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Wem gehört die New York Times?  (Werner Rügemer)

»Es gibt zwei Supermächte auf der Welt, die USA und Moody‘s. Die Vereinigten Staaten können dich zerstören, indem sie Bomben auf dich werfen. Moody‘s zerstört dich, indem es das Rating deiner Bonds herabsetzt. Und es ist nicht immer klar, wer von beiden mächtiger ist«, meinte der US-Journalist Thomas Friedman schon vor Jahren in der New York Times, anerkennend zitiert von der Süddeutschen Zeitung.

Was so radikal kritisch klingt, dient in Wirklichkeit der Verschleierung; denn Friedman (und im Gefolge die Süddeutsche Zeitung) blendet aus, wem die Ratingagenturen gehören, wer die Bomben produziert, wem die US-Regierung sie auf den Kopf wirft und warum. Außerdem läßt sich die rhetorische Frage Friedmans, wer mächtiger sei, leicht beantworten: Beide Akteure – US-Militär und US-Ratingagentur – gehören zur gegenwärtig zentralen Kapitalmacht. Der eine stützt sich auf den anderen. Und die New York Times gehört ebenfalls dazu: Sie gehört denselben Eigentümern wie die Ratingagenturen.

Die New York Times ist das Leitmedium der westlichen Wertegemeinschaft, jedenfalls im Printbereich. Der Konzern verlegt neben der NYT 18 weitere Zeitungen darunter International Herald Tribune und Boston Globe. Weiter gehören zum Konzern zahlreiche Websites, Radio- und Fernsehsender und Zeitschriften.

Da kommen durchaus qualifizierte kritische Meinungen vor, etwa die Kolumnen des Ökonomen Paul Krugman. Die Zeitung brachte auch brisante Enthüllungen über besonders widerliche Aktionen der US-Armee im Vietnam- und Irakkrieg. Nach der Finanzkrise dokumentierte sie mehrere Betrügereien von Hedgefonds und Banken. Das politische und wirtschaftliche System und die US-Kriege selbst und die weltweite Vorherrschaft der Wall Street werden aber nicht in Frage gestellt. Ein Abklatsch dieser vorgeblich kritischen Publizistik in Deutschland ist etwa der Spiegel.

Der Konzern der New York Times ist seit 1967 als Aktiengesellschaft an der Börse New York notiert. Die Gründungs- und Erbenfamilie Ochs-Sulzberger hat zwar die Mehrheit im Vorstand, doch die Mehrheit der Aktien gehört anderen Investoren. 2006 kritisierte die Investmentbank Morgan Stanley, damals Großaktionär, die Linie des Blattes, das sich vorsichtig von der US-Kriegsführung unter Präsident George W. Bush im Irak absetzte. Die Bank verkaufte aus Protest ihre Anteile, und die Familie Sulzberger zog ihr Geld bei Morgan Stanley ab.

Die Eigentümer sind nun vor allem diverse Hedgefonds: T. Rowe Price, Value Act Holdings, Vanguard Group, Citadel Advisors, Blackrock, State Street, Contrarius Investment, Global Thematic Partners, Goldman Sachs, Aston Fairpoint Mid Cap, Ishares und andere. 2003 wurde der damalige Europa-Manager des von arabischen Investoren gegründeten Hedgefonds Investcorp (Sitz London), Thomas Middelhoff (Bertelsmann, dann Oppenheim und Karstadt/Quelle), Mitglied im Aufsichtsrat.

T. Rowe Price, Vanguard Group und Blackrock sind zugleich auch Miteigentümer der beiden größten Ratingagenturen Standard & Poor's und Moody's. Blackrock ist auch Hauptaktionär der Deutschen Bank (die weder deutsch noch eine Bank ist, sondern eine globale Vorfeldagentur von Hedgefonds und anderen Investmentbanken).

Den gleichen Typ und teilweise dieselben Eigentümer finden sich bei anderen West-Welt-Leitmedien wie dem Fernseh-Konzern CNN und den Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg. Scheinbar anachronistisch, aber systemkompatibel ist die Lage bei Dow Jones und dem Wall Street Journal: Sie gehören dem Konzern News Corporation des Medientycoons, Politikererpressers und Gewerkschaftshassers Rupert Murdoch.

Reinhard Jellen rezensiert das neue Buch von Werner Rügemer in der vorliegenden Ossietzky-Ausgabe auf Seite 566.