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Ex-EKD-Chef Lohse gestorben  (Hartwig Hohnsbein)

Eduard Lohse, von 1979 bis 1985 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit Sprecher des westdeutschen Protestantismus, ist in seiner Wahlheimat Göttingen gestorben. Hier war er in den 1960er Jahren Professor für Neues Testament und zugleich eine Zeit lang Rektor der Universität. Von 1971 bis 1988 amtierte er als Landesbischof der Landeskirche Hannovers. In einem Nachruf rühmt diese »seine Treue zur Schrift«, seine »große Menschenfreundlichkeit« und seinen »intellektuellen Scharfsinn«. An einige Vorgänge, die großen Widerhall in der Gesellschaft fanden und die mit seinem Namen verbunden sind, erinnert Matthias Drobinski in der Süddeutschen Zeitung (SZ): an sein Engagement für die »Ostverträge« 1972, für die Förderung von Pfarrerinnen und gegen die Diskriminierung der Homosexuellen in Gesellschaft und Kirche.


Bald nach Lohses Amtsantritt als hannoverscher Landesbischof brandete die Auseinandersetzung um eine neue Ostpolitik auf, die Entspannung mit den östlichen Nachbarn anstrebte. Darin »setzte er sich mit seiner ganzen Autorität für die Ratifikation der Ostverträge ein«, wie Helmut Schmidt in seinen »Erinnerungen« 1996 rühmend hervorhebt. Von den Gremien seiner Landeskirche erfuhr Lohse dafür scharfe Ablehnung, ebenso von der CDU, die in ihrer überwiegenden Mehrheit eine Entspannung mit den östlichen Nachbarn bekämpfte. Durch ihren Evangelischen Arbeitskreis (EAK) ließ sie erklären, Lohse habe sich einer »groben Amtspflichtverletzung« schuldig gemacht. Trotz der Vorwürfe blieb er ein »Konservativer«, »mit hanseatischer Noblesse«, fügt die SZ hinzu, der sich nicht an überkommene, abgestandene Denkmuster klammerte, aber doch auch seine Grenzen fand. Zum Beispiel im Umgang mit Homosexuellen: Als 1979 bekannt wurde, dass ein homosexueller Pastor in seiner Landeskirche arbeitete, erklärt Lohse in der HAZ: »Wir haben gelernt, dass wir Menschen wegen ihrer Homosexualität nicht diskriminieren dürfen; sie müssen einen Platz in der Gesellschaft und in der Kirche haben.« Das war damals eine beachtliche Aussage, hatte doch die Kirche auf Grund der biblischen Aussage in 3. Mose 20 Vers 13 (Homosexuelle »sollen des Todes sterben«) jahrhundertelang die Homophobie in der Gesellschaft aufgebaut und immer wieder angefacht, so dass auch der Landesbischof nicht verhindern konnte, dass eben jener Pfarrer zwei Jahre später wegen seiner »Lebensführung« aus dem Dienst entlassen wurde.

Bemerkenswert war auch Lohses Einsatz für Theologinnen, ein Pfarramt zu erhalten, weil bis dahin, ebenfalls jahrhundertelang, das Bibelwort aus 1. Korinther 14 Vers 34 (»die Frauen sollen in der Gemeinde schweigen«) und die Frauenfeindlichkeit Luthers Richtschnur für das »Amt der Verkündigung« waren.

Zur Wahl einer Theologin (Margot Käßmann) ins hannoversche Bischofsamt konnte man dann allerdings im Spiegel (24/1999) lesen: »Der Altbischof der hannoverschen Kirchenprovinz, Eduard Lohse, 75, machte die Kandidatin bei den Wahlmännern und -frauen, den Synodalen der Landeskirche, madig: Als Mutter von vier Kindern sei Käßmann ›mit dem zeit- und kräftezehrenden Bischofsamt überfordert‹. Lohse und der noch amtierende Oberhirte Horst Hirschler, 65, warben für Käßmanns Gegenkandidaten Jürgen Johannesdotter – einen Vater von fünf Kindern ... Nach ihrer Wahl gratulierten die Vorgänger mit verkniffener Mine der strahlenden Gewinnerin.«


Der Kampf um »Frauen im Bischofsamt« ist, jedenfalls im deutschen Protestantismus, inzwischen Geschichte. Der Kampf gegen »Homosexuelle im Pfarrhaus« wird aus »evangelikalen« Kreisen auch heute noch immer wieder geschürt. Er wird sich aber wohl eines Tages von selbst erledigen. Nicht von selbst erledigen wird sich bei uns hingegen eine neue »Russophobie«. Deshalb ist es heute vordringlich, dass der Geist der Versöhnung und Menschenfreundlichkeit, der in der Auseinandersetzung um die »Ostverträge« die überkommene »Russophobie« zeitweise überwinden konnte, gegenüber dem heutigen Russland wieder lebendig wird – hierbei könnten auch die Kirchen im Sinne ihrer »Ostdenkschrift« von 1965 einen hervorragenden Anteil haben. Es könnte sonst sein, dass Europa durch uns noch einmal ins Verderben gestürzt wird.