Wenn in Salzburg Bettlerinnen und Bettler in der Altstadt nicht mehr gesichtet werden können, weil eine »große« Koalition fast aller Stadtpolitikerinnen und -politiker für Vertreibung sorgte, damit sie der Hochkultur – besucht von allen, die sie sich leisten können – nicht im Wege sitzen, ertönt zum Domplatz runter das »Jedermann-Gebrüll«, und Hofmannsthals »Reicher Mann« wird nicht vom Teufel abgeholt.
Der Teufel stellt ganz richtig fest: »Die Welt ist dumm, gemein und schlecht,/ Und geht Gewalt allzeit vor Recht,/ Ist einer redlich, treu und klug,/ Ihn meistern Arglist und Betrug.«
Ich erinnere mich gern an eine reife Leistung der geistreichen Argumentation samt Schlussfolgerung, die in Herwig Seeböcks »Die große Häfenelegie« zu finden ist. Der Häfen ist in Österreich das Gefängnis, und dort erklärt ein Häftling einem anderen, dass China genau auf der anderen Seite der Erdkugel liegen würde. Der mit diesem Wissen Beglückte, noch immer skeptisch, fragt: »Host nochgrobn?«
Auch Stadt und Land Salzburg bedürfen geistiger Nahrung. Sie wird von der Salzburger Kronen-Zeitung geboten. Die Leserbriefe dieser Zeitung werden unter der Rubrik »Freies Wort« veröffentlicht. Geben sie die Meinung wieder, die man in der Redaktion dieser Zeitung zwar denkt, aber anscheinend oft nicht zu schreiben wagt? Ein Beispiel: »Grüß Gott, Herr Hitler! Die Salzburger Entnazifizierungspartie hat ihr linkes Auge noch nicht auf Otto Pflanzl geworfen. In Tracht trug er nach dem bejubelten Einmarsch der deutschen Truppen in Salzburg dem ›Führer‹ ein Gedicht vor: ›Grüß Gott, Herr Hitler!‹ Nach Otto Pflanzl ist eine Straße in Maxglan benannt. Vielleicht könnte man sie umtaufen? Ich hätte da Vorschläge: Josef-Stalin-Weg oder Mao-Straße. Die haben zwar Millionen umgebracht, waren aber stramme Linke. Max Gruber, Salzburg«
So, der Gruber war es? Davon gibt es in Salzburg etwa anderthalb Seiten im Telefonbuch. Alles Festnetzinhaberinnen und -inhaber, unter ihnen kein Max, und der Franz Xaver Gruber ist unschuldig, denn der hat die Stille-Nacht-Melodie komponiert.
Der »Mundart«-Dichter Otto Pflanzl, der Hitler lobhudelnd bedichtete, starb im Jahr 1943 und ist, wie des »Führers« Bildhauer Josef Thorak, auf dem St.-Peter-Friedhof in Salzburg in einer Ehrengruft begraben.
Kurz nach dem »Anschluss« Österreichs gab es in Salzburg am 6. April 1938 einen Empfang für Hitler in der Salzburger Residenz, der das ehemalige Österreich wie folgt angriff: »In wenigen Monaten schon wird durch dieses Land der Rhythmus des neuen Schaffens gehen, und in wenigen Jahren wird der Gedanke an Sozialdemokratie und Kommunismus wie ein böses Phantom aus der Vergangenheit klingen, und man wird nur noch darüber lachen.« An diesem Tag durfte Otto Pflanzl am gleichen Ort dem Führer huldigen mit seinem Gedicht »Grüß Gott, Herr Hitler!«: »All dö Stände und Vareie/ Von gaunz Salzburg, Stadt und Land/ Griaßn unsern lieb’n Führer/ Hiazt durch mit Herz und Hand/ … Mir ham nur den oanzig’n Glaub’n g’habt/ Dass da Führer für uns wacht/ Der an Weg für und macht gangbar/ Zu an Morgen aus da Nacht …«
Am 30. April 1938 ließ der SS-Mann, Lehrer und Schriftsteller Karl Springenschmid Bücher auf Salzburgs Residenzplatz verbrennen. Er war am 16. November 1932 in die NSDAP eingetreten und ab dem 1. Januar 1938 SS-Mitglied Nr. 295 474. Nach dem Anschluss 1938 war er Mitglied der Salzburger Landesregierung und als Landesrat zuständig für Schulen und Kulturpolitik. Die Werke Otto Pflanzls überlebten jene Zeit, wo es seinem Lobgedicht entsprechend, einen »Morgen aus der Nacht« gab. Ob der nie wirklich für seine Verbrechen bestrafte »Landesrat« Springenschmid (er starb 1981 in Salzburg) mit dafür gesorgt hat, dass Pflanzl noch Jahrzehnte nach Kriegsende als Repräsentant »echten Brauchtums« mit seiner mundartlichen Heimat-Duselei von vielen Lehrern in den Schulen als Vorbild präsentiert wurde?
Noch heute ist seine »Literatur« hoch geschätzt, und so gibt es, noch Jahrzehnte nach dem Ende der faschistischen Herrschaft, eine Otto-Pflanzl-Straße im Salzburger Stadtteil Maxglan, wie es auch eine Josef-Thorak-Straße gibt, mit der Adolfs Hitlers Lieblingsbildhauer geehrt wird.
Dem Gläubigen der Kronen-Zeitungs-Leitkultur, »Max Gruber«, helfe ich und schlage vor, die Otto-Pflanzl-Straße in Rosa-Hofmann-Straße umzubenennen. Die in Salzburg-Maxglan aufgewachsene Rosa Hoffmann hat ihre mutig vertretene politische Überzeugung gegen den Faschismus mit ihrem Leben bezahlt. Sie wurde 1943 in Berlin »wegen Wehrkraftzersetzung in Verbindung mit landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat« hingerichtet.