»Aber wenn einer schon Theater spielt: dann soll er dran glauben und soll uns anständige Arbeit zeigen.« K.T.
Ich weiß nicht, ob Eduard Schynol diese Forderung Tucholskys kennt. Aber daß er ihr gerecht wird, steht außer Frage. Was die im Jahre 1996 gegründete, von Anfang an von ihm geleitete Tucholsky-Bühne bisher auf die Bretter gelegt hat, sucht seinesgleichen. Der Trägerverein, der knapp 200 Mitglieder auf, hinter und vor der Bühne zählt, nennt als Vereinszweck »Amateurtheater«, das heißt Liebhaber-Theater. So viele engagierte Liebhaber auf einmal trifft man selten. Man möchte sie mancher Profi-Bühne wünschen. Von der Gründung bis zum heißen Sommer 2010 gab es 28 Inszenierungen, weitere zwei sind in Vorbereitung. Neben dem geradezu klassischen Repertoire wie »Mutter Courage«, »Herr Puntila«, »Hauptmann von Köpenick« und »Tagebuch der Anne Frank« wird das Lokalkolorit bedient (»Rampenloch«) und Tucholskys gedacht; das gelungene Musical »KurtT« erlebte nach zehn restlos ausverkauften Aufführungen leider keine Fortsetzung, da einer der Komponisten seine Zustimmung zurückzog.
Die Vielfalt des künstlerischen Angebots wird durch die Originalität der Spielstätten noch übertroffen. Sie reicht von der Schulaula und dem Mindener Bürgerzentrum über den alten Friedhof, der zum Botanischen Garten umgestaltet wurde, bis zum städtischen Bordell. Eine ehemalige Kaserne, jetzt Preußen-Museum, bot den idealen Rahmen für die Geschichte um den Schuster Voigt, der die Welt zum Lachen und Heulen zugleich brachte. Die »Nibelungen« wurden in einem stillgelegten Bergwerk im Weser-Gebirge präsentiert, was die romantische Anfahrt in der Grubenbahn gleich mit einschloß. »Alles auf Zucker« wird im Gemeindesaal der Petri-Kirche über die Bühne gehen und »Biedermann und die Brandstifter« im Rathaussaal. Die wirkliche Heimat der Bühne aber ist das Fort A, eine halb in die Erde eingegrabene Befestigungsanlage; die Spielbesessenen beräumten sie vom Schutt eines Jahrhunderts und führten sie einer sinnvollen humanistischen Bestimmung zu. An dieser Stelle wird am 3. Oktober, dem Nationalfeiertag und Geburtstag Carl von Ossietzkys, auch eine Tucholsky-Ehrung steigen, zu der das Berliner Zimmertheater Karlshorst seine Mitwirkung zugesagt hat. Zum Ensemble gehören Mindener unterschiedlicher Nationalitäten und Jahrgänge; Behinderte finden Mitwirkungsmöglichkeiten, die sie begeistern. Und alle Beteiligten erhalten ihren Anteil am Applaus. »Schauspieler haben es gut – Schriftsteller merken nur mittelbar, was sie gekocht haben.« K. T.
Als ich sie kürzlich wieder besuchen wollte, waren Mimen und Mitmacher gerade verabredet, einem von ihnen beim Umzug zu helfen. Amateure eben.