»Hallo, liebe Kinderinnen und Kinder«, sagt der Kasper zu einer Gruppe von zuhörenden Mäusen, von denen eine ihren Mitmäusen erklärt, daß es sich um eine Aufführung der örtlichen Frauengruppe handele. Darüber sollen wir lachen, denn es ist eine Karikatur. Ich war nie eine besondere Verfechterin der Feminisierung der Sprache. Eigentlich ist es mir egal, ob jemand Studierende, Studentinnen und Studenten schreibt, Student/innen oder StudentInnen. Student_innen meint schon etwas anderes, es kommt aus der Queerforschung und symbolisiert die Zuordnung zwischen den beiden Geschlechtern. Da ich Feministin bin, setze ich mich eher mit den Zusammenhängen zwischen Sprache und Herrschaft auseinander und prüfe Sprache danach, ob sie die herrschenden Machtverhältnisse stabilisiert und reproduziert.
Warum aber wird gegen die Änderung der Sprache in männliche und weibliche Formen so vehement protestiert? Und warum schreiben selbst Frauen in ihre Diplom-, Doktor- und Forschungsarbeiten Sätze wie: »Im Folgenden wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwendet. Dies schließt aber stets beide Geschlechter mit ein.« Ist die übliche Sprache vielleicht doch herrschaftssichernd? Ist Sprache also Ausdruck männlicher Dominanz, wie von Feministinnen oft behauptet?
Dazu ein Beispiel aus der Geschichte der Arbeiterbewegung: Im Gothaer Programm der SPD von 1875 hieß es, die Partei fordere ein »Allgemeines, gleiches, direktes Wahl- und Stimmrecht mit geheimer und obligatorischer Stimmabgabe aller Staatsangehörigen vom 20. Lebensjahre an.« Nun möchte jemand heute denken, Frauen waren »miteingeschlossen«. Weit gefehlt. »Alle Staatsangehörigen« waren »alle Männer«. August Bebel, der sich mit seinem Antrag, die Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen hinzuzufügen, nicht durchsetzen konnte, erreichte dann immerhin, daß der Begriff »Staatsangehörige« per Abstimmung gegen das Wort »Männer« ersetzt wurde. Bebel hat sich damit zum Fürsprecher der sozialistischen Frauen gemacht, die schon lange das Wahlrecht für alle Frauen forderten.
Und ein ganz aktuelles Beispiel aus der Berufswelt: Die Fachzeitschrift Der Zimmermann richtet sich bis heute ganz offensichtlich lediglich an männliche Handwerker, obwohl der Beruf in der männerdominierten Baubranche seit 1994 in der BRD auch Frauen offen steht. Das sind immerhin 18 Jahre. Daß Der Zimmermann im Bruderverlag erscheint, hat allerdings nichts mit Geschlechterdiskriminierung zu tun. Der Verlag ist nach Albert Bruder benannt. Daß aber Der Zimmermann mit Unterstützung des »Bundesbildungszentrums des Zimmerer- und Ausbaugewerbes« in Kassel zum Wettbewerb »Wir suchen: Deutschlands Super Zimmerer 2012« aufruft, an dem sich jeder beteiligen kann, der die Gesellenprüfung im Zimmererhandwerk nach dem 1. Mai 2011 bestanden hat und noch nicht an einem Meistervorbereitungskurs teilgenommen hat, wird die Zimmerin kaum motivieren, »sich selbstbewußt und offen diesem Messen der Kräfte« zu stellen. Auch wenn wir erfahren, daß sich bei vorangegangenen Wettbewerben 2008 und 2009 »die großartigen Leistungen der jungen Zimmerinnen und Zimmerer zeigten« (geht doch auch so!). Immerhin gibt es Preise im Gesamtwert von fast 17.000 Euro, und neun »namhafte Sponsoren« unterstützen das Ganze. Daß die Jury mit fünf männlichen Persönlichkeiten besetzt ist, überrascht dann nicht mehr, die Zimmerinnen schon gar nicht. Einen der traditionellen Bauberufe zu wählen ist immer noch die Ausnahme bei jungen Frauen.
»Wo ist denn der Chef?« werden auch die Meisterinnen im Zimmerhandwerk, die selbst einen Betrieb führen, immer wieder gefragt. Bei einer Tagung berichteten sie darüber, daß Frauen von den Agenturen für Arbeit nicht zum Thema Bauhandwerk beraten werden, weil »diese davon ausgehen, Frauen würden anschließend schwer vermittelbare Arbeitsuchende werden«. Offensichtlich seien BeraterInnen immer noch der Meinung, als Friseurin oder Arzthelferin sei das Leben einfacher. Die veränderte Realität muß sich sowohl in der Sprache, als auch in den Köpfen der Menschen widerspiegeln.