wird gut. Das lässt hoffen, im vorliegenden Fall auch zweifeln. Der von der holländischen Sicherheitsbehörde Dutch Safety Board (DSB) geleitete Untersuchungsausschuss will überraschenderweise bereits nach zwei Jahren, im Sommer 2016, neue Erkenntnisse darüber veröffentlichen, wie die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH17 am 17. Juli 2014 über der Ostukraine abgeschossen wurde. Dann werde man den genauen Raketentyp und die genaue Stelle kennen, von der aus die Rakete, die den 298 Insassen der von Amsterdam nach Malaysia fliegenden Verkehrsmaschine den Tod brachte, abgefeuert worden sei. Im Oktober 2015 hatte das DSB bereits einen »Abschlussbericht« mit dem Ergebnis veröffentlicht, dass das Flugzeug von einer 9M38-Rakete, mit denen Buk-Systeme bestückt werden können, vom Boden aus abgeschossen worden sei. Eigentlich war der Bericht gar nicht nötig gewesen, denn die Kiewer Maidan-Regierung und die NATO-Staaten wussten von Anfang an, dass die ostukrainischen Separatisten und selbstverständlich der Kreml für den Abschuss verantwortlich waren. Folgerichtig verschärften sie die Sanktionen gegen Russland. Durch den »Abschlussbericht« fühlten sie sich bestätigt. Die Süddeutsche Zeitung brachte es auf den Punkt: »Wer befahl den Abschuss des Flugzeugs über der Ostukraine? Ein neuer Bericht grenzt den Kreis der Verdächtigen ein. Unter anderem im Fokus: Russlands Präsident Putin.«
Die Darstellung des Abschusses der Passagiermaschine stieß allerdings auch auf Fragen und Kritik und wurde in einigen Medien, darunter Ossietzky (s. 21, 24, 25/2015), intensiv diskutiert. Der Autor Volker Bräutigam kritisierte unter anderem, dass »die Leichen der Piloten … nicht für eine unabhängige Obduktion freigegeben [wurden], trotz aller Bitten der Angehörigen und der malaysischen Regierung. Es wird nie zweifelsfrei festgestellt werden können, ob die Piloten von Raketensplittern oder Kugeln aus der Bordkanone eines ukrainischen Jagdflugzeugs getötet wurden.« Darüber hinaus machte er darauf aufmerksam, dass die USA und die NATO »dank ihrer lückenlosen Satellitenüberwachung über sämtliche Informationen zu einer vollständigen Aufklärung des Abschusses [verfügen]«, diese jedoch verbergen.
Allerdings ist die Hoffnung auf eine umfassende Aufklärung nicht verloren. Schließlich soll eine weitere Untersuchung durch ein zweites gemeinsames Ermittlungsteam (Joint Investigation Team – JIT) feststellen, wer für den Vorfall verantwortlich ist. Und es gibt eine Menge Fragen, die noch beantwortet werden müssen, darunter: Warum hat das DSB die freigegebenen Daten des Buk-Herstellers nicht in der Untersuchung verwendet? Weshalb hat das DSB nicht alle Trümmer der abgeschossenen Boeing aufgesammelt? Aus welchem Grund sollen die Russen das Flugzeug mit einer Buk-Rakete abgeschossen haben, obwohl sie 2011 die letzte Rakete dieses Typs außer Dienst gestellt hatten, wogegen die Ukraine noch über Hunderte dieser veralteten Raketen verfügt? Wieso wurden die Berichte der Pathologen als »geheim« eingestuft? Wieso lehnte das DSB die russische Forderung ab, andere Waffentypen als mögliche Verursacher des Abschusses zu untersuchen?
Diese und andere Fragen werden gewiss sorgfältig und unparteiisch vom zweiten Ermittlungsteam geklärt und beantwortet werden. Das garantiert allein schon dessen Zusammensetzung aus Spezialisten der NATO-Staaten Niederlande und Belgien sowie Australiens und der in keinster Weise involvierten Ukraine. Experten des Staates Malaysia, um dessen Boeing und Fluglinie es sich handelt, bleiben ausgeschlossen. Malaysia ist kein Industrie-, sondern ein Schwellenland und hat eh schon keine Ahnung von moderner Flug- und Waffentechnik. Russische Spezialisten kamen erst recht nicht in Frage, die haben ganz einfach zu viel Ahnung, hätten die Untersuchung nur unnötig kompliziert und es erschwert, dem Kreml die Schuld zuzuschieben.
Nun, da alles so gut laufen könnte, tauchten plötzlich Quertreiber auf, und das ausgerechnet in Australien und in den Niederlanden, deren Vertreter der weiteren Untersuchung zum Erfolg verhelfen sollen. In Melbourne begann eine gerichtliche Anhörung zu den bisherigen MH17-Ermittlungen. In deren Verlauf äußerten australische Ermittler und Gerichtsmediziner Zweifel am bisherigen »Abschlussbericht«. So seien Untersuchungsstandards nicht eingehalten worden, und der zuständige Gerichtsmediziner habe auch nach »intensiven Untersuchungen« keine Schrapnellsplitter in den Opfern gefunden, wie sie sonst für Raketenexplosionen typisch seien. Nahezu gleichzeitig kritisierten niederländische Parlamentarier, dass die USA noch immer nicht die Radardaten und Satellitenaufzeichnungen des MH17-Fluges zur Verfügung gestellt hätten. Als Journalisten den Sprecher des US-State Departments, John Kirby, in der ersten Märzhälfte bei einem Pressebriefing nach den Daten befragten, lieferte er ein schönes Beispiel für die vorbildliche Informationspolitik und Auskunftsfreudigkeit hoher Washingtoner Beamter. Russische Medien dokumentierten sie wie folgt:
»›Welche Art von Daten haben die USA mit niederländischen Ermittlern zum Abschuss von MH-17 geteilt‹, fragte RT-Reporterin Gayane Chichakyan beim Pressebriefing des State Departments. Darauf antwortete [dessen Sprecher] Kirby: ›Ich werde Ihnen dazu tatsächlich nicht viele Informationen geben können. Es gibt dazu noch eine aktive Prüfung, und ich würde Sie an die niederländische Regierung verweisen. Ich werde Ihnen nicht viel mehr Details dazu geben können.‹ ›Sie haben uns überhaupt keine Details gegeben. Nicht ‚viel mehr’ – gibt es keine‹, widersprach der Korrespondent der Nachrichtenagentur AP Matt Lee. ›Wir haben weiterhin kommuniziert‹, blieb Kirby hartnäckig. ›Wir kommunizieren hier [auch] gerade weiter, aber ich bekomme keine Antworten und es ist sonst niemand hier‹, schoss Lee zurück. ›Also was bedeutet das?‹ ›Es bedeutet, dass wir mit ihnen zusammenarbeiten und sie in ihren Bemühungen unterstützen. Ich werde nicht weiter in die Details davon gehen, wie das aussieht‹, blieb Kirby unnachgiebig. ›Aber diese Antwort bedeutet nichts!‹ sagte Lee. ›Ich habe die Frage beantwortet‹, antwortete Kirby und verwies alle weiteren Fragen zum Thema an die niederländische Regierung.« (https://deutsch.rt.com/nordamerika/37128-washington-gibt-keine-details-uber/)
Kurz nach diesem fröhlichen Frage- und Nichtantwortspiel haben die USA laut dem niederländischen Chefermittler Fred Westerbeke alle ihre Informationen, also auch ihre »rohen Radardaten und Satellitenbilder«, bereitgestellt. Befürchtungen, dass diese mittlerweile, viele Monate nach dem Abschuss der Boeing, manipuliert sein könnten, sind natürlich völlig unangebracht. Dafür war die Zeit einfach zu kurz. Gut Ding braucht schließlich Weile.
Schlecht Ding dagegen benötigt zuweilen auch Eile. Der Ausschluss der russischen Leichtathleten von den Olympischen Sommerspielen in Rio ist dafür ein gutes Beispiel. Mit der Verketzerung Russlands hat das nichts, also überhaupt nichts zu tun!