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Titel15+1612

Vorübergehend  (Manfred Kuhn)

Zum 1. Dezember letzten Jahres sah sich der Gesetzgeber aufgrund von EU-Bestimmungen zu einer Einfügung in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) veranlaßt: »Die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vorübergehend« (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG). Nun ist die Realität bekanntlich vielerorts anders, so auch bei der christlichen Caritas (zu deutsch: Nächstenliebe) in Berlin und ihr zugeordneten »Entleihern«. Auf eine rechtliche Nachfrage bei der Bundesagentur für Arbeit antwortete deren Zentrale am 21. Juni 2012 nach längerem Zögern (»Aufgrund vordringlich wichtiger Terminangelegenheiten war eine frühere Bearbeitung leider nicht möglich.«) und lieferte eine entsprechend durchdachte Erklärung des Begriffs »vorübergehend«:

»In der mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales abgestimmten Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zur Durchführung des AÜG (Seite 9) wird zum Wort ›vorübergehend‹ ausgeführt: ›Das AÜG stellt im Rahmen der Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie klar, daß die Überlassung nach dem deutschen Modell der Arbeitnehmerüberlassung immer vorübergehend erfolgt (§ 1 Absatz 1 S. 2).‹ Nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit ist demnach jede Überlassung, unabhängig von der vereinbarten Dauer, vorübergehend im Sinne des AÜG.«

Das ist kaum zu übertreffen in seiner Schlichtheit und Klarheit; philosophisch kompliziert gesagt: »Was ist, das ist«, denn was das Gesetz »vorübergehend« nennt, das ist »vorübergehend«. Da kann der »entliehene« Mensch arbeiten, so lange er will, die Arbeit geht vorüber, Tag für Tag, wie das ganze Leben.