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Titel1515

Bemerkungen

Sommerloch adé?
Man will es einfach nicht glauben …, aber Anfang August ist der Sommer zur Hälfte schon vorbei. Die bisherige Bilanz ist fast ernüchternd: in weiten Teilen Deutschlands mal tropische Hitze, dann wieder kühle Herbststimmung und das im ziemlich nervenden Wechsel.


Außerdem blieb in diesem Jahr das berühmt-berüchtigte Sommerloch aus. Jene saisonale Nachrichtenarmut zwischen Juni und August, in der die Journalisten vor Verzweiflung auf ihren Fingernägeln kauen. Dieses Medienvakuum müssen sie dann irgendwie mit nichtssagenden Nachrichten, mit Klatsch, Skandälchen und Gerüchten füllen.


Bisher passierte aber in punkto Sommer-Trara reinweg nichts. Absolut tote Hose. In Bayern tauchte kein freilaufender Problembär auf. Kein Hai-Alarm in der Hamburger Alster. Keine Dienstwagen-Affäre eines Ministers …, kein Hinterbänkler, der ein Sommertheater anzettelte, keine heiße Spur in Sachen Bernsteinzimmer, keine Toilettenprobleme auf der Internationalen Weltraumstation. Selbst Stefan Raabs überraschender Rücktritt war nur ein laues Lüftchen im Sommerloch.


Statt uns mit der sonst üblichen sommerlichen Ereignislosigkeit zu langweilen, werden wir in Dauererregung gehalten. Die täglichen Nachrichten der Griechenlandkrise waren wie eine Fieberkurve. Dazu der Streit um die Klimaabgabe für Kohlekraftwerke, der FIFA-Skandal, die US-Spähangriffe oder die Streiks bei Bahn und Post – sie alle hielten uns auf Trab und verhagelten das diesjährige Sommerloch.


Nun bleiben nur noch drei, vier Wochen, dann geht für viele der Urlaub zu Ende und damit auch der Sommer. Allerhöchste Eisenbahn für das Sommerloch, auf das wir keineswegs verzichten wollen. Ergo sollten sich die Politiker schleunigst beeilen mit dem Gezerre um die Hilfsmilliarden, schließlich warten wir sehnlichst darauf, dass Nessie endlich auftaucht, oder ist das Ungeheuer schon stinksauer angesichts der Nachrichtenfülle?

Manfred Orlick


Einwand

Stell dir vor es gibt Krieg –
und keiner geht hin.

 

Aber der Krieg
kommt zu dir,
wenn du dich nicht wehrst.

 

Nicht hingehen?

 

Du wirst nicht mehr
gehen können,
wenn sie erst anfangen.

Renate Schoof


Ein Wahnsinn
Ganz früher, zur Zeit des Gänsekiels, gab es wenigsten noch eine Feder, die sich einem sträuben konnte, beim Schreiben. Heute, am Computer, könnten aber wenigstens die Tasten ihren Dienst versagen. Aber dann könnten diese Zeilen ja auch nicht geschrieben werden. Alles, was jetzt folgt, ist wahr und noch druckfrisch. Nichts ist erfunden. Das war auch nicht nötig. Der Text spricht gegen sich.


Quelle: Süddeutsche Zeitung, Wochenendausgabe, 25./26. Juli, Doppelseite des Wissen-Teils (Wissen?), Überschrift: »Ein Wahnsinn«. (Siehe oben: Auch die Überschrift zu diesem Text ist wahr.)


Vorspann: »Seit 70 Jahren gibt es Atomwaffen. Sie verbreiteten Schrecken und sollten so Frieden sichern. Ingenieure haben die Bombe immer gefährlicher gemacht. Noch heute geht die Entwicklung weiter, hin zu immer präziseren, tödlicheren Bomben. Sie sind wohl nicht mehr aus der Welt zu schaffen.«


Lassen wir dieses Zitat einmal unkommentiert stehen. Obwohl Atom-bomben ja nicht nur Schrecken verbreiteten, sondern Tod. In Hiroshima und Nagasaki. Abgeworfen von den USA.

Im Zentrum der Doppelseite steht eine große Grafik aus sich erweiternden Kreisen. Einschlag im Mittelpunkt, in Berlin-Mitte. In einem Feuerball würden Reichstagsgebäude, Brandenburger Tor, Potsdamer Platz und alles Lebende in einem Umkreis von circa einem Kilometer verschwinden. Schockwellen machten zwei Kilometer weiter alles dem Erdboden gleich: Pergamonmuseum, Jüdisches Museum, den Zoologischen Garten. Es folgen die nächsten Zonen: Menschen wären stark verstrahlt, bis zu 90 Prozent sterben (drei Kilometer entfernt vom Einschlag), viele Gebäude würden zerstört, Tote, Verletzte (bis fünf Kilometer Entfernung vom Zentrum, bis zum Wedding, bis Tempelhof), Menschen erlitten Verbrennungen dritten Grades (bis zwölf Kilometer Entfernung).


Was will uns die Grafik sagen: So wäre es, wenn ein moderner Atomsprengkopf in Berlin explodierte.


Doch so steht es nicht in der SZ. Ein Wort fehlt in meinem Satz: »So wäre es, wenn ein moderner russischer Atomsprengkopf in Berlin explodiert.«


Klar doch, denen ist das zuzutrauen. Die haben ja Erfahrung, seit Hiroshima und Nagasaki …


Was für ein Wahnsinn.

Klaus Nilius


Schallende Ohrfeigen
verteilt Jürgen Habermas am Schluss eines fast ganzseitigen Artikels in der Süddeutschen Zeitung vom 23. Juni, in dem er zum wiederholten Male die Ursachen der europäischen Krise von seiner Warte aus beleuchtet (»Sand im Getriebe«). Zugedacht sind sie den Vertretern der deutschen Regierung im Europäischen Rat und der deutschen Presse.


Über die Erstgenannten schreibt der unbequeme Denker: »Diese Auflösung von Politik in Marktkonformität mag die Chuzpe erklären, mit der Vertreter der deutschen Bundesregierung, ausnahmslos hochmoralische Menschen, ihre politische Mitverantwortung für die verheerenden sozialen Folgen leugnen, die sie als Meinungsführer im Europäische Rat mit der Durchsetzung der neoliberalen Sparprogramme doch in Kauf genommen haben.«


Den deutschen Journalismus geißelt Jürgen Habermas mit den Worten: »Zur postdemokratischen Einschläferung der Öffentlichkeit trägt auch der Gestaltwandel der Presse zu einem betreuenden Journalismus bei, der sich Arm in Arm mit der politischen Klasse um das Wohlbefinden von Kunden kümmert.«


Haben die Geohrfeigten wenigstens aufgestöhnt? Natürlich nicht. Für die einen gilt, was Wilhelm Busch für solche Fälle parat gehabt haben soll: »Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.« Über die deutsche Presse urteilte ein anderer: »Die Journalistik in Deutschland taugt zur Zeit wirklich nichts.« Der Satz stammt von Iwan Turgenjew. Er brachte ihn am 1. März 1847 in einem Brief aus Berlin zu Papier. (Aus: »Ein Lesebuch für unsere Zeit«, übersetzt von Günter Dalitz und Irene Wardega, Berlin 1989, S. 401.)

 

Conrad Taler

Im PapyRossa Verlag erschien soeben die 2., aktualisierte und erweiterte Auflage von Conrad Talers Buch »Asche auf vereisten Wegen. Berichte vom Auschwitz-Prozess« (171 Seiten, 13,90 €).

 


L'Unità
erscheint wieder
Nach 300 Tagen Pause erscheint die schon totgesagte L'Unità der italienischen Linken wieder in einer Printausgabe. Seit dem 30. Juni gibt es die Zeitung in neuem Layout an den Kiosken des Landes zu kaufen. Täglich werden 40.000 Exemplare gedruckt.


Die Seiten 2 und 3 jeder Ausgabe sind einem Schwerpunkthema gewidmet, dazu wird großflächig mit Fotos gearbeitet. In der ersten Ausgabe konnte der Kurienkardinal Peter Turkson die Umwelt-Enzyklika »Laudato Si« von Papst Franziskus den Lesern erklären. So beginnt bei der Zeitung eine neue Ära. Noch immer steht im Kopf der Zeitung der Hinweis auf den Gründer Antonio Gramsci.


Es war wohl Ministerpräsident Matteo Renzi, der für die Partito Democratico – eine sozialdemokratische Partei (in ihrer Ausrichtung nicht zu verwechseln mit der SPD hierzulande) – neben der Online-Ausgabe unita.it eine gedruckte Zeitung haben wollte und es ermöglichte, dass sie wieder in Italien erscheinen kann.

 

Karl-H. Walloch

 

Monster
Das Germanische Nationalmuseum zeigt in Nürnberg gerade »Monster – Fantastische Bilderwelten zwischen Grauen und Komik«. Den Einstieg bilden Franz von Stucks »Medusa« (um 1892) und Wilhelm Trübners »Medusenhaupt« (vor 1894) – zwei zur Entstehungszeit erschreckende, heute in Zeiten einer Vielzahl an Phantasiewelten von Harry Potter bis zu den allgegenwärtigen Vampiren aller Art eher harmlose Bilder. Über einen Nachbau des Höllenmauls am Palazzo Zuccari in Rom (um 1592) gelangt der oder die Mutige in die Abteilungen »Unheimliche Tiere«, »Wundersame Menschen« und »Bedrohte Seelen«.


Der Drache, das Seeungeheuer und das Einhorn repräsentieren die animalischen Monster. Historisch wandelt sich das Bild vom bedrohlichen Drachen, dem etwa der Heilige Georg den Garaus macht, zum gutmütigen Drachen. Ähnliches passiert dem einst gefürchteten Einhorn, das schon in der frühen Neuzeit als gezähmt erscheint.


Die bedrohlichen Wilden Leute des Mittelalters entwickeln sich schon in der frühen Neuzeit zu den besseren, weil naturnaheren Menschen. In Maurice Sendaks Kinderbuchklassiker »Wo die wilden Kerle wohnen« (engl. »Where the Wild Things Are«, 1963) haben sie all ihre Schrecken verloren.


Bemerkenswerterweise gilt diese Zähmung nicht für die »Wundervölker« des Mittelalters. Waren sie in der phantastischen Geographie der Antike meist körperlich deformierte, aber wenig bedrohliche Menschen, sind es in der frühen Neuzeit überwiegend Menschenfresser, die für die gerade entdeckten Völker Afrikas und Asiens stehen. Leider arbeitet die Ausstellung nicht den Einfluss des beginnenden Kolonialismus auf diese rassistischen Bilder heraus.


Die christliche Prägung der (europäischen) Monster wird in der dritten Abteilung »Bedrohte Seelen« deutlich. Die sieben Todsünden verkörpern Hieronymus Bosch und Pieter Bruegel d. Ä. durch groteske Teufel – in der Ausstellung vertreten durch Pieter van der Heydens Kupferstiche. Das Höllenrachenmotiv verwendete die katholische Propaganda gegen die Reformation, etwa in van Heemskercks »Luthers Eintritt in die Hölle« (um 1700/10).


Die Ausstellung zeigt viele sehenswerte Exponate, etwa Veit Stoß‘ »Drachenleuchter« (1522) oder das Maestro Ventura zugeschriebene ehemalige Domkanzleirelief aus Ferrara »Parabel vom Einhorn« (um 1240/50), aber leider werden sie nur selten »im Zusammenhang mit ihrer historischen Situation analysiert«, wie es das Vorwort des Kataloges verspricht. Stattdessen präsentieren die Ausstellungsmacher eher ein Kuriositätenkabinett der Kunstgeschichte. Zwar werden die religiösen und mythischen Bezüge deutlich, aber gesellschaftskritische Aspekte fehlen. Selbst der umfangreiche Katalog beschränkt sich weitgehend auf ikonographische Analysen. Trotzdem eine sehenswerte Ausstellung mit einem umfangreichen Begleitprogramm.

 

Peter Bräunlein

Die Ausstellung ist bis zum 6. September in Nürnberg im Germanischen Nationalmuseum zu sehen. Katalog: 511 Seiten, 39,80 € (GNM), 53 € (Buchhandel)

 

»Vergeltungsaktionen«
Vor einigen Wochen veranstaltete die KZ-Gedenkstätte Neuengamme in Kooperation mit weiteren Partnern die Konferenz »Opfer und Orte von ›Vergeltungsaktionen‹ in den besetzten Gebieten Europas«. Neben den einzelnen Tatorten wurden grundsätzliche Fragen zum Thema behandelt.


»Vergeltungsaktionen« hatten die Veranstalter bewusst in Anführungszeichen gesetzt, macht sich doch der Begriff Vergeltung, alternativ zu dem der Rache verwendet, eine »Zivilisationsrhetorik« zunutze, wie es ein Referent formulierte. Die Anführungszeichen glichen einem Warnschild, und damit zusammenhängende Fragen wie die der Rechtsgrundlagen und der Legitimitätsstrategien waren aus gutem Grund an das Ende der Tagung gesetzt. Da selbst der Geiselmordprozess (1947/48) im Kontext der Nürnberger Prozesse die Tötung von Geiseln letztlich als zwar barbarisch, im Grundsatz aber doch als legal beurteilte und die Kritik an Einzelheiten des Vorgehens und der Proportionalität ansetzte, hätte die Debatte leicht auf ein falsches Gleis gesetzt werden können, nämlich sich vorwiegend mit nachträglichen Legitimationsstrategien auseinanderzusetzen. Die Beurteilung aus heutiger Sicht zieht vielmehr die Bestimmungen der Genfer Konventionen von 1949 in Betracht, wonach Geiselnahme und Repressalien gegen die Zivilbevölkerung im Krieg verboten sind.


Dass die Thematik der Konferenz durch die Entwicklung in Griechenland an Aktualität gewonnen habe, stellte der Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Detlef Garbe, in seinem Eingangsbeitrag fest. Leider kamen Ausführungen zu Griechenland in der Konferenz dann zu kurz, weil einer der beiden Griechenlandreferenten absagen musste und der zweite aufgrund des Zeitmanagements im Panel 4 (Südosteuropa), das die Länder Griechenland, Italien (!) und Serbien zusammenfasste, in zeitliche Bedrängnis geriet. Dabei hielt Herr Schminck-Gustavus keinen Vortrag wie die meisten anderen, vielmehr hatte seine weitgehend auf Bilder und begleitende Musik gestützte Präsentation unüberseh- und unüberhörbar auch das Ziel, Emotionen zu wecken, um der laufenden Debatte zum Thema Kriegsschulden Deutschlands gegenüber Griechenland politische Wirkung zu verleihen.


Das Thema »Vergeltungsaktionen« weckt schlechthin Emotionen. Dass keine grausamen Fotos – die aber zahlreich zum Einsatz kamen – nötig sind, um starke Emotionen zu wecken, bewies die norwegische Referentin Jenny Heggvik, die eingehend über die Vorgänge berichtete, die sich im Dorf Telavåg abspielten, bevor es zerstört und seine Bewohner verschleppt und getötet wurden.


In den folgenden Vorträgen, die den Begriff »Vergeltungsaktion« durch die Themen »Rückzugsverbrechen« und »Lynchjustiz« erweiterten und differenzierten, kam immer wieder die Frage nach Anlass und Zielen zur Sprache. Hier gab es durchaus regionale beziehungsweise lokale Unterschiede, die dazu noch mit Unterschieden hinsichtlich Publizität oder Verschleierung einhergingen. Die Publizität wurde zum Beispiel im Fall von Lidice gewählt, wo das vorangegangene Attentat auf Heydrich von der deutschen Besatzungsmacht als Herausforderung angesehen wurde, so dass die Polizei fotografierte und filmte. Das gleiche gilt für den Warschauer Aufstand, wo Propagandakompanien tätig wurden, um den Erfolg der Besatzer zu dokumentieren. Verschleierung – zum Beispiel in Form der Anwendung des Nacht-und-Nebel-Erlasses – wurde gewählt, wo die Besatzungsmacht die Bevölkerung und die Kollaborationsregierung nicht durch das Bekanntwerden von Massenerschießungen provozieren wollte. Die höchste Form der Verschleierung bestand darin, dass die Besatzungsmacht auf angebliche Anlässe – Widerstand im weitesten Sinne, Partisanentätigkeit im Besonderen – rekurrierte, um ihre weitergehenden Ziele zu verbergen. Seit den Ausstellungen über den Vernichtungskrieg der Wehrmacht ist bekannt, dass unter dem militärisch begründeten Vorwand der Partisanenbekämpfung das rassistische, antisemitische oder antiziganistische Vernichtungsprogramm durchgeführt wurde. So betonte Walter Manoschek, dass die Massaker, die General Franz Böhme in Serbien beging, nicht als Exzess-Tat zu interpretieren seien, sondern dass er gezielt gegen Juden, Kommunisten sowie gegen Sinti und Roma vorging. Hannes Heer stellte dar, dass in Belarus die »Endlösung« mit militärischen Mitteln praktiziert wurde. Wird dieser Hintergrund klar, erledigt sich die Frage der Legalität angeblicher »Vergeltungsaktionen« von selbst.
Im nächsten Jahr wird ein Tagungsband zur Konferenz erscheinen.

Lothar Zieske


Unsere Zustände
Denjenigen, die über unsere Zustände klagen »Da kann man nichts machen!«, geht es bestens.

*

Das Handy am Ohr – die neuzeitliche Taubheit.

Wolfgang Eckert


Zuschrift an die Lokalpresse
»Die Erinnerung wachhalten!« – unter diesem Titel informierte die Berliner Woche über die diesjährige Nachgestaltung der Schlacht im belgischen Waterloo vor 200 Jahren. Zu den Darstellern des Kampfgeschehens gehörten auch »Freizeit-Preußen aus Berlin und Brandenburg«, die beträchtliche Summen für das Neuschneidern schmucker preußischer Uniformen und den Nachbau historischer Kanonen aufbrachten. Allein für eine komplette historische Uniform mussten 2500 Euro hingeblättert werden. »Wir waren fasziniert«, berichteten Mitglieder des Ahrensfelder Schützenvereins nach ihrem Besuch im Freundesland. »So etwas wollten wir auch haben!« Die Möchtegern-Kämpfer mit Erfahrungen in der märkischen Heide und im märkischen Sand hatten offensichtlich einen Heidenspaß daran, »sich in Belgien in die Geschichte zu versetzen und sie anderen zu vermitteln«.

 

Ich finde es gut, dass in einer zumindest auf unserem Territorium relativ friedlichen Zeit auch die Erinnerungen an kriegerische Auseinandersetzungen nicht vernachlässigt werden. Man weiß ja, wie schnell sich heutzutage die Lage verändern kann. Die »Preußen aus Ahrensfelde« sind, wie »Unteroffizier Harry Jauert« der Berliner Woche offenherzig verriet, gern dazu bereit, weitere Interessenten zu »rekrutieren«.


Ich schlage vor, auch andere militärische Höhepunkte der Befreiungskämpfe nachzugestalten, beispielsweise die verheerende Niederlage Napoleons und seiner Verbündeten 1812 vor Moskau. Es ist kaum noch jemandem bekannt, dass auch 120.000 preußische Söldner aus Bündnistreue unter Bonaparte am damaligen Russlandfeldzug teilnahmen. Und von denen überlebten nur 20.000, in welchem Zustand auch immer. Ein derartiges Event wäre auch eine gute Gelegenheit, an die umtriebigen Marketenderinnen und die aufopferungsvollen Krankenschwestern zu erinnern. Überhaupt muss es eine interessante Aufgabe sein, die Erstversorgung Schwerverletzter auf provisorisch eingerichteten Verbandsplätzen nachzuspielen und gegebenenfalls die teilnahmsvolle Benachrichtigung der Hinterbliebenen von »Gefallenen« zu proben. Dazu gehört viel Einfühlungsvermögen. Auch das will geübt sein! Noch höhere Anforderungen wird allerdings die Nachgestaltung der Leipziger Völkerschlacht vom Oktober 1813 stellen, an der am Fuße des damals noch nicht errichteten beliebten Aussichtspunktes und in der weiteren Umgebung 190.000 Franzosen, 205.000 verbündete Russen, Österreicher, Preußen und Schweden und circa 1600 Geschütze beteiligt waren. Und die meisten Kanonen waren nach dem Massaker nicht mehr einsatzfähig und mussten durch neue Exemplare ersetzt werden.

 

Vor allem unsere Jugend braucht solche Bewährungsfelder, denn die Kontingente der Bundeswehr in Afghanistan und anderswo sind begrenzt. Und für jeden Jungkader bieten sich durch den PHMV – den Preußischen Historischen Militärverein – neue Chancen, Mut, Disziplin, Hinterlist, Entschlossenheit und Vaterlandsliebe unter Beweis zu stellen.


Leider unbestätigt sind bislang Gerüchte, denen zufolge der Bundespräsident eine Grußadresse an die Schlachtenfans von Waterloo gerichtet haben und sich die Verteidigungsministerin um den Titel »Ahrensfelder Ehrenmarketenderin« beworben haben soll. – Volkmar Schütze (64), Invaliden-Rentner, 67819 Kriegsfeld

Wolfgang Helfritsch