Ein Plagiat, also »geistiger Diebstahl«, ist ein Vergehen und kann nach § 106 des Urheberrechtsgesetzes mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Bei nachgewiesenem Plagiat handelt es sich also nicht um ein Kavaliersdelikt, um »Schwächen« oder »Mängel« einer Doktorarbeit, wie die Europa-Parlamentarierin Silvana Koch-Mehrin (FDP) nach Entziehung ihres Doktortitels durch den Promotionsausschuß der Universität Heidelberg reklamierte.
Ähnlicher Ausreden hatten sich der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und die Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber, Veronika Saß, bedient. Bemerkenswert war ein Talkshow-Auftritt des Europa-Parlamentariers Jorgo Chatzimarkakis (FDP), dessen Rechtfertigungsversuche an Dreistigkeit kaum zu überbieten sind. Zur Zeit werden weitere Doktorarbeiten bekannter Persönlichkeiten geprüft, unter anderem des Bundestagsabgeordneten Bijan Djir-Sarai (FDP), des niedersächsischen Kultusministers Bernd Althusmann (CDU) sowie der Unternehmerin Margarita Mathiopoulos. Das Bedürfnis, sich mit dem beliebtesten deutschen Vornamen zu schmücken und damit hervorzuheben, scheint so groß zu sein, daß viele Bedürftige nicht vor Straftaten zurückschrecken.
Wer wissenschaftlich arbeitet, weiß, daß und wie zu zitieren ist, wenn er Gedankengut anderer übernimmt. Insofern ist bei Täuschungsversuchen grundsätzlich von Vorsatz auszugehen. Wenn aber ein Doktorand mit den Gepflogenheiten wissenschaftlichen Arbeitens wirklich nicht vertraut gewesen sein sollte, disqualifiziert er sich damit für eine Promotion, und ihm ist im Nachhinein sein Doktortitel abzusprechen. Dabei geht es selbstverständlich nicht um zwei, drei vergessene Anführungszeichen, sondern um nicht gekennzeichnete Übernahme fremder Ideen und Textstellen größeren Umfangs.
Plagiatoren begehen einen besonders perfiden Diebstahl. Dem Urheber gehen die gestohlenen Ideen und Inhalte weitgehend verloren, weil sie nicht mehr originär sind. Und der Plagiator profitiert unrechtmäßig in mehrfacher Hinsicht: Er brilliert mit fremdem Geistesgut, fördert seine Karriere und steigert sein Einkommen durch die Aneignung fremder Arbeit. Aber erklärt sich der Mangel an Unrechtsbewußtsein bei den Plagiatoren vielleicht gerade daraus, daß Erfolg im Kapitalismus regelmäßig durch Aneignung der von anderen geleisteten Arbeit entsteht?
Außer einem Verstoß gegen das Urheberrecht können weitere Delikte vorliegen. Universitäten verlangen in der Regel eine eidesstattliche Erklärung, daß der Doktorand seine Dissertation eigenständig und nur unter Verwendung der angegebenen Hilfsmittel angefertigt hat. Wird dagegen verstoßen, liegt eine falsche Versicherung an Eides statt vor, die nach § 156 des Strafgesetzbuches mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe zu ahnden ist. Wurde ein Ghostwriter engagiert, was vermutlich keine Seltenheit ist, sich jedoch nur schwer nachweisen läßt, kann noch Urkundenfälschung nach § 267 StGB in Betracht kommen; das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor, und schon der Versuch ist strafbar. Außerdem kann der betroffene Urheber in einem zivilrechtlichen Verfahren Schadenersatz fordern.
Weitere Fälle der Erschleichung von Doktortiteln sind inzwischen bekannt geworden. Auch die Reputation der Doktortitel vergebenden Universitäten und des gesamten Wissenschaftsbetriebes ist gefährdet. Abzuwarten bleibt, wie die Staatsanwaltschaften und die Gerichte auf diese kriminellen Machenschaften einer angeblichen Elite reagieren.