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Titel1520

Heimliche Ehrung  (Conrad Taler )

Am 30. Juni hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) im Foyer ihres Berliner Amtssitzes die Büste eines Mannes enthüllt, von dem der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle 2013 sagte, er habe als Demokrat und Patriot an der deutschen Geschichte mitgeschrieben und sie zum Guten hin beeinflusst. Er meinte damit den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der Auschwitz vor Gericht brachte und damit Gerichtstag halten wollte »über uns selbst, Gerichtstag über die gefährlichen Faktoren in unserer Geschichte«.

 

Was mag die Ministerin bewogen haben, die Ehrung einer so herausragenden Persönlichkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorzunehmen? Nur die Jüdische Allgemeine und eine Handvoll Gäste wurden eingeladen, darunter als prominentester der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe. Welcher Fritz Bauer sollte da geehrt werden? Der hessische Generalstaatsanwalt entstammte einer assimilierten jüdischen Familie, hatte aber weder Beziehungen zur jüdischen Gemeinde noch zur jüdischen Emigration. Jude war er nach seinen eigenen Worten nur nach den Nürnberger Rassegesetzen der Nazis. Vertreter der von Fritz Bauer mitbegründeten Humanistischen Union waren anscheinend nicht unter den eingeladenen Gästen. Jedenfalls hat die Ministerin niemanden aus dieser Ecke begrüßt.

 

Mit der Corona-Krise lässt sich der enge Rahmen wohlfeil begründen, aber schon die Benennung des Foyers nach Fritz Bauer wurde auf kleiner Flamme gehalten. Und das war vor der Pandemie. Schämen sich die im Justizministerium tätigen Sozialdemokraten immer noch ihres Parteifreundes, der es trotz aller Anfeindungen nach seinem Tod zu Ruhm und Ansehen gebracht hat und nicht mehr ignoriert werden kann? Ihn ein halbes Jahrhundert nach seinem Ableben der jüdischen Gemeinschaft zuzuschlagen und als politischen Menschen zu ignorieren, kennzeichnet den Zustand einer Partei, die den unbequemen Mahner immer wieder im Regen stehen ließ, das letzte Mal genau einen Monat vor seinem überraschenden Tod mit der Zustimmung zu den von Fritz Bauer leidenschaftlich bekämpften Notstandsgesetzen.

 

Im Personalbogen des Hessischen Ministeriums der Justiz, Aktenzeichen IIb B 599, beantwortete Fritz Bauer nach seiner Rückkehr aus dem Exil die Frage nach seinem Glaubensbekenntnis mit »glaubenslos«. In der Rubrik mit der Frage, ob er politisch, rassisch oder religiös Verfolgter sei, bezeichnete er sich explizit als »Politisch Verfolgter« (Begleitbuch zu der Ausstellung »Fritz Bauer. Der Staatsanwalt«, Seite 189, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2014). Mit siebzehn Jahren schloss er sich der SPD an und bekämpfte später als Vorsitzender der Stuttgarter Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold die aufkommende Nazibewegung. Mit 27 Jahren wurde der hochbegabte Jurist zum jüngsten Amtsrichter der Weimarer Republik berufen. Die Nazis bezeichneten ihn als »jüdischen Amtsrichter«, der sein Amt politisch missbrauche, und warfen ihn gleich nach der Machtübernahme aus dem Justizdienst.

 

Zu den wenigen, die Fritz Bauer als politischen Menschen zu würdigen wissen, gehört die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Es sei tragisch für die SPD und Fritz Bauer gewesen, schrieb sie in dem erwähnten Buch, dass er mit seinen Grundforderungen und -thesen auch in der SPD nicht früher breitere Zustimmung und Unterstützung bekommen habe. Über die Umstände seiner Entlassung aus dem Richteramt äußerte sie: »Interessant ist die Begründung dafür, die feststellte, Bauer könnte zwar auch auf der Grundlage von § 3 des Nazi-Gesetzes ›zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‹ vom 7. April 1933 also aufgrund des ›Arierparagraphen‹ aus dem Amt entfernt werden, weil Bauer ja Jude war; gegen ihn käme jedoch wegen seiner Aktivitäten gegen die Nationalsozialisten die ›schärfere Bestimmung des § 4 zur Anwendung‹« (Seite 21). Der erste Satz dieses Paragraphen lautet: »Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden.«

 

Warum diese heimliche Ehrung, bei der Fritz Bauer als politischer Mensch ignoriert und in eine falsche Schublade gepackt wurde? Ist sie das Ergebnis der auch von dem vor wenigen Tagen verstorbenen Hans-Jochen Vogel beklagten Geschichtsvergessenheit der SPD, die vor zwei Jahren mit der Auflösung der Geschichtskommission beim Parteivorstand einen traurigen Höhepunkt fand?

 

Der Deutsche Journalisten-Verband erklärte in einer Stellungnahme, es sei mit Corona nicht glaubwürdig zu begründen, dass das Bundesjustizministerium »fast keine Presse« eingeladen habe, als die Büste für Fritz Bauer enthüllt worden sei. Merkwürdig sei auch, dass das Ministerium noch nicht einmal eine Pressemitteilung verfasst, sondern sich auf einen Tweet in Twitter beschränkt habe. Die rege Resonanz auf den Tweet zeige, dass es durchaus öffentliches Interesse an der Fritz-Bauer-Büste gebe.

 

Im Ossietzky Verlag erschien 2018 Kurt Nelhiebels Buch »Einem Nestbeschmutzer zum Gedenken. Texte zum 50. Todestag von Fritz Bauer«, 119 Seiten, 10 zzgl. 1,50 Versandkosten.