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Flaggentag der Bürgermeister für den Frieden  (Ekkehard Lentz)

Mit dem Hissen der grün-weißen Flagge mit der Friedenstaube appellierte das weltweite Bündnis der »Mayors for Peace« am 8. Juli an die Staaten der Welt, Atomwaffen endgültig abzuschaffen. Zum neunten Mal zeigten die »Bürgermeister für den Frieden« in diesem Jahr gemeinsam Flagge und setzten sich für eine friedliche Welt ohne Atomwaffen ein. An der deutschlandweiten Aktion nahmen 360 Städte teil, die größte dezentrale Aktion für Frieden und atomare Abrüstung in Deutschland.

 

Vereinzelte Kritiker sahen zum Beispiel bei Facebook in diesem Jahr darin lediglich eine symbolische Aktion. Ich halte die Symbolik dagegen für wichtig vor dem Hintergrund der Gefahren eines neuen atomaren Wettrüstens – 75 Jahre nach den US-Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki.

 

Der Flaggentag der Mayors for Peace erinnert jährlich an die völkerrechtliche Verpflichtung zur vollständigen Abrüstung aller Atomwaffen. In dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, das von dem Haupt-Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen vor 24 Jahren am 8. Juli 1996 veröffentlicht wurde, heißt es, dass die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen gegen internationales Recht und gegen Prinzipien des humanitären Völkerrechts verstoßen. Bei einem Einsatz von Atomwaffen könne zum Beispiel zwischen Soldaten und Zivilisten nicht unterschieden werden. Deshalb seien alle Staaten verpflichtet, mit Verhandlungen zur vollständigen Abrüstung der Atomwaffen zu beginnen. Das Gutachten ist zwar nicht bindend, aber dennoch von großer Bedeutung: Die Staaten der Weltgemeinschaft werden an ihre »völkerrechtliche Verpflichtung« gemahnt, ernsthafte Verhandlungen zur Beseitigung von Kernwaffen aufzunehmen.

 

Die Bürgermeister von Hiroshima und Nagasaki gründeten 1982 das Netzwerk Mayors for Peace. Aus der grundsätzlichen Überlegung heraus, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für die Sicherheit und das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger verantwortlich sind, versucht die Organisation durch Aktionen und Kampagnen die weltweite Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern und deren Abschaffung zu erreichen. Mehr als 7900 Städte aus über 160 Ländern gehören dem Netzwerk an – in Deutschland immerhin mehr als 680 Städte.

 

Mit der diesjährigen Aktion setzten sich die Bürgermeister für den Frieden für die Verlängerung des New-Start-Vertrages ein. Das von den USA und Russland unterzeichnete Abkommen trat 2011 in Kraft und läuft im Februar 2021 aus. Ebenso appellierten die Mayors for Peace an die Atommächte, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag von 2017 zu unterzeichnen.

 

Pünktlich zum Flaggentag veröffentlichten die Medien die Mut machenden Ergebnisse einer neuen Umfrage: Die deutsche Bevölkerung ist für den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland. Zweiundneunzig Prozent der befragten Personen sind dafür, dass die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet. Daraus würde resultieren, dass alle US-amerikanischen Atombomben aus Deutschland abgezogen werden müssten. Die aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag von Greenpeace ist im Netz zu lesen: https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/umfrage-atomwaffen-und-atomwaffenverbotsvertrag.

 

 

Mayors for Peace, der Flaggentag und Bremen – eine lange Geschichte

Bremen hat sich bereits 1984 unter Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) der Initiative »Mayors for Peace« angeschlossen. Daran erinnerte der Bürgermeister von Hiroshima, Tadatoshi Akiba, in einem Brief vom 16. August 2004 an Koschnick-Nach-Nachfolger Henning Scherf (SPD): »Seit 1992 haben wir keine Reaktionen aus Bremen mehr bekommen, deshalb freuten wir uns, von den Aktivitäten des Bremer Friedensforums zu erfahren. Wir wären sehr glücklich, wenn Sie wieder in unserer Initiative aktiv werden würden. Deshalb senden wir diesen Brief durch Ekkehard Lentz an Sie und drücken damit unsere Hoffnung aus, dass wir wieder gemeinsam für atomare Abrüstung arbeiten werden.«

 

Obwohl Scherf-Nachfolger Jens Böhrnsen (SPD) am 1. September 2006 der Initiative persönlich beitrat, beteiligte sich die Stadt jahrelang nicht an der Flaggenaktion. Die Begründung: »Bremen ist nicht nur Kommune, sondern auch Landeshauptstadt. Es ist so, dass die Beflaggung aus protokollarischer Sicht nicht geht, weil das Rathaus Sitz der Landesregierung ist und nicht ausschließlich kommunales Rathaus«, äußerte sich die Pressestelle des Senats im Jahr 2013 gegenüber dem Bremer Friedensforum. Das wiederum bedauerte seinerzeit: »Eine verpasste Gelegenheit, für eine atomwaffenfreie Welt zu werben.« Paul-Burkhard Schneider, Leiter des Büros für internationale Angelegenheiten in Hannover, der Partnerstadt Hiroshimas, und vom Büro Mayors for Peace in Deutschland, bedankte sich damals beim Bremer Friedensforum für sein Engagement. »Die Städte reagieren höchst unterschiedlich. Manche haben auch sehr enge (selbst gegebene) Vorschriften, ob überhaupt eine andere Flagge als die Stadtflagge gehisst werden darf. Vor diesem Hintergrund sind wir sehr dankbar für das in diesem Jahr überwältigende Interesse ... Jedes Jahr werden es mehr Städte. Vielleicht wird Bremen im kommenden Jahr auch dabei sein!« so Schneider vor sieben Jahren.

Im Jahr 2016 beteiligte sich Böhrnsen-Nachfolger Carsten Sieling (SPD) zum ersten Mal in bescheidener Weise am Flaggentag. An einem Pfeiler im Bremer Rathaus wurde die Fahne aufgehängt, nur zu sehen von Mitarbeitern und Gästen.

Vor zwei Jahren hatten aktive Menschen aus der Bremer Friedensbewegung zu einer eigenen Fotoaktion neben dem Bremer Rathaus eingeladen. Sie hissten die Fahne der Mayors for Peace auf den Speeren der gepanzerten Ritter zu Pferd am Ostportal des Alten Bremer Rathauses. Ihr Motto: »Wenn das Rathaus keine Flagge zeigt, dann müssen die Herolde ran. Herolde des Friedens fordern: Atomwaffen stoppen!«

2020 wurde nun zum ersten Mal die Fahne der Mayors for Peace am mittleren Flaggenständer des Bremer Rathauses weithin sichtbar gehisst. Das Bremer Friedensforum begrüßte ausdrücklich die Beteiligung Bremens und das Engagement von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD, seit 2019 im Amt), der sich auch mit einem kurzen Wortbeitrag auf Youtube für die atomare Abrüstung aussprach. Ein politischer Erfolg für die Friedensgruppen in Bremen, die sich jahrelang für eine öffentlichkeitswirksame Beteiligung der Stadt am Flaggentag einsetzten, siehe auch: https://www.bremerfriedensforum.de/1279/aktuelles/Flaggentag-Buergermeister-fuer-den-Frieden/.

Die Gruppen der Friedensbewegung sind gut beraten, im nächsten Jahr verstärkt den Flaggentag durch ein Zugehen auf die jeweiligen Rathäuser bundesweit zu unterstützen und sich im Bereich der Beflaggung mit zusätzlichen Informationen und Aktivitäten an die Bevölkerung zu wenden.

 

Weitere Informationen: Mayors for Peace Deutschland, c/o Landeshauptstadt Hannover, Büro Oberbürgermeister, Adresse: Trammplatz 2, 30159 Hannover, www.mayorsforpeace.de.