Bundesministerin von der Leyen hat angekündigt, die von ihr befehligten Truppen für den internationalen Cyberkrieg zu rüsten. Dazu werden Informatikerinnen und Informatiker benötigt. Insgesamt sollen im Cyber- und IT-Bereich 13.500 Dienstposten geschaffen werden. Aber woher die künftigen Stelleninhaber nehmen? Auf dem Arbeitsmarkt werden sie für die entsprechenden Zivilberufe in der Wirtschaft umworben. Unter den eingewanderten Flüchtlingen aus Syrien scheinen die militärtüchtigen Nachwuchs-Informatiker nicht üppig zu sein. Und die Bundeswehrhochschulen in München und Hamburg liefern offenbar auch nicht das dringend benötigte Personal. Mit sieben Ingenieursstudiengängen, außerdem drei wirtschafts-, zwei sozial-, einem sport- und zwei geisteswissenschaftlichen Studiengängen sowie mit drei Fachhochschul-Curricula ist ihr Output für den Cyber War jedenfalls wenig ergiebig. Was also tun?
Das Unternehmen Bundeswehr ist auf die Idee gekommen, IT-Krieger unter den Geschlechtsgenossinnen der Ministerin anzuwerben, und zwar dort, wo sie als materiell wenig bemittelte Studierende sich leicht für den Dienst in der Truppe ködern und verpflichten lassen: bei den Studentinnen an Fachhochschulen. Eine dieser Institutionen – sieben sind vorgesehen – ist die Hochschule Bremen (offiziell als University of Applied Sciences firmierend). Hier wurde ein Kooperationsvertrag zwischen der Hochschulleitung und dem Unternehmen »Bundeswehr« abgeschlossen, wonach ab dem Wintersemester 2016/17 der duale Frauenstudiengang Informatik für wehrtaugliche Kommilitoninnen geöffnet werden soll.
Der Protest dagegen beschränkte sich bislang nicht nur auf die Studierenden des Allgemeinen Studentenausschusses, die vorbildlich eine Sitzung des Akademischen Senats aufmischten. Einspruch gegen den Kooperationsvertrag wurde unter anderem auch vom Bremer Friedensforum erhoben, von der Linksfraktion der Bremischen Bürgerschaft sowie vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftlich Verantwortung (FIfF). Dessen Beiratsmitglied Ralf E. Streibel hat aus Protest seine Lehrtätigkeit im Rahmen des Frauenstudiengangs eingestellt. (Streibels lesenswert argumentierender Offener Brief an die Rektorin der Hochschule ist unter www.kramschubla.de/hsb nachzulesen.)
Das FIfF bringt zum Ausdruck, dass es Bedenken hat, »der Bundeswehr direkten Zugang zur Hochschule Bremen als einer zivilen Bildungseinrichtung zu gewähren und dort Informatikerinnen für den Krieg auszubilden«. Der InformatikerInnen-Verband verweist zur Begründung auf die Truppen-Website bundeswehrkarriere.de, wo für das Bachelorstudium im technischen Bereich unter anderem mit der Aussage geworben wird: »Sie werden in internationalen Einrichtungen der Rüstungskooperation eingesetzt und arbeiten oft mit Vertretern europäischer Partnerstaaten, den USA sowie der ausländischen Industrie zusammen. Sie arbeiten im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung.«
Der Bremer Universitätsprofessor Hans-Jörg Kreowski betont als FIfF-Vorstandsmitglied: »Bei der Kooperation handelt es sich um einen krassen Verstoß gegen die Zivilklausel der Hochschule, in der es heißt: ›Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen dienen ausschließlich friedlichen Zwecken. Der Akademische Senat lehnt die Beteiligung von Wissenschaft und Forschung an Projekten mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab ...‹ Diese Formulierung ist auch ganz im Sinne des Bremischen Hochschulgesetzes, in dem in § 4 Absatz 1 als eine Aufgabe herausgestellt wird: ›Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedliche Zwecke.‹ Eine Kooperation mit der Bundeswehr kann diesem Grundsatz in keiner Weise genügen.«
Kreowski weiter: »Wir sehen einen direkten Zusammenhang zwischen der verstärkten Präsenz des Militärs in zivilen Bildungseinrichtungen und den Plänen der Bundesregierung, neben Heer, Marine und Luftwaffe einen neuen militärischen Organisationsbereich für den Cyber- und Informationsraum (CIR) aufzustellen, was für sich genommen bereits eine äußerst problematische Entwicklung im weltweiten Rüstungswettlauf darstellt.« »Wir fordern die Leitung der Hochschule Bremen auf«, schließt Kreowski, »sofort von dem Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr zurückzutreten und sich auf die Zivilklausel zu besinnen, also Studium, Lehre und Forschung ausschließlich und vollständig zivil auszurichten!«
Das Bremer Friedensforum bedauert es ebenfalls, dass die Hochschule Bremen sich trotz Zivilklausel der zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft öffnet und vertraglich zusichert, mit der Bundeswehr zu kooperieren. Es protestiert gegen den Kooperationsvertrag und fordert seine Annullierung. Wie Hartmut Drewes, der Sprecher des Friedensforums, erklärt, sei der Vertrag im Zusammenhang mit der zurzeit personell wie materiell betriebenen Aufrüstung der Bundeswehr zu sehen. Die bundesdeutsche Armee solle speziell für einen Cyberkrieg fit gemacht werden. Zugleich werde die Bevölkerung in allen Bereichen, vom Kindergarten bis zu den Hochschulen, von den Industriebetrieben bis in die religiösen Gemeinschaften hinein auf eine weitere Militarisierung eingestimmt.
In diesem Sinne fordert auch ein Entschließungsantrag der Bremischen Fraktion der Linken vom 3. Mai: »Zivilklausel umsetzen – Keine Studiengangskooperation zwischen Bremischen Hochschulen und der Bundeswehr«. Dagegen verlangt die Bürgerschaftsfraktion der CDU: »Arbeit von Hochschulen und Bundeswehr stärken – Kooperationen unterstützen«. Die Regierungskoalition aus SPD und Bündnis90/Die Grünen windet sich. Man vernimmt aus ihren Reihen das tolldreiste Argument, die Truppe sei doch eine »Friedensarmee«, und die Kooperation mit ihr diene dem Frieden. Das gegenwärtige Bremer Regierungsbündnis verfügt einer neuesten Umfrage zufolge nicht mehr über die Mehrheit unter den Stimmbürgern.