In der kleinen südpolnischen Stadt Bielsko-Biala glaubt keiner an die Schuld der sieben Soldaten einer polnischen Spezialeinheit, die im August vergangenen Jahres in Nangar Khel in der afghanischen Provinz Paktika mehrere Frauen und Kinder ermordet haben sollen. »Warum sollten sie aus Mörsergranaten auf unschuldige Menschen ballern?« So oder ähnlich fragten ungläubig Kommentatoren der größten polnischen Zeitungen. Die sonst nur als Geburtsstätte des Zeichentrickfilms »Bolek und Lolek« bekannte Stadt hielt für wenige Tage unfreiwillig der selbstverliebten Nation den Spiegel vor, wodurch vielen erst klar wurde, wie das hier stationierte 18. Fallschirmjäger-Bataillon Polen mittlerweile an der pakistanischen Grenze verteidigt. In Afghanistan sind mehr als 1000 polnische Soldaten stationiert. Als in Bielsko-Biala ein neuer Trupp für den Einsatz am Hindukusch verabschiedet wurde, riefen Familienangehörige in die Mikrofone: »Unsere Helden morden nicht!«
Damals, am 16. August 2007, fuhr in der Nähe von Nangar Khel ein gepanzerter polnischer Transporter auf eine Mine, desgleichen ein US-amerikanischer. Fallschirmjäger des 18. Bataillons kamen daraufhin aus dem 20 Kilometer entfernten polnischen Stützpunkt Waza Khwa zur Unfallstelle. Das war, wie man jetzt weiß, eine Strafexpedition. Offiziell ließen die Vorgesetzten verlautbaren, daß die Soldaten beschossen worden seien und sich in dem Dorf Nangar Khel versteckt hielten. Die Militärstaatsanwaltschaft ermittelte jedoch, dass kein afghanischer Angriff vorausgegangen war. Vielmehr hatten die Polen, ohne in Gefahr geraten zu sein, das Feuer auf drei benachbarte Dörfer eröffnet.
Die Diskussion in Polen über die Kriegsverbrechen in Afghanistan beschränkt sich bislang auf die Skandalisierung der »entwürdigenden« Verhaftung der sieben verdächtigen Soldaten. In drei Briefen protestierte der polnische Ombudsmann dagegen, daß sie Handschellen trugen, als sie der Staatsanwaltschaft zugeführt wurden. Er sah es nicht als seine Aufgabe an, nachzuprüfen, ob die Hinterbliebenen der getöteten Afghanen in dem Verfahren angemessen vertreten sind.
Das Verbrechen gelangte nur durch Zufall an die Öffentlichkeit, als ein beteiligter Soldat seiner Verlobten in einem Brief mitteilte: »Eines Tages gingen an einem Ort, wo man uns nicht liebt, zwei Minen hoch.« Über die polnische Vergeltungsaktion berichtete der Soldat: »Alles wäre okay, wenn uns nicht, bevor wir losfuhren, die Namen von drei Dörfern gegeben wurden, die wir dem Erdboden gleich machen sollten. (...) Unsere Schützen sollten vorbereitet sein, mit Kassetten-Munition zu schießen. Das ist eine, nach deren Einsatz es nichts mehr aufzuheben gibt in dem Dorf (…) Am nächsten Tag gab’s ein Gespräch mit den Dorfbewohnern. Sie bekamen Weizen und Mehl (…) Einer fragte, wieviel er für seine Ehefrau bekommt.«
In den Medien wurde nicht die rassistische, menschenverachtende Einstellung der Besatzer gegenüber den Opfern thematisiert. Bemängelt wurde, daß die Soldaten anscheinend keinen richtigen Grund zum Töten hatten.
Die letzten beiden verdächtigen Soldaten wurden vor einigen Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Möglicherweise wird es nie zu einer Anklage gegen sie kommen. Wie intensiv sich die Militärstaatsanwaltschaft um Aufklärung bemüht, zeigte sich, als sie zum Beispiel den Vater eines beteiligten Soldaten vorlud, mit dem dieser seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr unterhält.