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Titel1516

Mehr Verantwortung – mehr Krieg  (Ulrich Sander)

Die Bundeswehr soll noch mehr »Verantwortung« übernehmen, im Innern wie im Äußeren. So steht es im neuen »Weißbuch zur Sicherheitspolitik«, das von Generälen ausgearbeitet und von der Bundesregierung abgenickt wurde. Das Grundgesetz jedoch verbietet Angriffskriege und lässt nur Einsätze zur Landesverteidigung zu. In seinem Urteil aus dem Jahre 2012 hat das Bundesverfassungsgericht das Grundgesetz jedoch bereits uminterpretiert, um Einsätze bei Ereignissen »katastrophischen« Ausmaßes zuzulassen, wenn die Kanzlerin zustimmt. Das Grundgesetz wurde verändert, ohne den Wortlaut zu ändern; das ist illegal. Immerhin bleibt es auch nach dem Urteil bei vielen Einschränkungen, zum Beispiel beim Verbot »terrorverdächtige« Flugzeuge abzuschießen. (Aktenzeichen des BVerG PBvU 1/11 vom 3.7.2012)

 

Unter mehr Verantwortung versteht die Bundesregierung mehr Krieg. Und im Inneren soll die Bundeswehr nun Kämpfe gegen die eigene Bevölkerung führen. Begründet wird dies mit dem »Anti-Terrorkampf«, der gemeinsam mit der Polizei geführt werden soll. In zwei Großmanövern von Polizei und Bundeswehr, genannt »Frankenwarte« und »LüKEx«, wurde bereits geübt. Die militärischen »Kriege gegen den Terror« haben jedoch weltweit die Gefahren nicht gebannt, sondern erhöht. Terrorismus muss mit rechtsstaatlichen, auch polizeilichen Mitteln bekämpft werden.

 

Schon lange wird ganz konkret der Bundeswehreinsatz bei Streiks im öffentlichen Dienst vorbereitet, wie eine Antwort der Regierung an die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke ergab (BT-Drucksache 16/13847 vom 26. August 2009), und wir erinnern uns noch gut an den Einsatz der Bundeswehr gegen die Proteste aus Anlass des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2007. Das neue Weißbuch verschriftlicht hier die Linie, die seit Jahren gefahren wird. Bürgerrechte sind in Gefahr.

 

Erstmals aus strategischer Sicht werden der Krieg im Cyberraum und die Einbettung der neuen Waffengattung der Cyber-Krieger in der Bundeswehr beschrieben. Konstatiert wird, dass die »Gefahr der unkontrollierten Eskalation aufgrund eines Cybervorfalls« besonders groß sei. Als Grund dafür wird eine »cyberinhärente Attributionsproblematik« aufgeführt. Ihr soll »präventiv durch Vertrauensbildung und Konfliktlösungsmechanismen« entgegengewirkt werden. Cyber-Krieger beteiligen sich letztlich an der großflächigen Überwachung der Bevölkerung mit modernsten elektronischen Mitteln, und sie sind in der Lage, alles, was sie dem Gegner unterstellen, selbst offensiv anzuwenden. Dafür wird in Kalkar am Niederrhein die Luftkraftzentrale ausgebaut, die bemannte und unbemannte Waffenträger bis zum Ural lenken kann. Vertrauensbildend?

 

Zum geplanten (und bei den Cyber-Kriegern offenbar schon verwirklichten) Einsatz der Bundeswehr im Innern kommt die militaristische Beeinflussung der Bevölkerung, vor allem der Jugend hinzu. In Schulen und bei Jobmessen, in Arbeitsagenturen und Jobcentern wird dafür geworben, junge Arbeitslose zu Soldaten zu machen. Laut Weißbuch sollen die Merkmale »qualifizierend« und »sinnstiftend« in den Vordergrund gerückt werden. Beruflichen Alleinstellungsmerkmale, »wie Einsätze und Missionen, Fürsorgepflicht, Kameradschaft und das besondere Treueverhältnis« seien aufzuzeigen. Angestrebt wird ein »›atmender‹ Personalkörper der Bundeswehr ohne starre Obergrenzen«.

 

Der Atem des Krieges liegt über dem Weißbuch. Bundeskanzlerin Merkel spricht im Vorwort von »Gestaltungsfeldern deutscher Sicherheitspolitik«.