In Memoriam Stéphane Hessel und Jewgeni Jewtuschenko
Im KZ, sagt der alte Mann, haben mich Gedichte
gerettet, beschützt gegen die Kälte, die Enge, den
Durst, gegen Hunger und Angst. Nacht für Nacht,
Goethe und Hölderlin, Baudelaire und Rimbaud,
Keats und Rilke gegen Verzweiflung, gelernt
als Kind, by heart, mit dem Herzen gelernt,
für Helen, die Mutter.
Jewtuschenko, sagt ein anderer. Zwischen
Elektroschocks und Psychopharmaka: Gedichte.
Hab den Verstand behalten, meine Seele und
das bisschen Darüber. Er winkt ab. Eine
Familientragödie, Misstrauen, falsche Sorge,
schon fast vergessen. Aber der Dichter, der
wollte alles Liebe küssen mit einem einzigen Kuss.
Wie Krankenwagen sollten Gedichte sein. Ambulanzen
für die Beschädigten, sagt ein Dritter. Und zugewunken
haben sich Erntearbeiterinnen und Reisende in seinen
Gedichten, als winke das Leben sich selber zu. Den Krieg
hätte er fast nicht überlebt, der Jewtuschenko, sagt jemand,
hat ihn selber gesehen, den großen Russen, in Berlin, die
Bühne des kleinen Theaters fast sprengend, neben dem
Brandauer, Klaus Maria. Eine Bombe, 1943 aufs Dach
der Moskauer Schule, falsch montierter Zünder, weit weg
im Feindesland Sabotage, mit Leben erkauft. Der Rektor
hat es den Schülern gezeigt, damals in Moskau. Und
Menschen wie Anna Seghers’ Georg Heisler, sagt er, die
hat es wirklich gegeben. Saboteure auf Leben und Tod.