villa mit Spinnweben, halbabgegessene Teller, fluchtartig verlassen.
Im nächsten Bild sitzt die eben Gesprungene vor dem Radio und hört sich die politischen Meldungen vom drohenden Umsturz an, während ihr Bruder, ein Traditionalist, sie verheiraten will und ihr das Radio ausstöpselt: »Wenn Du das Haus verläßt, brech ich dir beide Beine!«. Eine Freundin im Shador kommt zu Besuch, Faezeh, die in den Bruder verliebt ist, der sich aber gerade mit einer anderen verheiraten will. Daher ist sie traurig und versteht nicht, was an den Nachrichten so interessant ist. Munis erklärt ihr, es gehe um die Freiheit, um den Iran, um Gerechtigkeit und daß die Briten ihnen all das wieder nehmen wollten. Einblendungen von Demonstrationen, vielen Leuten auf den Straßen, Parolen: »Lang lebe Mossadagh – Nieder mit Great Briten – British go home!« Der Aufstand gegen die letzten Kolonisten 1953, darin die Frau, die nicht raus kann. Munis wieder auf dem Dach, danach liegt sie unten, markiert sie sei tot, wird lebendig begraben, von Faezeh befreit und kann nun erstmalig das Haus allein verlassen, sie geht, hört Radio in einem Café, begibt sich unter Demonstranten, gewinnt einen Freund unter ihnen. Off-Stimme: »Stehend zwischen den Armen (man sieht sie im schwarzen Shador zwischen Demonstranten ohne Shador) wußte ich jetzt, daß der Wille zu mir zurückgekehrt war.«
Eine reiche Frau von Welt, Fakhri , trifft ihren früheren Freund, und ihr wird klar, sie mag ihren Mann, den strengen Militär, nicht mehr, der sie im Schlafzimmer mit Gemeinheiten traktiert. Sie geht einen breiten Weg raus aus der Stadt, kommt in den Wald, kauft die verfallene Villa.
Eine magersüchtige, vor Leid stumpf gewordene Prostituierte im weißen Kleid erschrickt, als ein Mann, es ist der Hüter des Hauses und des Gartens, sie nicht vergewaltigt, sondern streichelt. Sie läuft davon und reibt sich zwanghaft in einem Dampfbad die Haut ab, bis sie blutig ist. Danach irrt sie lange durch Straßen, an trauernden Frauen, die sich wiegen und singen, und an betenden Männern vorbei, bis auch sie den Weg in den verwunschenen Wald findet.
Derweil sucht Faezeh nach Munis, entdeckt sie in einem Männercafe vor dem Radio, ruft sie vergeblich zurück, macht Männer auf sich aufmerksam, diese folgen ihr. Später findet Munis sie in Tränen. »Die zwei Männer!« Sie weint. Nun könne sie nie mehr zurück. Munis bringt Faezeh in den Wald, wo sie an einem Tor der Mann empfängt, der im Bordell die Prostituierte gestreichelt hat. Er ist Torhüter des Hauses. Die reiche Frau hat es gekauft. Hier empfängt sie nacheinander alle drei Frauen bei sich und bewirtet sie liebevoll.
Die Volksbewegung für Demokratie und Unabhängigkeit siegt nicht gegen die Kolonialmacht GB. Ein blutiger Putsch ist die Antwort. Die Widerständler machen aber illegal weiter, Munis ist dabei. Und während sich die Intelligenzia der Kulturszene, zu der sich Fakhri zählt, in der Villa langsam mit den Militärs anfreundet – in einer phantastischen Szenerie sehen sie den sich an ihren Tischen vollstopfenden Militärs über den Schultern beim Essen zu –, wird das einfache Volk brutal zusammengeschossen. Die Teilnehmer einer illegalen Zusammenkunft, Munis ist dabei, sorgen sich, daß ihr Freund unter der Folter reden werde, da kommt er auch schon in den Raum, im Schlepptau Militärs. Es gehört zu den berührendsten Momenten des Films, wie Munis’ Freund, um zu fliehen, einen jungen Soldaten ersticht und Munis über dem Toten, den sie in ihren Arm nimmt, weinend zusammenbricht.
Während des Kulturfestes mit den Militärs stirbt im hinteren Raum der Villa die Prostituierte Zarin im Fieber, und Faezeh trifft ihren Geliebten, Munis‘ Bruder, wieder, der sie nun als zweite Frau nehmen will. Ernüchtert wird sie erst, als er sagt, die erste sei dann ihr Dienstmädchen. Erbost weist sie ihn mit den Worten ab, sie wolle nicht das Dienstmädchen der dritten Frau sein.
Die reiche Kulturfrau wird von ihrem Freund enttäuscht, der eine Amerikanerin heiratet. Ein Baum stürzt um, fällt ins Zimmer: Symbol für das sterbende Land wie die sich nie von ihrer Scham erholende Prostituierte. Munis springt, als der Freund weg, die Gruppe zerschlagen ist, das Militär gesiegt hat und einzig ihr fundamentalistischer Bruder für die Zukunft übrig geblieben ist, doch vom Dach, die Eingangszene schließt den Film. Off-Stimme: »Der Tod ist nicht schwer, die Vorstellung davon ist schwer. Alles was wir gesucht haben, war eine eigene Form, ein neuer Weg der Freiheit.«
Was sagt uns der Film? Formal überladen, surreal, magischer Realismus? Von allem etwas, ein Film zum Nachdenken vor allem über die Kraft und das Leid von Frauen, ein Film, den man symbolisch nehmen muß, zum Beispiel das Haus im verwunschenen Wald: Zufluchtsort, aber auch eine mögliche andere Geschichte des Landes, friedlich, geborgen, hilfsbereit, gastfreundlich, liebevoll ... doch die Intelligenz entscheidet sich anders, sie einigt sich mit dem Militär, das Haus der Geschichte verfällt, ihre Frauen sind die obersten Opfer, sie sterben.
Auch die Zukunft sitzt schon dabei: Der traditionalistische Bruder, vorerst noch in der Küche, fragt ärgerlich, bevor er Faezeh den Zweitfrauantrag stellt: »Was sind das hier alles für dekadente Leute, mit denen du hier ohne Schleier zusammen bist?«
Der neue Widerstand wird schon sichtbar, der sich aus der Zerschlagung des alten erhebt. Er ist nationalistisch, fundamentalistisch und frauenfeindlich, seine Kraft ist eine diktatorische, genau wie die Kraft des Militärs: Gewalt.