Wer weiß, wie es im Fegefeuer ist? Bischof Mixa natürlich, der ja auch Militärbischof war – oder ist er es noch? Er klagte, daß der »Druck«, unter dem er seinen Rücktritt unterschrieb, »wie ein Fegefeuer« war.
Fegefeuer – jetzt auch in Hamburg, im Bucerius Kunst Forum, in der Ausstellung »Rubens, van Dyck, Jordaens – Barock aus Antwerpen« (noch bis 19. September). Das Königlich Belgische Museum für Schöne Künste – zur Zeit wegen eines Umbaus geschlossen – lieh etwa 50 Gemälde sowie Zeichnungen und Druckgraphik aus; die größten Bilder mußten aber dort bleiben.
Für die Sommerzeit: viel nacktes Fleisch. Nicht so bei dem Rubens-Gemälde »Die Fürbitte der heiligen Theresia von Avila« aus der Zeit zwischen 1630 und 1635. Nackt ist hier nur ein Engelchen, das auf Anweisung von Christus und Fürbitte der heiligen Theresia einen Mann aus dem Fegefeuer herauszieht. Dieser arme Sünder war der spanische Adlige Bernardino de Mendoza, der seine Besitzungen Theresia zur Gründung eines Klosters vermacht hatte. Aber er starb gleich darauf – ohne gebeichtet zu haben. Da griff Christus ein und erschien Theresia und verkündete, sobald in dem neuen Kloster die erste Messe gelesen werde, sei Bernardino aus dem Fegefeuer erlöst. So schrieb es Theresia – und so sei es geschehen. Indes, auf dem Bild schmoren noch andere Menschen in den Flammen. Sie werden nicht errettet. Haben sie der Kirche keine Besitzungen versprochen?
Dieses fast zwei Meter hohe und eineinhalb Meter breite Gemälde ist ein Beispiel für die Gegenreformation, die den Malern viele Aufträge bescherte. Die Kirchen, die Altäre mußten neu ausgestattet werden nach dem Bildersturm – und prächtiger denn je. Der Maler Peter Paul Rubens war 1608 aus Italien nach Antwerpen zurückgekehrt. Dort heiratete er die Tochter eines hohen Beamten, kaufte ein Haus, das er zum Palazzo ausbauen ließ, auch als Museum für seine Kunstsammlung. Er gründete eine Werkstatt, in der nach seinen Anweisungen und Skizzen Bilder gefertigt wurden. Kunstwerke als Geldanlage und Prestigeobjekte für reiche Bürger. Rubens wurde Hofkünstler beim spanischen Statthalter. Trotz – nein, wegen des Krieges blühte die Kunst. Mit religiösen und mythologischen Themen entwickelte sie eine Gegenwelt zur Realität des Krieges.
Am 4. November 1576 meuterten spanische Besatzungssoldaten in Antwerpen wegen des ausstehenden Solds und veranstalteten ein Massaker, 8000 Einwohner wurden ermordet, 600 Häuser niedergebrannt. Zwei Jahre später waren der Norden und der Süden der Niederlande, also die heutigen Niederlande und Belgien, wieder unter der Kontrolle der Unabhängigkeitsbewegung. Da ernannte der spanische König Philipp II. im Oktober 1578 seinen Neffen Alessandro Farnese zum neuen Statthalter, der alle großen Städte eroberte. Zum Schluß ergab sich Antwerpen nach 14tägiger Belagerung. Spanische Truppen zogen ein, und mit religiöser Freiheit war es aus. Farnese feuerte seine Soldaten an: »Möge in den Herzen der Krieger Kampfeslust entbrennen, damit sie sich für die Beleidigungen Gottes und der Jungfrau rächen und dem Tempel die Zierde, Majestät und Ehre wiedererstatten.« Nun, die Maler bekamen zu tun, um die Zierde zu ersetzen. Der Barock als Kunst der Gegenreformation entwickelte eine solche Prächtigkeit, daß ein protestantischer Theologe aus Böhmen, wie erschlagen, nur stammeln konnte: »Diese Jesuiten haben recht ihren himmel auff der erden«, wie stolz überliefert wird. Angeleitet von den Jesuiten bildeten die Bürger Kongregationen, um fromme Werke zu tun, wie die Kirche sie wünschte. Eine von ihnen war die »Bruderschaft der Seelen im Fegefeuer«. Aus der protestantischen Hochburg Antwerpen war die Hauptstadt der Gegenreformation in Nordeuropa geworden.
Obwohl der für den Handel wichtige Zugang zum Meer, die Schelde, immer noch gesperrt war, blühte die Wirtschaft. Jetzt wurden Luxusgüter produziert, weil ihr Transport einfacher war. Es kam der »Dispositionshandel« auf. Händler, die in Antwerpen ansässig waren, kauften zum Beispiel eine Schiffsladung in Spanien und verkauften sie in England. Über Antwerpen mußte nichts transportiert werden. Die Börse der Stadt blieb der wichtigste Geldmarkt Europas. Wohlhabende Bürger ließen sich malen, auch ihre Kinder, ganz im Stil der Adelstradition. Das »Portrait eines Jungen« (um 1650/55) von Erasmus Quellinus d. J. und Jan Fyt zeigt beispielhaft, was alles dazugehörte. Ein etwa sechsjähriger Junge im steifen hellblauen Damastkleid und Hut mit Straußenfeder steht in einer Gewitterlandschaft – die Türme Antwerpens im Hintergrund. Zwei Jagdhunde an der Leine des Kindes, das mit mürrisch überheblichem Gesichtsausdruck auf sie herabsieht. Auf dem Lederhandschuh an der linken Hand sitzt ein Jagdfalke mit roter Kappe. Die beiden Künstler malten arbeitsteilig: einer den Knaben, der andere die Hunde.
Dieses Aufteilen war keine Seltenheit damals. Ein Kunstmarkt entwickelte sich. Bilder wurden bestellt. Auch aus Paris – mit Wünschen: diesmal die Gesichter nicht so bäurisch, sondern fein. Und bei den Frauen sollten die Brüste etwas kleiner sein und nicht so herunterhängen. 1616 gehörten der »Lukasgilde« 216 Meister (Maler) und 19 Bildhauer an. Anthonis van Dyck und Jacob Jordaens arbeiteten zeitweilig in seiner Werkstatt. Van Dycks »Beweinung Christi« von 1634/35: sehr viel Pathos, große Gesten, glühende Farben. Geschaffen für den Altar der sieben Schmerzen Mariä. Jordaens‘ Bilder sind volkstümlicher, mit derbem Humor. Das ist in »Der König trinkt« genüßlich und drastisch ausgemalt.
1648 beendete der Frieden von Münster den Dreißigjährigen Krieg, der für die Niederlande achtzig Jahre gedauert hatte. Der Frieden sei »überaus verhängnisvoll und ein Todesurteil« für Antwerpen gewesen, stellte der Historiker Frans Jozef Peter van den Branden im 19. Jahrhundert fest. Das, was auch ein Kupferstich nach Rubens schon 1642 ausdrückte: »Der Handel verläßt Antwerpen.« Die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen des Friedens waren die Ursache für den Niedergang der Stadt.
Katalog: 232 Seiten, Hirmer Verlag, 24,80 Euro in der Ausstellung.