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Piloten sollen nukleare Teilhabe verweigern  (Ekkehard Lentz)

Mindestens 20 amerikanische Atombomben lagern in Deutschland. Im Kriegsfall sollen deutsche Piloten sie ans Ziel fliegen. Martin Singe und Armin Lauven von der »pax-christi«-Gruppe Bonn hatten eine Idee, die guten Anklang fand. Sie initiierten einen Appell an die im rheinland-pfälzischen Büchel stationierten Pilotinnen und Piloten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33, deren Tornados als Trägerwaffe für die US-amerikanischen Atomwaffen im Ernstfall eingesetzt werden sollen.

 

Am 20. Juni erschien der Aufruf zur Verweigerung der nuklearen Teilhabe als Anzeige in der Samstagsausgabe der Rhein-Zeitung (RZ). 127 Personen und 18 Organisationen aus der Friedensbewegung finanzierten die Anzeige mit ihren Spenden. Nach Eigenangaben der RZ wurden mit den Ausgaben Koblenz, Mayen-Andernach, Rhein-Lahn-Kreis, Cochem-Zell und Rhein-Hunsrück insgesamt 258.000 Leserinnen und Leser erreicht.

 

Die Initiatoren schickten den Aufruf auch an den Kommandeur des Büchel-Geschwaders. Sechsundvierzig Tornado-Kampfjets werden dem Geschwader zugerechnet, das mit den Zivilangestellten rund 2000 Leute umfasst. Der Hauptauftrag des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 lautet nach Eigenangabe »Luftangriff«. »Mit dem Waffensystem ›PA-200 Tornado‹ ist das Geschwader präzise, reaktionsschnell, flexibel und bei jedem Wetter einsatzbereit.« Siehe auch: https://www.bundeswehr.de/de/organisation/luftwaffe/organisation-/luftwaffentruppenkommando/taktisches-luftwaffengeschwader-33.

 

Nach Informationen der örtlichen Friedensgruppen lebt und agiert das gesamte Geschwader sehr abgeschirmt. Umso sinnvoller, den Aufruf in der größten Lokalzeitung zu veröffentlichen und so mit ziemlicher Sicherheit Piloten und Mitarbeiter vor Ort zu erreichen.

 

Den Anlass für die Anzeigenaktion lieferte die aktuelle Debatte um die Beschaffung neuer atomwaffenfähiger Kampfjets für die Bundeswehr (vgl. »Atombomber? Nein Danke!« – Ossietzky 12/2020). Die Pilotinnen und Piloten, die im Ernstfall die Atombomben abwerfen sollen, werden eindringlich auf die Völkerrechts- und Grundgesetzwidrigkeit von Atomwaffeneinsätzen und allen damit in Zusammenhang stehenden Unterstützungsleistungen hingewiesen – und dazu aufgerufen, die Mitwirkung an der nuklearen Teilhabe zu verweigern. Entsprechende Befehle seien rechtswidrig und dürften weder erteilt noch befolgt werden.

 

»Sie als Pilotinnen und Piloten können Ihre direkte Mitwirkung an der nuklearen Teilhabe aufkündigen und so dazu beitragen, dass in einem ersten Schritt zu einer atomwaffenfreien Welt die Atomwaffen aus der Bundesrepublik abgezogen werden«, heißt es in der Anzeige.

 

Als Beleg für die Rechtswidrigkeit zitieren die Unterzeichner der Zeitungsanzeige aus einer Taschenkarte der Bundeswehr (Ausgabe 2008) für Soldaten, wonach der Einsatz atomarer Waffen durch das humanitäre Kriegsvölkerrecht ausdrücklich verboten ist. Weiter argumentieren sie: »Die Bundesrepublik hat sich als Nichtnuklearwaffenstaat im Atomwaffensperrvertrag verpflichtet, Atomwaffen von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen (Art. II) … Jeder Atomwaffeneinsatz ist laut Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 9. Juli 1996 generell verboten …«

 

Politikerinnen und Politiker, Bürgerinnen und Bürger werden zugleich aufgefordert, sich für die Abschaffung der Atombomben und die Unterzeichnung des neuen UN-Atomwaffenverbotsvertrages einzusetzen.

 

Anders als bei vergleichbaren Zeitungsanzeigen der Friedensbewegung in der jüngsten Zeit üblich, hat die Rhein-Zeitung drei Tage später erfreulicherweise in ihrem redaktionellen Teil über den Aufruf berichtet, wichtige Passagen wörtlich zitiert und das Verteidigungsministerium um Stellungnahme gebeten.

 

Ein Sprecher der Luftwaffe in Berlin »erklärt, woraus sich die Nukleare Teilhabe ableitet und wie sie sich in die Sicherheitsarchitektur für Deutschland, Europa, der Welt und innerhalb der NATO als Bündnis einordnet« (RZ). Die sicherheitspolitischen Hintergründe zur nuklearen Teilhabe postuliert das Weißbuch 2016 (https://www.bmvg.de/de/themen/weissbuch): »Solange nukleare Waffen ein Mittel militärischer Auseinandersetzungen sein können, besteht die Notwendigkeit zu nuklearer Abschreckung fort. Die strategischen Nuklearfähigkeiten der Allianz, insbesondere die der USA, sind der ultimative Garant der Sicherheit ihrer Mitglieder. Die NATO ist weiterhin ein nukleares Bündnis. Deutschland bleibt über die nukleare Teilhabe in die Nuklearpolitik und die diesbezüglichen Planungen der Allianz eingebunden. Dies geht einher mit dem Bekenntnis Deutschlands zu dem Ziel, die Bedingungen für eine nuklearwaffenfreie Welt zu schaffen. Die Allianz hat sich dieses im Strategischen Konzept von 2010 zu Eigen gemacht.«

 

Solange Nuklearwaffen in dieser Welt existieren – setzt die Rhein-Zeitung nach – besteht nach Überzeugung der Bundesregierung die Notwendigkeit zum Erhalt der nuklearen Abschreckung fort. »Diese wird für uns Deutsche durch unsere Mitgliedschaft in der NATO sichergestellt«, so der Sprecher weiter. (Rhein-Zeitung, 23. Juni 2020)

 

Sechs Tage nach Veröffentlichung der Anzeige in der Rhein-Zeitung veröffentlichte die Welt aus dem Hause Springer einen bemerkenswerten Artikel »Wie Deutschland sich selbst zur Zielscheibe eines Atomangriffs macht«. Es sei Zeit, aus der nuklearen Teilhabe auszusteigen, forderte Gastautor Roland Hipp, Geschäftsführender Vorstand von Greenpeace. Was immer die Welt dazu bewogen haben mag, diesen Artikel aufzunehmen, es könnte ein gutes Zeichen für die Zukunft (dieser Zeitung) sein.

 

Der Aufruf an die Tornado-Piloten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 am Atombombenstandort Büchel zur Verweigerung der Mitwirkung an der nuklearen Teilhabe kann unter anderem als Flugblatt verteilt werden. Weitere Informationen im Netz: https://buechel-atombombenfrei.jimdofree.com oder: https://www.bremerfriedensforum.de.