Hans-Christoph Ammon, Brigadegeneral. – Man erfährt selten etwas über das von Ihnen geführte Kommando Spezialkräfte. Insofern sind wir Ihnen geradezu dankbar, daß Sie gegenüber der Rheinischen Post ein wenig geplaudert haben: »Unsere Soldaten müssen regelmäßig töten. Darum herumzureden, erscheint mir verkehrt. Aber auch diese so hoch belastungsfähigen Männer sind in diesem Punkt keine Maschinen.« In diesem Punkt. Wir verstehen. »Sie haben eine sehr empfindliche Seele, die der Hilfe bedarf.« Die Hilfe besteht, wie Sie erläuterten, beispielsweise darin, daß eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Bundeswehr geschaffen wird. Klar, die Bundeswehr braucht eine Sonderjustiz denn eine normale Justiz würde unsere Soldaten womöglich für das bestrafen, was sie regelmäßig tun müssen. Zu Ihrer Zufriedenheit berichteten Sie auch über ein neues Regelwerk, nach dem »die Aufständischen« auch dann noch bekämpft werden, wenn sie den Angriff abbrechen. Wir erinnern uns: Der Kaiser sagte es vor mehr als 100 Jahren in einem Krieg jenseits des Hindukusch ganz knapp so: »Gefangene werden nicht gemacht.« Und was die »empfindlichen Seelen« betrifft, kam uns gleich Himmlers Posener Rede in den Sinn: »Die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgestanden zu haben und dabei anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht.«
Richard Herzinger, Die Welt. – Für die ZDF-Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein, die meinte, für den deutschen National-Fußballer Miroslav Klose müsse ein Torschuß ein »innerer Reichsparteitag« gewesen sein, bringen Sie viel Verständnis auf. Wir erfahren von Ihnen, daß die Nürnberger Parteitage der NSDAP »Elemente der modernen Eventkultur« vorweggenommen und die ganze Stadt »in ein riesiges Festival-Areal« verwandelt hätten, und beenden Ihren Aufsatz mit den Sätzen: »Im Zeitalter der offenen, globalisierten Massendemokratie wird der Wunsch nach dem Eintauchen ins Glück der Masse in Form von Mega-Events wie Popkonzerten oder sportlichen Großereignissen erfüllt. Das heißt aber keineswegs, daß der aktuelle schwarz-rot-goldene Glückstaumel unter Ideologieverdacht stünde. Wir sollten im Gegenteil dafür dankbar sein, daß die kommerzialisierte demokratische Massenkultur dem Bedürfnis nach rauschhaftem Aufgehen in der egalitären Gemeinschaft, der Sehnsucht nach einem ›inneren Reichsparteitag‹ also, den totalitären Reißzahn gezogen hat.« Der frühere Welt-Verleger Axel Springer wies schon 1972 die Richtung: »Es müßte einen Weg geben, das Gefühl der Zusammengehörigkeit, so denke ich, das in einem Fußball-Stadion aufkommt, in geläuterter Form auf den Alltag zu übertragen.« Daß Sie sich, diese Volksgemeinschaftspropaganda weiterführend, nicht scheuen, das große Glück der Teilnehmer von Reichsparteitagen (»Ein Volk, ein Reich, ein Führer«) mit den Wörtern »demokratisch« und »egalitär« in Verbindung zu bringen, beweist eine publizistische Forschheit, die sicher Schule machen wird.
Joseph Fischer. – Was Sie denn von den derzeitigen Turbulenzen in der deutschen Politik hielten, wollte die Süddeutsche Zeitung von Ihnen wissen. Alles halb so wild, erfuhren wir, denn: »Wir leben in einem wunderbaren Land mit funktionierenden Institutionen und sind hier doch alles andere als arm.« Der revolutionäre Kampf, den Sie einst ausriefen, hat also sein Ziel erreicht. Wer RWE, Siemens und BMW berät, muß es schließlich wissen: Armut? Hier nicht.
Gerhard Papke. – Als Fraktionsvorsitzender der FDP im nordrhein-westfälischen Landtag haben Sie nach dem neuesten Schwenk von Hannelore Kraft, eine Katastrophe für Ihr Bundesland vorausgesagt: »SPD und Grüne setzen brutal auf eine strategische Mehrheit mit den Linksextremisten. Ihr Ziel ist ein Linksruck, sie wollen die Bildungsvielfalt durch die Einheitsschule ersetzen und planen Leistungsbereitschaft und Unternehmertum in bürokratischer Staatswirtschaft zu ersticken.« Wir können Sie beruhigen: So brutal sind SPD und Grüne nicht, daß sie dem Unternehmertum an die Kehle gehen würden. Man darf den beiden Parteien alles mögliche zutrauen, aber das nicht.
Sigmar Gabriel. – Ob Ihre Parteifreundin Hannelore Kraft bei der Kandidatur zur nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin auf die Stimmen der Linkspartei rechne, hat die Welt am Sonntag Sie gefragt. Die brauche sie gar nicht, haben Sie geantwortet. Möglich sei auch, daß sie Ja-Stimmen aus der CDU und der FDP erhalte. Außerdem: »Wenn es am Ende einzelne Mitglieder der Partei Die Linke gibt, die den Kurs ihrer Fraktion verlassen wollen, weil sie den altstalinistischen und antiparlamentarischen Kurs ihrer Parteiführung in NRW nicht mitmachen wollen, sind sie herzlich willkommen.« Nun ist aber nicht auszuschließen, daß die gesamte Fraktion der Linkspartei in NRW für Hannelore Kraft stimmt. Dann müssen Sie als Gabriel der große Bekehrer auftreten – zum parlamentarischen Neustalinismus.