Während ich dies schreibe, am Tag des Herrn, hat der Apparat der deutschen Sozialdemokraten sein Endziel erreicht. Nach der neuesten Emnid-Umfrage stehen SPD und AfD mit je 17 Prozent gleichauf in der Wählergunst. Das war harte Arbeit, das Ergebnis ist wohlverdient und stand schon bei der Aufnahme der GroKo-Verhandlungen vor gut einem halben Jahr für jedes SPD-Mitglied mit Verstand fest. Aber auch für die Mitglieder des Apparates. Denn am 17. Dezember, kurz nach Beginn der GroKo-Verhandlungen, stellte der Parteivorstand der SPD eine Strafanzeige wegen »Urkundenfälschung«, die den erwünschten Zustand der Partei deutlich macht. Der SPD-Vorstand klagte gegen die Aktion Arbeitsunrecht und deren Vorsitzenden Werner Rügemer. Das Landeskriminalamt Berlin hackte dessen Mail-Konto und legte es lahm. Die Staatsschutzabteilung der Kripo Köln lud Rügemer vor. Er kam nicht und beantragte über seinen Anwalt Akteneinsicht. Und so kam jetzt, nach einem halben Jahr, die ganze Geschichte an die Öffentlichkeit.
Die beklagte »Urkundenfälschung« war eine ganz normale Satire, in der eine Protestkundgebung der Aktion Arbeitsunrecht angekündigt wurde: Ein fiktiver Brief des damaligen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz lud zu einer Kundgebung. Text: »Ein Neubeginn der Sozialdemokratie ist nicht denkbar, ohne die hart arbeitenden Menschen im Lande, deren Vertrauen meine Partei in der Vergangenheit allzu leichtfertig aufs Spiel gesetzt hat ... Ich möchte die Gelegenheit Ihrer Protestkundgebung ergreifen und erklären, dass die SPD nunmehr, nach längeren Diskussionen, für eine konsequente Revision der Hartz-Gesetze eintreten wird.«
Ein völlig fiktiver Brief. Ich habe vor mehr als einem halben Jahrhundert – noch unter dem Adenauer-Regime – für die Satire-Zeitschrift Pardon fortgesetzt handelnd, Monat für Monat, solche Urkundenfälschungen mit Briefbögen namhafter Politiker verfasst. Keiner der davon Betroffenen war je so stockdumm, mich zu verklagen. Aber heute verfügen die Führer der SPD über den dazu nötigen Geisteszustand, gegen eine offensichtliche Satire vorzugehen. Denn auf Hartz IV darf nicht der Schatten einer Kritik fallen. Es gebe neue Herausforderungen, erklärte der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dem Tagesspiegel, »die Agenda-2010-Debatte langweilt mich«.
Die SPD wurde vor gut eineinhalb Jahrhunderten gegründet als Partei der Freiheit, des Friedens und des Sozialismus. Seit 1914 ist sie ein einziger Bruch ihrer Gründungsurkunde, des Eisenacher Programms von 1869. Ihr Lohnabhängigen dieser Republik macht es wie die SPD! Verklagt sie wegen permanenter Urkundenfälschung.