Über Havanna gehen jetzt fast täglich heftige tropische Regengüsse nieder, es ist schwül und die Temperatur steigt von Tag zu Tag langsam aber kontinuierlich an. Am 1. Juni hat in der Karibik offiziell die Hurrikansaison begonnen, die bis Ende November dauert. Die Experten des Meteorologischen Instituts der größten Antilleninsel rechnen in diesem Jahr mit mindestens 14 tropischen Wirbelstürmen in der Region. Häufig ziehen diese Stürme, die in der Indianersprache der Taino-Ureinwohner »huracán« genannt wurden, direkt über Kuba.
Im letzten Oktober hatte der Hurrikan »Sandy« in den zentralen und östlichen Provinzen eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. In der Karibik verloren mehr als 60 Menschen ihr Leben, elf davon auf Kuba. Hunderttausende Häuser wurden zerstört, Straßen und landwirtschaftliche Flächen verwüstet, die Versorgung mit Wasser, Strom und Telefon kam zum Erliegen. Nach Durchzug des Sturms begannen Katastrophenschutz, Miliz, Armee und zigtausende freiwillige Helfer sofort mit den Aufräum- und Aufbauarbeiten. Aus allen Teilen des Landes schickten Belegschaften, Schulen, Nachbarschaftsgruppen und Einzelpersonen – nach dem kubanischen Motto »Solidarität heißt, das zu teilen, was fehlt, und nicht, das zu geben, was übrig ist« – Lebensmittel, Kleidung, Sach- und Geldspenden in die verwüsteten Regionen. Auch aus dem Ausland kam Hilfe, vor allem aus Venezuela, den ALBA-Ländern, Rußland, Vietnam und China. Dennoch warfen die Sachschäden in Millionenhöhe das Land um Jahre zurück.
Inzwischen ist ein Großteil der Schäden bereits behoben. Keine Familie in den betroffenen Zonen ist ohne Unterkunft. Zehntausende Häuser wurden instandgesetzt oder neu aufgebaut, die Wasser- und Stromleitungen sind repariert, Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten arbeiten fast normal. Sogar die deutsche Tagesschau attestiert: »Kubas Katastrophenschutz gilt als sehr effizient.«
Ein ganz anderes Bild bietet der reiche Nachbar im Norden. »Heimkehren ist für viele ein unerfüllter Traum«, berichtete Thomas Schmidt vom ARD-Hörfunkstudio in New York noch am 1. Mai in einem Beitrag über die Opfer des Hurrikans »Sandy« in den USA. Allein im »Big Apple« leben danach mindestens 250 Familien noch immer in Behelfsunterkünften. Im benachbarten New Jersey sollen es über 39.000 sein. Und in einigen betroffenen Gegenden sind die Schlamm- und Geröllberge, die »Sandy« hinterließ, noch immer nicht beseitigt.
In Kuba sollen die bereits jetzt von der UNO als »weltweit vorbildlich« gelobten präventiven Maßnahmen weiter ausgebaut werden. In der landesweiten Übung »Meteoro 2013« trainierten Einheiten der Zivilverteidigung, der Milizen, der Armee und der Feuerwehr am 18. und 19. Mai ihre Fähigkeiten, um Bevölkerung und Einrichtungen künftig noch besser vor den Auswirkungen von Naturkatastrophen schützen zu können. In den am stärksten bedrohten Zonen wurden auch die Anwohner, in weniger exponierten Regionen nur Gewerkschaften und die Verbände der Bauern, Frauen, Jugend und Studenten in die zweitägige Übung einbezogen.
Während das kleine Entwicklungsland sich erfolgreich gegen klimatisch bedingte Zerstörungen zur Wehr setzt, versuchen die politischen Gegner dessen sozialistisches System weiterhin mit subversiven und interventionistischen Methoden zu beseitigen. Mitte Mai berichtete der US-amerikanische Journalist Tracey Eaton, daß das Außenministerium und das »Amt für Internationale Entwicklung« der Vereinigten Staaten (USAID) für das Jahr 2014 erneut 20 Millionen US-Dollar für Programme zur Herbeiführung eines Systemwechsels in Kuba bereitgestellt haben. Während die US-Regierung der eigenen Bevölkerung Hilfsprogramme und soziale Leistungen kürzt, will sie mit den Steuergeldern ihrer Bürger systemfeindliche »Medienprojekte« und »Oppositionsgruppen« auf der sozialistischen Karibikinsel finanzieren. Eaton hat recherchiert, daß die USA seit 1996 weit über 200 Millionen US-Dollar in Aktivitäten für den Sturz der ihnen nicht genehmen Regierung investiert haben – bisher erfolglos.
Ein Grund dafür ist mit Sicherheit der Rückhalt, den Regierung, Ziele und Erfolge der Revolution – trotz aller Unzulänglichkeiten und Probleme – noch immer im überwiegenden Teil der Bevölkerung genießen. Selbst in der eher westlich ausgerichteten Hauptstadt Havanna steht nach meiner Beobachtung die Mehrheit der Menschen hinter den Errungenschaften der Revolution. Verständlicherweise möchten alle besser leben, aber nur wenige wollen das sozialistische Modell, das ihnen Arbeit, Bildung, Gesundheitsvorsorge, Sicherheit und die Garantie eines Daches über dem Kopf verschafft, gegen das neoliberale Konzept tauschen, dessen Auswirkungen auf Europa und die USA jeden Tag in den Nachrichten zu sehen sind. In den ländlichen Gebieten, die vor der Revolution als Armenhaus des Landes galten, ist die Unterstützung der Bevölkerung für den revolutionären Prozeß noch größer.
Das nehmen auch ausländische Besucher wahr, wie zum Beispiel die rund 400 Delegierten und Gäste der 6. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Kirchenrats (CLAI), die am 26. Mai nach fünftägiger Dauer in Havanna beendet wurde. CLAI-Präsident Bischof Julio Murray aus Panama dankte zum Abschluß nicht nur für die Gastfreundschaft, sondern versicherte das kubanische Volk auch der Solidarität der Lateinamerikanischen Christen im Kampf gegen die US-Blockade. Kuba sei Beispiel und Hoffnung für den Veränderungsprozeß auf dem Kontinent und für die Menschen in aller Welt, sagte der Bischof.
Der CLAI ist der ökumenische Dachverband von 188 Mitgliedskirchen und Organisationen in 20 lateinamerikanischen Ländern. Seine alle sechs Jahre stattfindende Vollversammlung hatte ursprünglich bereits im Februar in Havanna stattfinden sollen, mußte aber auf Ende Mai verschoben werden, weil das US-Finanzministerium die für den Kongreß vorgesehenen Kirchengelder eingefroren hatte. Grund für die Aktion Washingtons war, daß »unsere Konferenz (erstmals; V. H.) in Kuba stattfinden sollte«, erklärte Bischof Murray. »Die USA, die sich immer als Garant der Religionsfreiheit in der Welt darstellen, schränken sie selbst ein«, kritisierte der Geistliche. Das sei »Ausdruck einer Politik, die für Christen ethisch und moralisch nicht akzeptabel ist«.