Der Bertelsmann/Mohn-Konzern, ein im nordrhein-westfälischen Gütersloh ansässiges Globalunternehmen der Bewusstseinsindustrie, tummelt sich auf sämtlichen Politikfeldern. Ohne nur im Geringsten demokratisch dazu legitimiert zu sein, mischt sich die mit dem Konzern verbundene, von Reinhard Mohn (1921–2009) gegründete Bertelsmann Stiftung ebenso bei der Außen- und Militärpolitik ein wie bei der Steuer- und Handelspolitik, im Bereich der Kommunalpolitik ebenso wie auf den verschiedenen Feldern der Sozialpolitik.
Die Methoden der Einflussnahme variieren. Stets aber sind sie finanziell bestens unterfüttert. Schließlich ist die Stiftung im Konzern-Stammland Nordrhein-Westfalen als gemeinnützig anerkannt und entsprechend steuerprivilegiert. Seitens der Stiftung werden Forschungen durchgeführt und Untersuchungen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden von den Konzern-Medien – den Zeitschriften des Verlags Gruner + Jahr und den Fernsehsendern der RTL-Gruppe – an exponierter Stelle und kritiklos veröffentlicht. Wie gleichgeschaltet verbreiten auch die nicht zum Konzern gehörenden Medien die Meinungsmache der Bertelsmann’schen Denkfabrik-»Experten«. Die Stiftung veranstaltet darüber hinaus Konferenzen, zu denen Forscher und Politiker als Referenten eingeladen und im Konzerninteresse vernetzt werden.
Eines dieser zahlreichen Netzwerke trägt den Namen SONG. Die Abkürzung steht für »Soziales neu gestalten«. SONG entstand im Jahre 2006 und hat gegenwärtig die Rechtsform eines Vereins. Dem Netzwerk des eingetragenen Vereins gehören neben der Bertelsmann Stiftung eine Reihe von großen Trägerorganisationen der Altenhilfe sowie mehrere sozialwirtschaftliche Akteure an.
Bei letzteren handelt es sich zum Beispiel um das 1962 gegründete Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA), eine Art Thinktank im Bereich der Altenhilfe. Bestückt ist das Kuratorengremium KDA mit Vertretern aus Politik und Wohlfahrtsverbänden. Ein weiterer sozialwirtschaftlicher Akteur unter den SONG-Mitgliedern ist die von den Wohlfahrtsverbänden zur Zeit der Weimarer Republik ins Leben gerufene Bank für Sozialwirtschaft (BfS). Die BfS machte unlängst von sich Reden, weil sie der international aktiven pazifistischen Organisation »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« das Konto gekündigt hat.
Zu den Trägerorganisationen, die im SONG-Verein zusammengeschlossen sind, gehören ferner mehrere Dachorganisationen der evangelischen Altenhilfe: die Evangelische Heimstiftung (größter Altenhilfeträger in Süddeutschland), die Evangelisches Johannesstift-Altenhilfe gGmbH (Berlin und Brandenburg), die Samariterstiftung des Diakonischen Werks in Württemberg und das Evangelische Johanneswerk in Bielefeld. Der letztgenannte Träger war Anfang der 1980er Jahre durch Vorwürfe des Subventionsbetruges in Millionenhöhe in die Schlagzeilen geraten. Weitere Träger-Mitglieder sind die katholisch-kirchliche Stiftung Liebenau, die CBT (Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft mbH, Köln), die Münchner Stiftung Pfennigparade und die Bremer Heimstiftung, eine Gründung der Stadtgemeinde Bremen.
Die Bertelsmann Stiftung erklärte auf ihrer SONG-Website (https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/abgeschlossene-projekte/abgeschlossenes-projekt/ppid/ame-netzwerk-soziales-neu-gestalten-song-68066/): »Die Aktivitäten in diesem Netzwerk werden auf die Themen fokussiert, die einen entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft haben.« Das Netzwerk befasse sich daher schwerpunktmäßig mit den Fragen einer »zukunftsfähigen Ausrichtung der Altenhilfe« in Gestalt von »innovative[n], gemeinwesenorientierte[n] Wohn- und Betreuungsmodelle[n]«.
Die SONG-Website verweist zusätzlich auf ein 2009 veröffentlichtes »Memorandum des Netzwerks«, betitelt »Lebensräume zum Älterwerden – Für ein neues Miteinander im Quartier« (www.netzwerk-song.de/fileadmin/user_upload/Memorandum-des-netzwerks.pdf). Dort lesen wir: »Das Netzwerk lehnt die herkömmliche Versorgungslogik ab – die Zukunft liegt in unterstützenden Assistenzsystemen. Dies bietet die Chance, sowohl der Verletzlichkeit, die mit dem Alter verbunden sein kann, gerecht zu werden, sowie der Selbst- und Mitverantwortung des Einzelnen Raum zu geben.« (S. 4) Zielvorgaben seien: die »Stärkung von Eigenverantwortung und Eigeninitiative; Förderung von sozialen Netzen und neuen Formen des Hilfemixes; Entwicklung neuer lokaler Kooperationsformen und Interessensgemeinschaften durch Gemeinwesenarbeit; Gestaltung neuer Pflegearrangements im Quartier; Mobilisierung erhöhter nachbarschaftlicher Hilfe« (S. 5).
Das Memorandum votiert für eine »Renaissance des Subsidiaritätsprinzips« und fordert: »Subsidiarität sollte als zentrales Paradigma der Sozialpolitik neue Wirksamkeit entfalten, auch wenn dieses die Interessen wichtiger gesellschaftlicher Gruppen tangiert. Im Kern geht es um das Zusammenspiel von Markt, Sozialstaat, Wohlfahrtsgesellschaft und Familie. Zu den tragenden Bausteinen einer auf dem Subsidiaritätsprinzip basierenden Sozialpolitik gehört dabei eine Stärkung der Kommunen – und das nicht nur proklamatorisch, sondern auch faktisch in ihrer Finanzkraft.« (S. 9)
Mit der Ablehnung der sozialstaatlichen »Versorgungslogik« und der Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip wird deutlich: Zukunftsfähigkeit à la Bertelsmann und SONG-Netzwerk bedeutet Vergangenheitsorientierung. Ziel ist die Drosselung der Sozialleistungen für Alte und Pflegebedürftige. Wo von Eigenverantwortung und Eigeninitiative die Rede ist sowie von Selbst- und Mitverantwortung, meint der Subtext in Wahrheit finanzielle Eigenbeteiligung und vermehrt unbezahlte Leistungen, sprich: die Hilfeleistungen von Familienangehörigen und von »Ehrenamtlichen«. Der Slogan »Soziales neu gestalten« übertüncht das versteckte Ziel, auch noch die letzten Ruinen des Sozialstaats im Bereich der Alten- und Pflegearbeit zu schleifen.