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Titel1519

Bemerkungen

Volks-Fest-Monolog im Sommer

Ich gehör ja zur führenden Alternativen Partei im Ort. Wenn wir erst mal statt sieben siebzig! Stadtordner haben – gibts überhaupt so viele ordnende Stadträte? – Weeß ich nich – aber wenn! – Dann weht der Wind anndersch!

 

Dann gibts nämlich ein wirklich gerndeutsches Volksfest! Nicht wie jetzt, gemacht von diesen Hergeloofnen, den vermiggerten Kultis. Die die Wiese im Horst-Wessel … nee, der heeßt jetzt Heinrich-Heino-Bark – zertrampeln. Man kann schon an einem ganz normalen Tag dort kaum langloofn. Hat mir der Kollege Winne oder Werner gesagt. Der wohnt dort um die Ecke und hat das fast selber erleben müssen. Wenn die Flichdlinge, die Asselandn da, rumhocken und saufrech – wirklich saufrech! – gucken. Und im Hochsommer isses noch grauslicher. International! Musick! Feste! – behaupten die. Dabei ist nur Gesocks da. Sibirische Musik, Näächer und Weiber mit Gobbtiechern. Geht paar Tage lang. Und dann sind welche da, die fast naggsch sind. Solche Weiber mit solchen Tüten! Das is doch keene deutsche Stadt nich mehr nich, unsere Residenz! Das ist eine rammelvolle Stadt, in der am liebsten nur ausländisch gerammeld wird. Zu fressen gibbs bloß arabsches Döner-Gelumbe, grad mal an drei, fünf Stellen noch änne Bradworschd. Und überall der Näächer-Dschäss! Die vermiggerten Kultis tun dabei scheißfreundlich. Dabei ist das eine reineweg orientalische Hinterlist. Die wollen unser Mitteldeutschland ischlammisieren!

 

Ich flüchte so lange auf mein Bärch, was für andere die Datsche ist. Wenn der Spuk vorbei ist, komm ich wieder. Und wie wir kommen! Weil: Nach der nächsten Wahl haben wir achtunddreißig Prozent. Mit vierzig Stadtordnern. Die reichen nämlich, um das Ruder auf nationale Linie rumzureißen.

 

Das haben wir Zweiunddreißig erlebt! Achtunddreißig Prozent! Wenn wir die haben, geht’s wie Zweiunddreißig los. Es geht lohoos … Wir sind nämlich geschichtlich-hystorisch bewandert. Auch wenn die gluchscheißenden Volksverhetzer das nicht glauben. Die Leute von den Altparteien, die jedes Jahr das deutsche Volk bei uns mit Ausländern fluten, angeblich weil das ein Volksfest für alle ist. Sind wir das Volksfestamt für die ganze Welt?

 

Nein, wir sind nicht das dumme Volk! In unserem Kader haben wir Professoren, Doktoren und Europaabgeordnete. Wir haben gelesen, wie das damals, also zweiunddreißig, war, als schon mal die Systemparteien von uns besiegt worden sind. Friedlich und demokratisch, wie wir im Grunde unser Leben leben. Aber reizen darf man uns nicht! Wir lassen uns viel gefallen, aber das Arabertum, das levantinische, das muss nicht sein. Nicht in solchen Massen. Da nützen wir unsere demokratische Macht. Da stimmen wir die Stadtverräter nieder. Hoch die heimische Schweinebradworschd, ihr Ausländerschweine! Nieder mit dem volksfeindlichen Rumgehubbe!

 

 

Für die Unrichtigkeit der Grammatik und Rechtschreibung: Matthias Biskupek

 

 

Das Gespenst ist wieder da

Lange vergriffen, seit Juni 2019 wieder lieferbar als 2-CD-Hörbuch: »Das Kommunistische Manifest«, gelesen von Rolf Becker. Der Originaltext von 1848 ist ungekürzt. Auf der zweiten CD befindet sich, ebenfalls gelesen von Becker, als Sekundärtext der analytische Kommentar des englischen marxistischen Historikers Eric J. Hobsbawm, 1998 zum 150. Jahrestag des Manifests veröffentlicht.

 

Die aktuelle Studioaufnahme unterscheidet sich wesentlich von der vor sechs Jahren von Gerd Bedszent in Ossietzky vorgestellten CD, die Textauszüge enthielt. Die Tageszeitung junge Welt hatte damals das Hörbuch produziert. Es handelte sich um den Live-Mitschnitt einer Lesung aus demselben Jahr, »Beifallsstürme« inklusive, wie der Rezensent vermerkte (siehe Ossietzky Heft 25/2013).

 

Hobsbawm hat sich in mehreren Büchern mit Marx und dem Marxismus befasst. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang »Wie man die Welt verändert«, mit einem längeren Kapitel zum Manifest der Kommunistischen Partei, 2011 im Karl Hanser Verlag erschienen. In seinem auf der CD veröffentlichten Beitrag regt er an, das historische Dokument neu zu betrachten. Ich zitiere:

»Was 1848 einem unvoreingenommenen Leser als revolutionäre Rhetorik oder bestenfalls als plausible Prognose erscheinen mochte, kann heute als eine knappe Beschreibung des Kapitalismus am Ende des 20. Jahrhunderts gelesen werden. […] Andererseits ist das Manifest – und das ist nicht die geringste seiner bemerkenswerten Eigenschaften – ein Dokument, das auch sein Scheitern ins Auge gefasst hat. Es versprach sich von der kapitalistischen Entwicklung eine ›revolutionäre Umgestaltung der ganzen Gesellschaft‹, schloss jedoch die Alternative – ›den gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen‹ – nicht aus. Viele Jahre später formulierte eine andere Marxistin dies um als Wahl zwischen Sozialismus und Barbarei. Welche dieser Alternativen den Sieg davontragen wird, ist eine Frage, deren Beantwortung dem 21. Jahrhundert vorbehalten bleiben muss.«

 

Und weil es so schön wie richtig ist, soll auch der Verlag zu Wort kommen: »Ein Hörbuch zum Studieren, Durchdenken, Verschenken und Genießen, wundervoll eindringlich gelesen von Schauspieler Rolf Becker mit dem Elan des Analytisch-Visionären und der Klarheit einer hoffnungsvollen Kapitalismuskritik!«

                                       Klaus Nilius

 

 

Karl Marx/Friedrich Engels: »Das Kommunistische Manifest«, gelesen von Rolf Becker, Hörbuch, 2 CDs, Argument Verlag, 20 €. Das gesamte Hörbuch ist auch als Buch erhältlich, ebenfalls im Argument Verlag.

 

 

Nicht zu übersehen

Wo die Ostseewellen an den Strand von Zingst trecken, sieht man das Meer und vielleicht noch die Seebrücke. In diesem Sommer war die Sicht durch zehn großflächige Bildtafeln ein wenig versperrt. Auf denen sah man im Meer treibende Plastikflaschen, vermüllte Strände, Berge von Netzen aus Kunstfasern ... Die Fotos stammten vom Magazin National Geographic, das seit Jahren unter dem Titel »Planet or Plastic« für mehr Umweltbewusstsein streitet. Die Ausstellung war nur eine von zwanzig, die im Juni und Juli im Ostseebad auf dem Darß präsentiert wurden. Das inzwischen zwölfte Umweltfotofestival »horizonte zingst« besichtigten die Urlauber gleichsam en passant. Drei Themen diesmal: Klimawandel, Plastikvermüllung der Ozeane und die Gefährdung der Artenvielfalt. Die Fotos, unübersehbar groß, standen auf Plätzen, in Höfen, an Straßen, am Strand, kleinere Formate gab es in Galerien, Hotels, Hallen und Kirchen zu sehen. Fantastisch die Fülle und die – eigentlich – unprätentiöse Präsentation.

 

Auf dem Postplatz zeigte Johnny Miller, ein seit Jahren in Kapstadt lebender Amerikaner, die soziale Spaltung der kapitalistischen Gesellschaft auf ungewöhnliche Weise. Er ließ Drohnen aufsteigen und fotografierte aus der Vogelperspektive die Grenzlinien zwischen Elendsquartieren und den besseren Gegenden. Da stoßen graue Slums an einen sattgrünen Golfplatz, freistehende Villen säumen einen Uferstreifen, umrandet von dicht an dicht stehenden Blechhütten ... Arm und Reich sind selten so sichtbar geschieden wie auf Millers Aufnahmen, die er in Afrika, in den USA, in Lateinamerika und in Südostasien machte. Er nannte seine Serie – die im Unterschied zu den anderen Ausstellungen in Zingst noch bis September zu sehen sein wird – »Unequal Scenes«, ungleiche Verhältnisse.

 

Unweit von Millers Bildern gab es überdimensionierte Fotos von Björn Vaughn, Jayaprakash Bojan und Ulet Ifansasti, die die systematische Ausrottung des Orang-Utans dokumentierten. Die Tiere leben in den Regenwäldern Borneos, Sumatras und Malaysias, welche jedoch rücksichtslos gerodet werden für Tropenholz und Holzkohle, um danach auf den freien Flächen Palmen in Monokultur anzubauen, aus deren Früchten Öl gewonnen werden soll. Dadurch verlieren die Orang-Utans und viele andere Tierarten ihre Lebensgrundlage. Die drei Fotografen richteten ihre Objektive zwar auch auf die akut vom Aussterben bedrohten rothaarigen Menschenaffen, doch der Fokus lag auf der geschändeten Natur. Der Betrachter sieht zwischen verkohlten Baumstümpfen im aufsteigenden Qualm einen Bagger die Wurzeln aus der Erde reißen, auf einem anderen Bild, das aus dem Flugzeug gemacht wurde, erkennt man eine kahle Riesenfläche in Braun und Schwarz, zerfurcht von geraden und gewundenen Wegen, gesäumt vom Urwald, der bis zum Horizont reicht. Noch.

 

Da wie dort treibt die eine Profitmaschinerie die Menschheit dem Untergang entgegen, was mit beeindruckenden Motiven sichtbar gemacht wird. Die Ästhetik der Selbstausrottung verstört, nirgendwo ist auch nur ein Mensch auf den Fotos zu sehen. Doch die Botschaft ist unmissverständlich.

 

Man kann sie nicht oft genug sagen und zeigen. Auch im Urlaub muss das sein. Die barbarische Ausbeutung der Erde kennt auch keine Pause.

 

Frank Schumann

 

 

Rentner mit Personenschutz

Auch das ist Spanien: Francisco González leitete 18 Jahre die zweitgrößte spanische Bank, die Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA). Zu Jahresbeginn wechselte er in den Ruhestand. Der heute 75-Jährige hatte mit der Bank einen Pensionsplan über 78,9 Millionen Euro ausgehandelt, die ihm nach seinem Rücktritt ausgezahlt wurden. Außerdem erhielt der Banker ein Aktienpaket im Wert von 30 Millionen Euro.

 

Zu golden fiel der Handschlag aus. Die BBVA-Aktionäre mussten in der Amtszeit von González einen Kursverlust des Banktitels von rund 70 Prozent hinnehmen, so dass dem Ex-Bankier jetzt sein Reichtum offenbar Sorgen bereitet. Seit er im Ruhestand ist, umgibt sich der Privatier mit einer Eskorte von 16 Leibwächtern, die ihn rund um die Uhr bewachen. Die spanische Tageszeitung El País berichtete, dass kein amtierender oder pensionierter Firmenchef in Spanien so einen Personenschutz hat. Immerhin: Alle Kosten des Personenschutzes für Gonzáles übernimmt die Bank, auch den Unterhalt für vier Limousinen.

 

Nach dem Ausscheiden des Bankpräsidenten steht wegen eines Abhörskandals der Ruf der BBVA auf dem Spiel. Ein Gericht untersucht derzeit, ob González einen straffällig gewordenen Kommissar beauftragt hatte, seine Gegner zu bespitzeln. Der Kommissar, inzwischen in Haft, hatte der BBVA für »Aufklärungsdienste« Rechnungen im Wert von zehn Millionen Euro ausgestellt. Inzwischen sieht auch die Europäische Zentralbank (EZB) Handlungsbedarf in dem Fall, die BBVA ist vom Börsenwert her die fünftgrößte Bank in der EU.

 

Karl-H. Walloch

 

 

 

Zuschrift an die Lokalpresse

Heureka und Hallelujah! Ein seit Jahrhunderten immer wieder diskutiertes Grundsatzproblem schiebt sich endlich wieder stärker in den Mittelpunkt der Mediendiskussion. Nachdem die weltweiten Klimakatastrophen, die wechselseitigen Schuldzuweisungen der Politiker über die Zuspitzung der internationalen Lage und Beleidigungen von Prominenten unter der Gürtellinie in eine kurze Verschnaufpause eingetreten sind, lautet die Frage »Dürfen Frauen oben ohne?« Der Berliner Senat bekannte sich mutig zu »allgemeinen Gepflogenheiten hinsichtlich der Badebekleidung, wonach ein Mann in öffentlichen Bädern eine Badehose trägt und eine Frau einen Badeanzug oder Bikini, die die weibliche Brust bedecken« (Berliner Kurier vom 28.7.19). Das Problem wurde durch eine Beschwerde einer Oben-ohne-Baderin im Strandbad Plötzensee ausgelöst, über die sich Beamte und Sicherheitsbeauftragte vor Ort die Haare und andere Nacktzonen rauften. Der Berliner Kurier schaltete sich scheinheilig in die Debatte ein, indem er ein ganzseitiges Titelfoto veröffentlichte, das für die Schönheit sich räkelnder weiblicher Körper und die Badeanstalt Plötzensee im Besonderen wirbt und sicherlich auch die Absatzzahlen des Tageblattes erhöhte. Die Ausgabe vom 29. Juli profitierte dann durch ein weiteres Titelfoto zur aufgeheizten Debatte. Dummerweise fielen die aufgebrachten Diskussionen zeitgleich mit dem wiederbelebten Christopher Street Day und der Diskussion um kobenartige Bauhausstil-Einrichtungen um den Straßenstrich in der Kurfürstenstraße sowie den Einsatz von »Lovemobils« mit Preisetiketten am Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof zusammen. Da unsere öffentlichen Dienststellen nie verlegen sind, zur Klärung außerordentlicher Angelegenheiten externe Berater einzusetzen, schlage ich vor, nichts dem Volksempfinden oder der Spekulation zu überlassen und nicht an der falschen Stelle zu sparen. Folgende Fragen sollten von Experten geklärt werden: Erstens: Sind Betreiber von Badeanstalten berechtigt, die Bekleidung der Besucher zu kontrollieren? Zweitens: Sollten die für Badeanstalten üblichen Regelungen auch auf private Wannen übertragen werden? Drittens: Darf sich ein Wohnungsinhaber einer genossenschaftlichen Wohnung in seinen vier Wänden im Adamskostüm bewegen? Viertens: Was ist auf dem eigenen Balkon oder im eigenen Garten gestattet? Fünftens: Genießen Inhaber des Seniorentickets »65 plus« besondere nudistische Vorzüge im öffentlichen Nahverkehr? Über weitere Vorschläge würde ich mich sehr freuen. – Harald-Helmuth Piesicke (78), FKK-Veteran, 06556 Mönchpfiffel-Nikolausrieth

 

Wolfgang Helfritsch