der Florence Foster Jenkins war es, das diese wohlhabende und renommierte New Yorker Dame in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu einer hochgeschätzten und besonders von der Oberschicht bejubelten Sängerin machte. Bei Benefizveranstaltungen aller Art und 1944 sogar bei einem Gala-Konzert in der Carnegie Hall demonstrierte die damals schon 76jährige Lady Florence, wie man den internationalen Lieder-Schatz nicht nur lauthals zum Klingen bringen, sondern durch wohldosierte völlig falsche Töne auch gleichzeitig zerstören kann. Für die High Society bekämpfte Madame Jenkins die High Fidelity, ohne es zu wollen. Da sie, vermutlich von Natur aus, nicht genau hörte, hörte sie sich selber nicht oder nur verstümmelt. Keine Spur von »höchster Klangtreue«, mit der die Schallplattenindustrie gewöhnlich wirbt. Das höhnische Kichern ihrer vermeintlichen Verehrer wurde stets vom Applaus-Lärm zugeschüttet. Man hatte keine Lieder-Königin bewundert, sondern sich über die unfreiwillige Komikerin amüsiert. Ihr ständiger Begleiter, der Pianist Cosme McMoon, versuchte lange, der musikalisch leicht defekten Künstlerin die richtige Stimmgabel-Stimmung zu vermitteln. Vergebliche Liebesmüh. Florence drehte seine kritischen Worte um und warf sie ausgerechnet dem perfekten Musiker an den Kopf. McMoon, der die Gage brauchte, verleugnete bis zum Tode des seltsamen Stars musikalische Prinzipien zugunsten der Fronarbeit am Klavier.
Das Unwahrscheinliche wurde Wirklichkeit: Beide waren erfolgreich, Frau Jenkins dabei sogar glücklich. Ihre Existenz und ihr Erdenwandel sind verbürgt, alles ist wirklich geschehen. Stephen Temperley formte daraus »eine Phantasie über das Leben der Florence Foster Jenkins«. Unter dem Titel »Souvenir« wurde sie vom Renaissance-Theater Berlin produziert. Ein Glücksfall war, daß der vielseitig begehrte Torsten Fischer die Regie übernahm. Ein zweiter, daß die beiden Rollen, Florence Jenkins und Cosme McMoon, die vermutlich nur von zwei Bühnenkünstlern gespielt werden können, von Désirée Nick und Lars Reichow, von Nick und Reichow gespielt wurden. Dritter Glücksfall: Günstig für eine solche Darbietung wären im Publikum ein paar Leute mit kritischen oder begeisterten Beziehungen zur Musik, beispielsweise Opernfreunde oder Opernhasser und so weiter. Solche Hörer waren anwesend.
Lars Reichow, ein Mime mit diskretem Charisma, spielt zurückhaltend den unglückseligen McMoon sowie sehr gut und kräftig seinen Konzertflügel. Kontaktfreudig und offenherzig gewinnt er die Sympathien des Publikums.
Seine singend und danebensingend dominierende Partnerin, die (180 cm) große Komödiantin Desirée Nick, beherrscht ihren attraktiven Körper ebenso gut wie ihre voluminöse Stimme. Weil sie gut singen kann, meistert sie auch die schwierige Kunst, in überraschenden Momenten sehr gut sehr falsch zu singen. Von ihrer brillanten Lächerlichkeit war nicht nur der prominente Opernstar neben uns hin- und hergerissen. Fischers Inszenierung hat seine Protagonisten und vielleicht alle Gäste kräftig animiert. Andreas Janczyks groteske Gewänder der Hauptdarstellerin kamen in einem fantastischen Spiegelkabinett (Bühnenbild: Vasilis Triantafillopoulos) vervielfacht zu alberner Geltung.
Weshalb Fischer und die Dramaturgin Gundula Reinig eine dem Crescendo der lustigen Handlung folgende tränenfeuchte Coda nicht gestrichen oder gekürzt haben, blieb meinem schlichten Gemüt allerdings unerklärlich.