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Titel1517

Bemerkungen

Schattenspiele

Aber wenn die Sonne der Kultur tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten, hat Karl Kraus gesagt. Das gilt ebenso für die Politik. Und Zwerginnen.

 

Günter Krone

 

 

Was ist schön?

Die Potsdamer sind doch ein eigenwilliges Volk. Sie möchten unbedingt aus einem Schloss heraus regiert werden. Ob sie auch einen König wünschen – man weiß es nicht so genau. Sagen will das freilich keiner. Aber zu vermuten ist schon, dass sie gern einen hätten.

 

Denn auch die Garnisonkirche, zumindest der Turm, soll wieder aufgebaut werden. Eine neue Kirche in einem Land, in dem die Kirchen leer stehen … Unglaublich!

 

»Christen brauchen keine Garnisonkirche«, haben wir mit einem klugen Text und einer langen Unterschriftenliste protestiert. Vergebens!

 

An den Brauhausberg setzt Potsdam einen grauen Schwimmbad-Betonklotz, der die Sichtachse verstellt und an den man »Blu« schreibt, was wohl ans englische »Blau« (blue) erinnern soll. Oscar Niemeyers einfühlsamen Entwurf, der sich freundlich und gefällig in Stadt und Gelände eingefügt hätte, lehnte Potsdam ab.

 

Einen Hauptbahnhof krachte man hin, der Potsdam fast den Weltkulturerbe-Titel gekostet hätte und über den die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am 10. April schrieb: »Wenn schon abreißen, dann doch bitte diese Scheußlichkeit: den Bahnhof von Potsdam.«

 

Neben die Fachhochschule setzte man einen Betonwürfel und nannte ihn verharmlosend Kulturforum. Die danebenstehende Fachhochschule aber, in Stil und Bauweise dem Bauhaus-Genius Mies van der Rohe abgeschaut, soll weg.

 

Die bereits zitierte FAZ, nicht als Parteigängerin des Sozialismus bekannt, schreibt: »Man kann es gar nicht fassen, dass dieses Haus jetzt abgerissen werden soll: So leicht und heiter, so modern und optimistisch!« Weiter schreibt die FAZ, man werde den Eindruck nicht los, »dass die wirklich spukhässlichen Problembauten erst nach 1989 entstanden, als alle Bauunternehmer, die im Westen keiner mehr haben wollte, den wehrlosen Osten für sich entdeckten«.

 

Und ich muss an meinen alten Staatsbürgerkundelehrer denken, der mir immer geantwortet hat, wenn ich die fehlende Meinungsfreiheit einklagte, die im Westen doch vorhanden sei: »Jaaa, sagen dürfen Sie im Westen alles. Aber es ändert nichts.«                  

 

Andreas Kuhnert

 

Andreas Kuhnert war von 1990 bis 2015 für die SPD Mitglied des Landtages von Brandenburg, davor Werkzeugmacher, Bühnentechniker und Pfarrer in Netzen bei Lehnin. Jetzt zieht er durch Kindergärten und Schulen und unterrichtet (Kita: Afrika im Kindergarten, gesunde Ernährung; Grundschule: Wie funktioniert Politik, Kinderrechte – eine Welt, Gymnasium: DDR-Geschichte, auch als Zeitzeuge, u.a.m.).

 

 

 

Schotten und Esten

Das Rudolstadt-Festival, das bisher Tanz- und Folkfest oder einheimisch Danzfäsd hieß, erlebte in diesem Juli einen Rekord-Zuschauer-Zuspruch. Das Fest der Hunderttausend. Ob es am Schwerpunkt Schottland lag oder doch an dessen bedeutender Vertreterin Amy Macdonald, auf deren Konzert selbst im weiträumig-weitläufigen Heine-Park kein Durchdrängeln mehr war, die Festanalysatoren werden es herausfinden.

 

Nun ist das schottische Nationalinstrument, der Dudelsack, seit jeher ein laut quiekender, quäkender oder auch mal brummiger Vertreter der allerorts in den Gassen und auf Plätzen aufspielenden vielen Amateur- und einigen Berufsmusikanten. So viel Schottland wie in Rudolstadt ist auch andernorts in diesem Sommer kaum: keltische Tänze und Robert Burns, dessen Herz im Hochland weilt, schottische Filme im Alternativ-Kino und jede Menge Geigen, also Fiddles, um das populärste Instrument der Szene zu nennen. Das relativ kleine Volk der Schotten – da wohnen nur gut fünf Millionen – hat mit Whisky, Fußball und seiner Anti-Brexit-Bevölkerung jedenfalls Weltgeltung erlangt. Und das kleine Volk der Rudolstädter zeigt, wie man in der Welt Achtung erringt. Unter anderem mit einer Festausstattung, die zwar in die Jahre gekommen ist, deren Chefgrafiker Jürgen B. Wolff aber jedes Jahr doch genug neue Ideen hat, die Bühnen und das Programmheft mit den Verfolkten aller Länder zu zieren. Dass diesmal auch das Ungeheuer von Loch Ness als Wellness, über Cleverness bis zu Fitness und Coolness daherkam, war eine der vielen ironischen bis selbstironischen Zutaten. Zur Ironie kommen wir noch. Nun ist Wolff, der in Leipzig lebende Vogtländer, schon von seiner Herkunft her Internationalist. Das Vogtland teilen sich Sachsen, Thüringer und sogar Bayern. Auch im einstigen Staats-Flickenteppich Thüringen war man viele deutsche Nationalitäten und Staats-Völker gewöhnt, eine Fremdenfeindlichkeit schließt sich hier eigentlich aus. Das sieht ein gewisser Björn Höcke zwar anders – aber der ist ja auch nur ein westfälisch-rheinländisch-pfälzischer Zugewanderter.

 

Um bei nationalen Besonderheiten zu bleiben: Für Schotten gilt Sparsamkeit als ein- und angeboren; eine Erfrischung zu spendieren bedeutet dort, dass man das Fenster öffnet. Wie man die schottische Nationaltugend demnächst ins Rudolstadt-Festival einbringt, darüber kann man sich Gedanken machen. Nicht an Freundlichkeit und organisatorische Cleverness muss gespart werden – oder vielleicht doch? Damit beim nächsten Mal ein paar Gäste weniger kommen und das Fest nicht aus seinen Fugen gerät?

 

Man hat für 2018 ein noch kleineres Gastland eingeladen: Estland. Die baltische Republik hat 1,3 Millionen Einwohner, eine überaus sangesfreudige Bevölkerung und eine Landessprache ohne Zischlaute, ohne Geschlecht und ohne Zukunft. Esten werden diese Zuordnung verstehen, denn bedingt durch Fremdherrschaften über die Jahrhunderte hat man dort als Nationaltugend die Ironie entwickelt. Wie das nächstes Jahr dann in Rudolstadt umgesetzt werden wird, darauf darf man sich freuen.

 

Matthias Biskupek

 

 

 

Ostdeutsches Klassentreffen

»einmal fährt auf einem dampfer klaus schlesinger, eine veranstaltung des westberliner schriftstellerverbandes, klaus schlesinger steht an einer reling und wird gefragt, unvermittelt: bereuen sies? und klaus schlesinger sieht hin, wartet eine sekunde und sagt: das, das konnte ich ja nicht wissen.« (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

 

Buchpremiere am 8. Juni im Haus der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg im Tiergarten: Präsentiert wird der Briefwechsel von Kurt Bartsch und Wasja Götze »In all dem herrlichen Chaos«. Der absonderliche Charme des Akademie-Betonbaus passt zur Versammlung der 200 Gäste. Es ist ein Klassentreffen mit Patina. Fast alle kennen sich, großes Hallo, Umarmungen, Küsschen. Ob sich denn auch alle mögen, steht dahin. Einige Quoten-Wessis hat es auch in den Tiergarten verschlagen, Johano Strasser wird gesichtet. Insgesamt ist es aber eine Zusammenkunft ostdeutscher Provenienz.

 

Irene Böhme hat den Briefwechsel des Berliner Dichters Kurt Bartsch (1937–2010) und des Hallenser Malers Wasja Götze (*1941) aus der Zeit von 1982 bis 1989 herausgegeben und mit einem klugen Nachwort versehen. Der Mitteldeutsche Verlag in Halle (Saale) hat den Band gedruckt. Es ist eine sorgfältige, schön gearbeitete Ausgabe, vor allem die farbigen Repros der Malerbriefe Wasja Götzes sind ein Vergnügen.

 

Bartsch und Götze lernen sich im Frühjahr 1972 in einer Berliner Bar kennen, der Berliner und der Sachse lieben sich wirklich inniglich, das wird schnell klar. Kurt Bartsch gehört 1976 zu den Unterzeichnern der Biermann-Petition und 1979 zu den Ausgeschlossenen aus dem Schriftstellerverband der DDR. 1980 wechselt er nicht nur die Straßenseite und reist nach West-Berlin aus. Die Freundschaft von Bartsch und Götze findet nun zwangsläufig in Briefen ihre Fortsetzung, keine nächtelangen Debatten um Gott, die Welt und die Frauen mehr, keine gemeinsamen Besäufnisse mehr, das ist hart. Der Inhalt ihrer Briefe kreist um Alltägliches, um Künstlertratsch und bei Wasja Götze permanent um gewünschte Ersatzteile für sein Rennrad. Am Morgen des 10. November 1989 steht dann Götze vor Kurt Bartschs Wohnungstür.

 

Aber diese oft witzigen, ironischen Briefe sind nicht nur Zeitzeugnisse einer lang andauernden Freundschaft, sie machen auch die Unterschiede deutlich: Wasja Götze lebt in Halle, die Stadt zerfällt zusehends, viele Freunde stellen Ausreiseanträge, es wird still um ihn, der Markterfolg bleibt aus. Briefe aus der grauen Provinz. Kurt Bartsch hingegen lernt ein Stück Welt kennen, seine Berichte von Treffen mit Schriftstellerkollegen in Amsterdam (Saufen mit Betonung mit Adolf Endler!) und von diversen Theaterskandalen eigener Stücke sind großartig, irgendwie lebendiger als die Radsport-Reportagen von Wasja Götze.

 

Das Treffen der Ehemaligen im Tiergarten zur Vorstellung dieses Briefwechsels war nostalgisch gestimmt, die selbstbewussten Gesten waren auch unehrlich. Sieger der Geschichte waren hier nicht vereint, siehe Klaus Schlesinger: »Das, das konnte ich ja nicht wissen.«     

 

Klaus Pankow

 

Kurt Bartsch/Wasja Götze: »In all dem herrlichen Chaos. Briefe von 1982 bis 1989«, Mitteldeutscher Verlag, 320 Seiten, 24,95 €

 

 

 

Marktwertegemeinschaft

Fußballspieler sind Wertobjekte. So titelt die Leipziger Volkszeitung: »RB-Spieler auf 170 Millionen taxiert«. Der wertvollste dieser Spieler ist 27 Millionen Euro wert, der billigste immer noch 200.000. Das sollte Schule machen. Die Entscheidung zwischen Frau Merkel und Herrn Schulz würde dem Bürger leichter fallen, wenn er deren Marktwert kennen würde.                                      

 

Günter Krone

 

 

 

Massenproteste geben Hoffnung

Mit erheblicher Verzögerung konnte Mumia Abu-Jamal die Realisierung zweier für ihn lebenswichtiger juristischer Anträge durchsetzen. Seit 6. April erhält er endlich die juristisch erzwungene medizinische Behandlung seiner wahrscheinlich durch verschmutztes Trink- und Badewasser im Gefängnis erworbenen Hepatitis C mit dem am meisten Heilung versprechenden Medikament. Die Gefängnisverwaltung hatte ihm die Diagnose jahrelang verheimlicht und sich dann der Verpflichtung zur Behandlung der Krankheit versucht zu entziehen (vgl. Ossietzky 3/2016, 3/2017). Da sie nun spät doch noch erfolgt, wurde bei Abu-Jamal mittlerweile eine als Folge der Hepatitis C aufgetretene Leberzirrhose festgestellt, die – im Unterschied zur Primärerkrankung – nicht mehr heilbar ist und die erhöhte Gefahr birgt, dass er an Leberkrebs erkrankt. Die Behandlung der Hepatitis C wird voraussichtlich im August abgeschlossen.

 

In den Gefängnissen der USA sind 700.000 Menschen an Hepatitis C erkrankt, von denen nur ein geringer Teil behandelt wird. Wie jetzt bekannt wurde, existiert das Problem ähnlich in deutschen Haftanstalten, wo die Behandlung mit dem extrem teuren, aber wirksamen Medikament, juristisch zwar vorgeschrieben ist, bislang aber ebenfalls nicht stattfindet.

 

Mit dem 2016 erfolgten Urteil des Obersten Bundesgerichts der USA, wonach Richter nicht über Fälle entscheiden dürfen, bei denen sie in vorangegangenen Verfahren in niedrigeren Instanzen mitgewirkt haben, ergab sich für Mumia Abu-Jamal die lange versperrte Möglichkeit, sein eigenes Verfahren von 1982 wieder aufrollen zu lassen, in dem er des Polizistenmords für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden war. Richter Ronald Castille, der an mehreren Verfahren gegen Abu-Jamal mitwirkte, hatte später als Oberster Richter vom Obersten Gericht Pennsylvanias unter anderem auch den Berufungsantrag von Abu-Jamal abgelehnt (Ossietzky 20/2016). Da sich sämtliche ursprünglich vorgebrachte »Beweise« als manipuliert erwiesen hatten, wurde das Todesurteil 2011 in lebenslange Haft umgewandelt, für dessen Revision jedoch keine Berufungsmöglichkeit bestand. Da sich das mit dem Urteil gegen Castille änderte, konnten die Abu-Jamal vertretenden Anwälte Judith Ritter und Christina Swarns im April den Antrag zur Wiederaufnahme des Prozesses stellen. Die Chancen, dass Mumia Abu-Jamal dadurch seine Freiheit erlangt, erhöhen sich auch deshalb, weil Ronald Castille mittlerweile eingeräumt hat, dass nicht nur er, sondern alle am ursprünglichen Verfahren beteiligten Richter der Polizeigewerkschaft nahestanden.

 

Allerdings verweigerte die Staatsanwaltschaft von Pennsylvania zunächst die Herausgabe aller für einen neuen Prozess notwendigen Akten. Nach energischen öffentlichen Demonstrationen und Protesten der Unterstützer Abu Jamals hat Richter Leon Tucker der Staatsanwaltschaft mit Sanktionen gedroht, falls sie die Akten nicht herausrückt.

 

Obwohl sich Abu-Jamals gesundheitliche und rechtliche Perspektiven verbessert haben, liegt noch ein steiniger Weg vor ihm. Mit der Berufung von Neil Gorsuch ins Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten hat Donald Trump seinen Willen bekräftigt, das Justizwesen mit sehr konservativen Kandidaten auszustatten.

 

Übrigens – dass in den USA Vorschläge für solche Ämter vom Präsidenten kommen, die dann nur vom Kongress und Senat bestätigt werden müssen, scheint der derzeitigen Regierung Polens als Vorbild für die Gesetzesänderungen zu dienen, die auch ihr künftig ermöglichen sollen zu bestimmen, wer im Lande Recht sprechen darf.              

 

Sabine Kebir

 

 

 

Unsere Zustände

Primitivität ist die Folge geistiger Faulheit.

*

Blinde Gewalt der Ohnmächtigen, die sich gegen Unschuldige richtet, ist nicht nur kriminell, sie setzt auch die Gewalt der Mächtigen ins Recht.

*

Erst wenn wir hinten nicht mehr hoch können, kommen wir vorn mit vernünftigen Ansichten nieder.

 

Wolfgang Eckert

 

 

 

Kurt Eisner

Nachdem der erste bayerische Ministerpräsident nicht nur von Rechten lange geschmäht wurde, widmet ihm das Münchner Stadtmuseum nun eine von Ingrid Scherf (früher bei der linken Stadtzeitung Blatt und bei der Basis-Buchhandlung) und von Günter Gerstenberg (Archiv der Münchner Arbeiterbewegung) kuratierte Ausstellung. In zwei großen Räumen stellt sie das widerständige Leben Kurt Eisners vor.

 

Vor 150 Jahren in Berlin geboren entwickelte er sich vom Linksliberalen zum Sozialisten. Wie Bernhard Grau in der Biografie »Kurt Eisner« (C. H. Beck 2017), eine der Grundlagen der Ausstellung, aufzeigt, prägte Eisner zeitweise nicht nur den Vorwärts, sondern auch die Nürnberger SPD-Zeitung Fränkische Tagespost. Beide Male eckte der linke Neukantianer durch kritische Artikel bei Marxisten und Reformisten an.

 

Während des Ersten Weltkrieges wurde aus dem anfänglichen Kriegsbefürworter bald ein Kriegsgegner, der in München einen linken Diskussionszirkel um sich scharte, aus dem die Münchner USPD hervorging. Im Januar 1918 organisierte er einen Streik der Münchner Rüstungsbetriebe, was ihm mehrere Monate Haft eintrug. In der Nacht vom 7. auf den 8. November 1918 proklamierte er – gestützt auf den Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat – die Bayerische Republik. Als erster Bayerischer Ministerpräsident regierte er gemeinsam mit der MSPD, deren Innenminister Auer ihn nach Kräften behinderte. Doch Eisner erreichte das Frauenwahlrecht, setzte den Achtstundentag durch und schaffte die geistliche Schulaufsicht ab. Vollends brachte er mit seinem Plädoyer für die Anerkennung der deutschen Kriegsschuld die Rechte gegen sich auf, die eine antisemitische Kampagne gegen den religiös indifferenten Juden Eisner startete. Am 21. Februar 1919 erschoss ihn Graf von Arco auf dem Weg zum Landtag, wo Eisner seinen Rücktritt nach der Wahlniederlage der USPD, die nur 2,5 Prozent erreicht hatte, erklären wollte. Der Mörder stand der Thule-Gesellschaft nahe, eine der Keimzellen der NSDAP.

 

Die Ausstellung legt zwar den Schwerpunkt auf Eisners Regierungszeit, zeigt ihn aber auch als sozialistischen Journalisten und Publizisten. Sie präsentiert ihn vor allem mit eigenen Texten (Artikel, Briefe) und durch Plakate. Eingegangen wird auch auf die beiden blutig niedergeschlagenen Bayerischen Räterepubliken um den Anarchisten Mühsam und den Kommunisten Leviné. Eine informative Ausstellung, die an einen fast vergessenen Sozialisten erinnert, dessen Versuch einer Synthese zwischen Rätedemokratie und Parlamentarismus noch immer diskussionswürdig ist.     

                

Peter Bräunlein

 

Bis 8. Oktober im Münchner Stadtmuseum, Sankt-Jakobs-Platz 1.

 

 

 

Chronist der Benachteiligten

Die Erzählungen haben einen besonderen Sound. Egal, ob es sich um alte, jüngere, heutige oder historische Protagonisten handelt: Ein Hauch von Einsamkeit und Sehnsucht umweht sie, und meist scheiternde Versuche der Annäherung an einen anderen spielen eine Rolle. Beispielsweise die schöne Geschichte von den beiden Frauen, einer Friseurin und einer Putzfrau bei der Bahn, die sich hin und wieder gemeinsam ein Piccolo-Fläschchen genehmigen. Es ist beeindruckend, wie schnell und gut es Clemens Meyer schafft, den jeweiligen Ort und die Zeit der Handlung kenntlich zu machen. Am besten gelingen ihm die kleinen Leute, die benachteiligten Bewohner trister Vorstadtviertel von heute. Meyer legt Wert auf Details, arbeitet viel mit Träumen und spielt mit den Handlungsebenen. Ohne Musikspezialistin zu sein, fällt mir bei dem erwähnten Sound zuerst der Blues ein.

 

Christel Berger

 

Clemens Meyer: »Die stillen Trabanten. Erzählungen«, S. Fischer, 270 Seiten, 20 €

 

 

 

 

 

Zuschrift an die Lokalpresse

»Heute schon Spaß gehabt?« fragte der Blickpunkt, die Wochenend-Zeitung für Frankfurt/Oder und Eisenhüttenstadt, am 29. Juli seine Leser. Denn 72 Prozent der Deutschen wünschen sich laut einer Umfrage von »MediaMarkt« (satte 1002 Teilnehmer) »mehr Spaß im Leben«. Da trifft es sich gut, dass einer der von China geleasten Pandabären in unseren Regionen überraschend rückwärts läuft und dass ein freilebender Waschbär das Heizkraftwerk in Siemensstadt lahmgelegt hat. »So passiert inne Nacht zu jestern«, amüsierte sich der Mundartsprecher der Berliner Morgenpost, ein Herr Kasupke, in der Ausgabe vom 28. Juli. »Und det noch bejleitet von 'nem Höllenlärm! Ick hab` jedacht, die Russen komm`...!« – Na jut, een bissken hart formuliert is det schon, aber een bissken Kribbeln im Bauch muss ooch sein, und Kasupke sacht nu mal laut Kolumnen-Untertitel, wie et is! In den Juli-Wochenendausgaben der Tageszeitungen spielten sowieso die Bären eine besondere Rolle. Das neue deutschland befasste sich mit den Koala-Geburten im Duisburger Zoo und stellte fest, dass die possierlichen Kletterer nur »über eine verhältnismäßig geringe Gehirnmasse verfügen«. Warum soll es ihnen besser gehen als den Menschen? Hauptsache, sie haben Spaß! – Ellinor Fröhlich (32), alleinerziehende Mutter, 99518 Lachstedt

 

Wolfgang Helfritsch