Ob und wie dem Staat Griechenland weiter Kredit gegeben wird – die Entscheidung darüber hängt von einer Rating-Agentur ab, die Zensuren zur Kreditwürdigkeit vergibt. Inzwischen stöhnen Politiker über die finanzpolitische Macht dieser »Ratgeber«, bei denen es sich um private Unternehmen handelt, die keiner Kontrolle unterliegen; aber die Politik selbst hat den ratenden Analysten diesen Einfluß verschafft, im Vertrauen auf die höhere Weisheit des Marktes und derjenigen, die den Anspruch erheben, die Marktteilnehmer benoten zu können. Weltweit führend sind drei solcher Agenturen, beheimatet in den USA.
Erstaunlich ist das Ansehen, das die Rating-Agenturen genießen, nachdem sich ihre Bewertungen doch in spektakulären Problemfällen immer wieder als irreführend herausgestellt haben; das gilt für die Entwicklung der »Finanzblase« im US-Immobiliengeschäft wie für den griechischen Weg in die Euro-Verschuldung. Haben die Agenturen beim Rating damals nur geraten und nicht gerechnet? Oder haben sie den Finanzinstituten und der Politik bösartigerweise falschen Rat erteilt? Wer sich die Mühe macht, die Mechanismen des Finanzmarktes zu studieren, muß da nicht weiter rätseln.
Am Beispiel Griechenland: Für die kreditgebenden ausländischen Banken war es profitabel, daß der dortige Staat erst einmal gut geratet wurde und sich verschuldete, das brachte Zinsen. Seiner Kreditwürdigkeit dann Schritt für Schritt schlechtere Noten zu geben, war wiederum profitabel, die Zinsen stiegen mächtig an. Jetzt müssen über die besser situierten Staatshaushalte und die Europäische Zentralbank die externen Steuerbürger einspringen, damit die Banken nicht ihr Geld verlieren und auch in Zukunft Gewinn aus den Krediten ziehen. Das Rating muß zu diesem Zweck klug ausbalancieren; die griechische Verschuldung muß als dramatische Gefahr für andere europäische Länder und den Euro erscheinen, aber nicht als so dramatisch, daß weitere Kreditgewährung gar keinen Sinn mehr hätte. Und nebenbei ergibt sich noch ein lohnender Effekt: Griechenland tritt Stück für Stück öffentliches Eigentum an private ausländische Unternehmen ab. Die brauchen für diese Expansion auch wieder Kredite, sind freilich besser geratet und zahlen deshalb nicht so üppige Zinsen, aber hier läuft das Finanzgeschäft langfristig. Also läßt sich festhalten: Die Rating-Agenturen geben in der Regel den richtigen Rat – im Interesse des Finanzkapitals.