Wer war Richard Starkey? Achselzucken. Auf Anhieb werden die meisten mit dem Namen nichts anfangen können. Der Künstlername »Ringo Starr« zaubert dann aber ein Strahlen ins Gesicht. Aaah, der Drummer der legendären Beatles. Künstlerisch blieb er allerdings immer im Hintergrund, stand stets im Schatten der kreativen Charismatiker John Lennon und Paul McCartney. Auch den spirituellen Höhenflügen von George Harrison konnte er nichts abgewinnen. Als ältester der Bandmitglieder stieß Ringo erst kurz vor dem großen Durchbruch als letzter zu den Fab Four. Wegen seiner fröhlichen Art wurde er als Gute-Laune-Beatle belächelt und oftmals unterschätzt; doch ohne ihn hätte es The Beatles nie gegeben. Durch sein unkonventionelles Schlagzeugspiel (als umerzogener Linkshänder) hat er den Sound der Beatles entscheidend mitgeprägt. Am 7. Juli wird Ringo Starr 80 Jahre alt. Grund genug, seine vielfältigen Leistungen und Talente gebührend zu würdigen.
Ringos Biographie hält dabei mehr Überraschungen bereit als die bekannten Lebensläufe von John, Paul und George. Das liegt daran, dass die kreativen Fab Three schon mehrfach und gründlich untersucht wurden, während der zurückhaltende Ringo nie eine Autobiographie veröffentlicht hat und Journalisten gegenüber eher abweisend ist. Der am 7. Juli 1940 als Richard Starkey geborene Arbeitersohn wuchs in einfachen Verhältnissen in einem Liverpooler Arbeiterviertel auf. Seine Kindheit war durch die Scheidung der Eltern und eine schwächliche Gesundheit mit vielen Krankenhausaufenthalten geprägt. So konnte er nur fünf Jahre die Schule besuchen. Als Heranwachsender versuchte er sich zunächst als Botenjunge, Barkeeper und Schreiner. 1957 kaufte ihm sein Stiefvater ein Schlagzeug, und er lernte als Autodidakt das Instrument. Zwei Jahre später wurde er bereits Mitglied der Band Rory Storm And The Hurricanes, eine der führenden Bands Liverpools. Aus dieser Zeit stammt auch sein Künstlername: Ringo nannte er sich wegen der vielen Ringe an seiner Hand, Starr leitete sich von seinem Nachnamen ab. Bei einem Gastspiel im Hamburger Star Club traf er 1960 erstmals die Beatles, die ihn zwei Jahre später für Pete Best als Schlagzeuger in ihre Band aufnahmen. Zunächst musste sich Ringo erst einmal beweisen, doch spätestens mit dem Album »Please Me Please« wurde er von den Bandmitgliedern und den Fans akzeptiert.
Auf dem Höhepunkt der Beatlemania Mitte der 1960er Jahre wurde Ringo der eigentliche Schwarm der Beatles-Fans, der Mädchenherzen höher schlagen ließ. Seine Schlagzeug-Solos, die sogenannten Starr Times, wurden legendär, und auf jedem Beatles-Album (außer »Let It Be«) sang er trotz seines geringen Stimmumfangs einen Titel, der zum Teil extra auf ihn abgestimmt wurde – darunter so legendäre Songs wie »Yellow Submarine« (auf dem Album »Revolver« 1966) oder »With a Little Help From My Friends« (auf dem Album »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band« 1967). Auch drei Beatles-Songs stammten aus seiner Feder: »What goes on« (in Zusammenarbeit mit John und Paul), »Don’t Pass Me By« und »Octopus’s Garden«. In den beiden Beatles-Filmen »A Hard Day’s Night« und »Help!« war Ringo der unbestrittene Star; hier konnte er sein Slapstick-Talent zeigen.
Trotz der Erfolge blieb Ringo der unterschätzte Beatle. John war der begnadete Songwriter, Paul der herausragende Komponist und George der innovative Lead-Gitarrist. Und Ringo? Er trommelte und sorgte noch für gute Laune, als die Auflösungserscheinungen der Fab Four längst begonnen hatten. Im August 1968 hatte aber selbst der humorvolle Ringo die Nase voll, er verließ die Band während der Studioaufnahmen zum »White Album«. Schnell merkten seine Bandkollegen, dass es ohne Ringo nicht ging – John schickte ihm eine Postkarte »Du bist der beste Rock-Drummer der Welt. Komm nach Hause.« Als Ringo nach zwei Wochen zurückkehrte, war sein Schlagzeug zur Begrüßung mit Blumen geschmückt.
Ringo, der bereits 1970 mit »Sentimental Journey« und »Beaucoups of Blues« seine ersten eigenen Studioalben veröffentlicht hatte, startete nach der Auflösung der Band eine zunächst erfolgreiche Solo-Karriere. Mit dem Album »Ringo« und den Singles »Photograph« und »You’re Sixteen« stürmte er die Charts. Für seine Alben konnte er immer wieder berühmte Musiker, auch seine ehemaligen Beatles-Kollegen, gewinnen. Parallel zu seinen musikalischen Aktivitäten versuchte sich Ringo in den 1970er Jahren auch als Filmschauspieler. Mit steigendem Alkoholkonsum ging es jedoch mit der Karriere bergab. So machte Ringo Starr in den 1980er Jahren musikalisch nur wenig auf sich aufmerksam, eher durch Schlagzeilen über Party- und Alkoholexzesse. Erst nach einer erfolgreichen Entziehungskur 1988, gemeinsam mit seiner zweiten Frau Barbara, fand Ringo zurück zu alter Kreativität. Um seine Karriere zu reaktivieren, gründete er mit Freunden die »Ringo Starr and His All-Starr Band«. Das Ergebnis waren mehrere Alben und zahlreiche Tourneen (mit wechselnder Besetzung) quer über den Globus bis 2016. Fast im Jahrestakt folgten neue Solo-Alben – im Oktober 2019 mit »What’s My Name« bereits Ringos zwanzigstes Studioalbum.
Pünktlich zum 80. Geburtstag ist nun die erste deutschsprachige Biographie erschienen. Der Literatur- und Musikkritiker Nicola Bardola, der als exzellenter Beatles-Experte gilt, präsentiert facettenreich den Ausnahmemusiker mit all seinen Höhen und Tiefen, wobei der Schwerpunkt auf dessen Karriere nach der Beatles-Zeit liegt. Neben dem turbulenten Leben wird auch Ringos Schaffen als Filmemacher, Fotograf, Schauspieler und Friedensaktivist beleuchtet. Nicht der Ex-Beatle steht im Vordergrund sondern der Musiker und Mensch Ringo Starr, ein Sympathieträger, der inzwischen Urgroßvater ist, aber immer noch Konzertsäle füllt.
Nicola Bardola: »Ringo Starr. Die Biographie«, Edition Olms Zürich, 240 Seiten, 25 €