Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, daß bei mündlichen Bewerbungen ein sogenanntes Näseldeutsch – keimfrei, möglichst keine Herkunft verratend – anzuwenden ist. Besonders falsch: Mitteldeutsche Sprach-Herkunft wird hörbar, ob thüringisch, lausitzisch oder anhaltinisch – alles klingt verdächtig und also unbrauchbar sächsisch. Natürlich gibt es Ausnahmen: Bairisch für bayerische Staatskanzleien und Staatsfunksender wird immer gern genommen. Auch englische Sprach-Einsprengsel (ich bring Power mit, meine Tools sind effizient) können von Vorteil sein.
Als ungeschriebenes Gesetz bei schriftlichen Bewerbungen hingegen gilt: Ich muß für meinen Arbeitgeber verständlich sein. Also darf ich nicht vom Abitur auf einer erweiterten Oberschule schreiben, sondern muß »Gymnasium« beurkunden, auch wenn es das bis 1990 von Rostock bis Zittau nicht gab. Niemals »zehnklassige POS« verwenden, sondern »Realschulabschluß« schreiben. Abkürzungen aus der »DDR« (ABF, VEB, KdT oder eben POS) keinesfalls verwenden und vor allem – wenn es schon gesagt werden muß – »DDR« immer mit distanzierendem »ehemalige« verwenden. Merke: Die Verwendung von »ehemalig« beweist, daß der Wortnutzer zu diesem Staat nie und nimmer engere Beziehungen gehabt hat. Nicht verwendet werden muß »ehemalig« für Stabsleitstelle, Reichssicherheitshauptamt, Wehrmacht, HJ, SA, SS – bei letzteren sind auch Abkürzungen gestattet.
Bei Beschreibungen früherer Tätigkeiten ist falsches Wortgut auszumerzen. »Arbeitete im Küchenkollektiv der Betriebskantine« ist ein Unding. Man war im Service-Team eines bekannten Unternehmens tätig. Man war auch kein Lehrling, sondern Azubi, kein Facharbeiter, sondern Arbeitnehmer. Dienstgrade können unverändert übernommen werden: Unteroffizier (sprich Unnoffsier) oder Leutnant sind möglich, man darf aber niemals eine Abkürzung wie NVA dabei verwenden oder flapsig »Fahne« sagen. Hingegen ist »beim Bund« immer gut & richtig. Das Wort »Ehrendienst« ist übrigens derzeit noch nicht wieder üblich, könnte aber in naher Zukunft gern gelesen und gehört werden.
Studienabschlüsse werden konsequent im neueren, modernen Deutsch wiedergegeben, also »Mediendesigner« statt »Formgestalter«. Ein Begriff wie »Diplomingenieurökonom« ist ein absolutes No-Go. (Merke: Der Begriff »No-Go« ist ein »Immer-Go«). Am besten aber ist es – wenn man in der ehemaligen DDR leben mußte – zu schreiben: durfte nicht studieren / ein Studium wurde mir verwehrt (aus ideologischen Gründen / wegen freiheitlicher Ansichten / trotz hervorragender Leistungen und so weiter und so fort).
Doch auch im scheinbar privaten Gespräch über persönliche Dinge gibt es manches, was verräterisch sein könnte. Das Wort »geschieden« ist immer schlechter als »getrennt lebend«, »Tagesmutterbetreuung« seriöser als der historisch vernutzte »Kindergarten«.
Niemals bereite man Konservennahrung zu, sondern nutze Convenience-Produkte, schließlich sollte man auch nicht »angeln«, sondern »sportfischen«, um eine beliebte Freizeitbeschäftigung zu charakterisieren. Und wer statt »pampern« noch immer »windeln« sagt, hat nichts vom Siegeszug moderner Werbebotschaften begriffen. Denn schließlich trinkt man ja auch Coke statt Limo oder Brause, selbst wenn die Coke eine Brauselimonade ist.
Und wenn man dann in näselndem Tonfall spricht: »Meine Convenience-Produkte sind kein No-Go, sondern gepamperte Entäußerungen einer freiheitlich-demokratischen Grundeinstellung seit meiner gymnasialen Oberstufe«, ist man schon fast gebongt (!) für einen Job (!) im Kollektiv der Parteiarbeiter – also im Aufsichtsrat des Managements.