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Reise in den Iran (II)  (Manfred Uesseler)

Ende April fand im Iran die Stichwahl zur Vergabe der restlichen 69 Parlamentssitze statt. Das Ergebnis hat den Trend in Richtung Reformer noch verstärkt (s. auch Folge I in Ossietzky 9/2016). Reformer und Moderate stellen seit 2004 die stärkste Fraktion im Parlament. In der zweiten Runde erreichten sie 38 der noch offenen Sitze, insgesamt 133 der 290 Parlamentssitze. Zwar verpasste die sogenannte Liste »Hoffnung« die absolute Mehrheit um 13 Sitze, dennoch ist das eine Stärkung der Position des Präsidenten. Die Konservativen verfügen insgesamt über 125 Abgeordnete, die restlichen Mandate gehen an unabhängige Kandidaten oder Vertreter von Minderheiten, deren Richtung gegenwärtig schwer einzuschätzen ist. Gleichfalls von Bedeutung: 17 Frauen, acht mehr als in der letzten Legislaturperiode, sind jetzt Parlamentsabgeordnete, 15 von ihnen gehören zur Fraktion der Reformerinnen. Das alles sind gute Zeichen für eine progressive Entwicklung. Wirtschaft und Tourismus versprechen sich von der aktuellen Entwicklung mächtigen Auftrieb. Seit meiner ersten Reise in den Iran im Jahr 2015 hat sich schon viel getan.

 

Die mehr als tausend Jahre alte Kultur erweist sich als großer Magnet. Die Kulturschätze im Süden des Landes stehen im Mittelpunkt des Interesses, Persepolis an erster Stelle. Allein im letzten Jahr haben sich die Besucherzahlen vervielfacht. Persepolis bietet durch die Weiträumigkeit der antiken Stadt für Touristen ein reiches Feld, sich mit dem Erbe aus der Zeit von Alexander dem Großen und dem sogenannten Großkönig Darius vertraut zu machen. Die Terrasse mit den Palastbauten allein erstreckt sich über eine Fläche von 450 mal 300 Meter. Der berühmte Palast, Apadana, mit den Kampfszenen an den Treppen, dazu die großartigen Darstellungen von Geschenke überbringenden Delegationen aus dem Reiche des Darius, die riesigen Säulen am Tor aller Länder, Tripylon und Hundertsäulen-Saal, Xerxes-Palast, Darius-Palast, die Felsgräber am östlichen Bergabhang. Der begeisterte Besucher wird in den Bann einer Welt vor mehr als tausend Jahren gezogen: Persepolis und die ganz in der Nähe liegende Nekropole der achämenidischen Könige in Naqsch-e Rostam.

 

Unweit entfernt liegt Schiras, dessen knospenförmige Kuppelbauten schon aus der Ferne glänzen. Die Jame-Moschee, die Märtyrer-Moschee, die 125 mal 94 große Festung Karim Khan mit der berühmten Darstellung des mythischen Kampfes zwischen Rostam und einem bösen Geist, die Nasr-ol-Molk-Moschee, die sich unter diesen Kuppeln befinden, das Vakil-Badehaus, das Shah-Cheragh-Heiligtum und noch vieles mehr machen die 1,5 Millionen Einwohner zählende Stadt zu einem Anziehungspunkt. Dazu kommen noch der Naranjestan-Garten und der Eram-Garten (Paradies-Garten) mit seinem dreistöckigen Palast. Das Hafis-Mausoleum und der Grabpavillon sind weitere Besuchermagneten. Goethe setzte Hafis Werk im »West-östlichen Diwan« ein literarisches Denkmal. Das Hafis-Mausoleum ist ein Ort größter Verehrung und bis heute ein Treffpunkt der Liebenden. Am Ortsausgang in Richtung Isfahan das Koran-Tor, auch das Saadi-Mausoleum und ferner die Gärten Chehel Tanan und Haft Tahan, gehören zu dem, was Schiras dem staunenden Besucher bietet und zu einem unvergesslichen Ereignis macht.

 

Auf dem Wege nach Schiras und Persepolis sollte Isfahan mit dem legendären Imam-Platz mit seinen Moscheen und dem Ali-Qapu-Palast, den überdachten Basargassen, aber auch dem Chehel-Sotum-Palast, der Char-Bagh-Straße mit der Madrese gleichen Namens, den berühmten Brücken, besonders der berühmten Khaju-Brücke, nicht vergessen werden.

 

In der Landesmitte ist Hamadan ein Ziel für Reisende: mit seinen armenischen Kirchen am Ekbatanhügel, dem Mausoleum für Esther und Mordechai, dem Mausoleum zu Ehren des berühmten Universalwissenschaftlers, Dichters und Philosophen Avicenna oder dem Grabmal für den Mystiker und Poeten Baba-Taher.

 

Im zentralen Hochland begeistert Yazd, die Stadt mit den Windtürmen. Herausragend sind hier die Jame-Moschee und das Rokn-od-Din-Grab, die Gassen zwischen Jame-Moschee und Ziyai-Platz, dann vor allem die Feuertempel und Schweigetürme. Die Schweigetürme, außerhalb der Stadt, die bis Ende der 1960er Jahre noch benutzt wurden, sind – wie der Feuertempel – mit Zarathustra verbunden. Der zarathustrische Glaube schreibt vor, dass Erde, Feuer, Wasser und Luft rein gehalten werden müssen. Verstorbene brachte man deshalb in diese Türme, so dass die Geier nur noch die Knochen übrig ließen, die dann in Gruben gesammelt wurden.

 

Mindestens einmal vor der Fahrt zu den Kulturstätten und sofern möglich auch danach, sollte man das Nationalmuseum und das Archäologische Museum in Teheran besuchen. Dort sind die wertvollsten Sehenswürdigkeiten aus dem gesamten Land ausgestellt. Aus der Metropole sind daneben unter anderem der Marmorthronpalast, der Sonnenpalast und besonders der Golestan-Palast (UNESCO-Weltkulturerbe) mit seinen Rosengärten, Springbrunnen und Wasserläufen hervorzuheben. Südlich davon liegt der Haupteingang zum Großen Basar, in dessen Leben und Treiben die ganze Welt des Orients sich widerspiegelt.

 

Hier, wie überall auf den Straßen und bei der Besichtigung der Sehenswürdigkeiten im ganzen Land ist die Freundlichkeit gegenüber Besuchern – so scheint es – Selbstverständlichkeit und immer wieder beeindruckend. Es gibt keine Sorge, geschweige denn Angst vor feindlichen Anschlägen. Eines wird in Gesprächen jedoch häufig geäußert: »Die USA und Israel können nicht unsere Freunde sein.« Die negativen Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit erweisen sich als große Last, die noch nicht überwunden ist und die politisch immer noch gefährdete Situation widerspiegelt.