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Ein Berliner Bankier und die Olympiade 1936  (Hans H. Lembke)

Olympische Spiele sind perfekt zu organisieren und solide zu finanzieren. Die Statuten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) schreiben dafür die Bildung eines Organisationskomitees vor, mit einem Generalsekretär und einem Schatzmeister. In Rio liegen diese Aufgaben derzeit bei Sidney Levy und Ana Paula Pessoa. Vor 80 Jahren hielten in Berlin Carl Diem und Paul Hamel diese Ämter. Carl Diem ist eine bekannte, nicht unumstrittene Figur der deutschen Olympiageschichte, wer aber war Paul Hamel? Dieser Frage ging 1946 ein Redakteur des Neuen Deutschland nach und schrieb: »In der Nähe des Hausvogteiplatzes liegt das Haus Jerusalemer Straße 25. Von der Vorderfront ist nicht mehr viel erhalten. Aber hinter den Trümmern versteckt liegen die Büroräume des Privatbankgeschäfts Sponholz & Co., dessen Inhaber Paul Hamel eine der übelsten Erscheinungen des Berliner Privatgewerbes in der Nazizeit war. Er hat die verbrecherischen Hitlerbanden finanziert und als Dank dafür hat ihn sein Duzfreund Funk nach der Machtübernahme mit fetten Posten ausgestattet.«

 

Was weiß man heute über den Bankier Paul Hamel, über Wirken und Werk vor und nach 1945? Die Historie der Sommerspiele 1936 ist detailliert erforscht. Bekannt ist daher auch die Geschichte des Organisationskomitees, das eine Woche vor Hitlers Machtübernahme gegründet und danach fast völlig ausgewechselt wurde. Ihre Vorstandsposten behielten nur der Präsident Lewald und der Generalsekretär Diem, beide »juden-nah«, aber politisch vom IOC gestützt. Hamel übernahm sein Amt vom Geheimrat Frisch, der im Vorstand der Dresdner Bank als »judenfreundlich« galt.

 

Dass der Schatzmeister gewechselt hatte, ließ das Organisationskomitee auch auf seinem Briefbogen erkennen – mit der Fußzeile »Bankkonto Sponholz & Co. vorm. H. Herz KG«. Paul Hamel verstand sich sichtbar darauf, Ehrenämter und eigenes Geschäft zu verbinden. Dies hatte sich schon 1933 bei seiner Berufung in den Vorsitz der Berliner Börse gezeigt; mit der Wahl eines arischen Mittelständlers wollten die neuen Machthaber das Ende der jüdischen Hochfinanz signalisieren. Er war ein durchaus typischer Vertreter des Mittelstands, scheute sich aber nicht, gezielt Verbindungen zu Spitzen von Staat und Wirtschaft zu knüpfen. So hatte er in den turbulenten Zwanzigern einem aufsteigenden Industriellen bei feindlichen Übernahmen geholfen. Dieser Günther Quandt gewann damit die Kontrolle über die Akkumulatoren-Fabrik (AFA) und die Berlin-Karlsruher Industrie-Werke; er belohnte Hamel jeweils mit einem Aufsichtsratsposten. Dies war die eine große Verbindung, die Hamel schnürte und pflegte. Die andere war seine Freundschaft mit Walther Funk, einem Pressemann, der 1933 zu Goebbels Staatssekretär wurde und später die Ämter des Wirtschaftsministers und Reichsbankpräsidenten ausübte.

 

Übernahmegeschäfte betrieb Hamel auch in eigener Sache. So hielt seine Bank die Mehrheit an einer Berliner Schraubenfabrik, die 1933 den Maschinenpark der Elektromotoren-Werke Hermann Gradenwitz in Besitz nahm und deren Spezialmaschinen fortan unter eigenem Namen produzierte. Hermann Gradenwitz, ein Onkel des Jürgen Kuczynski, zerbrach an dieser Entrechtung. Paul Hamel dagegen setzte seine Serie von Aneignungen fort und schloss dabei auch die Sponholz & Co. ein. Dort war er Miteigner seit 1910. Sein arischer Partner Hans Sponholz starb 1931, und der jüdische Firmenerbe Max Herz schied 1936 »in freundschaftlichem Einvernehmen« aus. Zweifellos hat Hamel diesen Ausschluss betrieben, nicht zuletzt auf äußeren Druck. In den Jahren 1934/35 war er geschäftlich in Bedrängnis geraten, auch hatte er sein Börsenamt verloren. Aus diesem Tief kam er heraus; dabei half die Arisierung seiner Bank ebenso wie die Nähe zu Quandt und Funk. Letzterer ermöglichte ihm den Einstieg in propagandapolitisch bedeutende Geschäftsfelder (Film und Nachrichtenwesen).

 

Hamel bewährte sich als Funks Dienstleister auch nach dessen Wechsel ins Wirtschaftsministerium. Funk war in seinen Rollen als Minister und Reichsbankpräsident bekanntlich ein Sachwalter und Gehilfe von Göring. Als solcher erhielt er den Auftrag, ein eminentes Problem der deutschen Kriegswirtschaft zu lösen: die Devisenbeschaffung. Zur Erfüllung schaltete Funk die Sponholz-Bank ein; sie übernahm Teile des Goldhandels, vor allem aber die Verwertung von Wertpapieren, Noten und Diamanten. Hamel betrieb somit in den letzten Kriegsjahren ein aktives Auslandsgeschäft; er beschaffte die Werte im besetzten Westeuropa und verkaufte sie gegen Devisen auf der Drehscheibe Schweiz.

 

Seine Eigeninteressen kamen wiederum nicht zu kurz; zu dem beträchtlichen Barvermögen, das der Bankier kurz vor dem Zusammenbruch in den Westen schaffen konnte, hatten auch die Devisengeschäfte beigetragen. Am neuen Firmensitz Hannover versuchte er schon unmittelbar nach Kriegsende das bewährte Geschäft der feindlichen Übernahme neu anzukurbeln. Sein Ziel war ein Stahlwerk, dessen Inhaber als Kriegsverbrecher einsaß. Die gewohnt glückliche Hand hatte er dabei nicht, und überhaupt konnte er an die unternehmerischen Erfolge vor 1945 nicht recht anknüpfen. In den 1950ern war er Rentier, wohnte in erster Lage Münchens und hielt gut dotierte Aufsichtsratsmandate. Die Verbindung zu Funk war wertlos geworden, aber die zum Hause Quandt hatte den politischen Unruhen der Jahre 1933 bis 1945 standgehalten. Paul Hamel, er starb 1958, konnte sie sogar vererben. Sein Sohn Gerd, letzter Leiter von Goebbels‹ Ministerbüro, erhielt eine vergleichbare Rolle in der Konzern-Spitze. Er wurde persönlicher Referent und Vertrauter von Herbert Quandt.

 

Hans H. Lembke lehrte an der Technischen Hochschule Brandenburg und ist seitdem freiberuflicher Autor. Er veröffentlichte unter anderem im Trafo Verlag das Buch »Die Schwarzen Schafe bei den Gradenwitz und Kuczynski. Zwei Berliner Familien im 19. und 20. Jahrhundert«, 452 Seiten, 29,80 €