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Titel1615

Fritz Keller als Farbzauberer aus dem Rümpfwald  (Peter Arlt)

Expressives Gestalten außerhalb des Expressionismus drängt sich bei dem Maler Fritz Keller (1915–1994) vor Augen. In vehementer Weise, kraftvoll und doch sensibel, sind die Figuren in Nahsicht gemalt, mit kantiger, harter Linienführung, großflächig und vereinfacht angelegt, durchglüht von der Wärme eines reinen Rot und Gelb. Das einfache, ursprüngliche Leben, das Keller immer auf natürliche Weise als schön erschien und das er durch Wanderungen, Radtouren, Ausflüge erfahren hat, wurde später durch die künstlerische Phantasie auf eine sinnbildliche Ebene existentieller Lebensfragen gehoben. Im gesamten Werk Kellers ist die »spätromantische« Sehnsucht nach einer friedlichen Welt, sonniger Heiterkeit und Harmonie von Landschaft, Pflanze, Tier und Mensch spürbar, die der Glauchauer in der für ihn wunderbaren Muldenlandschaft fand.


Zum 100. Geburtstag zeigt noch bis 30. August Museum und Kunstsammlung Schloss Hinterglauchau »Von der Magie der Farbe«, wie Susanne Hebecker die von ihr vorbereitete Sommerausstellung nennt (geöffnet: Di-Fr 9-12 und 13-17 Uhr, Sa/So 13-17 Uhr). Wie der Maler ans praktische Werk ging, veranschaulicht das Heimatmuseum in einer Raumecke als Atelier mit Staffelei, Farbtöpfen, Pinseln, Palette und Farbmischbrett. Öl- und Gouache-Malereien mit nackten jungen Menschen, zarte Geschöpfe am Lebensbeginn, die Vision eines arkadischen Lebens anklingen lassend, dagegen das »Selbst« mit gefesselten Händen (1978), Bilder mit Sonnenblumen und Taglilien, mit der Hafflandschaft, die Keller neben der heimatlichen, dem westsächsischen Erzgebirgsvorland mit den Flussauen, Fluren und dem benachbarten Rümpfwald, liebte. Das Gelb eines Rapsfeldes war eine Art naturgewachsener Expressionismus. Wie Fritz Keller die Raumperspektiven im Bild wechselt, ein hochgeklapptes Meeresstück in die Bildfläche rückt oder ein weidendes Pferd in Seitenansicht auf den unteren Bildrand stellt oder die Sonne wie eine gerahmte Blume auf die Dächer der Häuser herunterzieht, das verrät souveräne Gestaltung und Gelassenheit. Keller ist auch ein Meister des Tierbildes. Panthern, Katzen, Rehen, Stieren, Büffeln, Schwänen, doch vor allem Pferden hat er sich immer wieder zugewandt. Er reiste wiederholt zu den Zoos in Leipzig, Dresden und Halle, auch zum Tierpark Burg Mildenstein, um die Schönheit der Tiere erneut zu genießen und lebendige Eindrücke von ihnen zu gewinnen.


Schon 1943 zeigte Keller in Glauchau seine erste Personalausstellung mit Selbstbildnissen, Landschaften, Raubtieren, spielenden Katzen, also Motiven, die ihn zeit seines Lebens interessiert haben. Ihre Form war damals eher »akademisch«. Sein Studium an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe zu Leipzig von 1935 bis 1938 und kriegsbedingt einige Monate in den Jahren 1941–43 umfasste exaktes Zeichnen nach der Natur, Anatomie, Tierkunde, Schrift, grafische Kurse, Kunstgeschichte. Seine frühen Bilder, die Glauchau auch zeigt, sprechen dafür, dass er die Realismus-Forderung spielend hätte erfüllen können. Doch Expressionismus erschien nach 1945 als ein künstlerischer Hauptweg zum Anknüpfen an die Moderne und zur Erneuerung der deutschen Kunst. Die Erinnerung an die expressionistischen Künstler der »Brücke« war vor allem in Sachsen lebendig geblieben, Kellers Vorbild war Karl Schmidt-Rottluff. Kellers teils expressionistische wie konstruktive Bildform, bei welcher man erst die gestaltete Form sieht, danach das Sujet, beschreibt andeutungsweise seine »authentische, in sich definierte Malerei« (Michael Freitag).


Als 1958 in Karl-Marx-Stadt heftig über Kunst gestritten wurde, fiel gegenüber Fritz Keller das Schimpfwort »wilder Mann«, das zwanzig Jahre später als saloppe Anerkennung gegolten hätte. Mit solcher vom Formalismuswahn festgelegten »Rückständigkeit« geriet der Westsachse Keller zu einem Teil jener »verlorenen Generation«; denn er war nicht auf den Zentralen Ausstellungen in Dresden vertreten und republikweit unbekannt. Zurückgezogen und als langjähriger Kunsterzieher, aber mit Kontakten zu geistesverwandten Künstlern, wie Heinz Tetzner und Gerhard Klampäckel, malte Fritz Keller unverdrossen, ein opulentes Werk von etwa 3000 Gemälden. Doch missachtet zu sein, ließ ihn unwirsch, kompliziert und konfliktbereit werden. Sein Selbst mit dem unheimlichen Blick eines Auges zeigt, wie man ihn nannte: der finstere Keller. Zwar versuchte Keller durch Einlenken auf die offizielle Themenhierarchie in der DDR die gewünschte Anerkennung zu gewinnen, reichte Bauernkriegs-, Erschießungs- und Politiker-Bilder von 1978 bis 1981 ein, ohne damit Erfolg zu haben. Etwas anders bei einem großen Gemälde von den Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 in Berlin (DDR), das in Glauchau zu sehen ist, mit einem zum sozialistischem Realismus mutierten Personalstil, der als Ausnahme einen Hinweis gibt, wie durch kunstpolitische Ungereimtheiten in der DDR Schöpfertum zerstört worden ist. Erst zu seinem 70. Geburtstag, vor allem nach 1990, tauchte Keller aus einer gewissen »Verschollenheit« auf. Seine Bilder sind zu erleben mit dem von ihm empfundenen Leben, das verwurzelt in der Natur und allen Mitgeschöpfen zugeneigt, ein harmonisches Einssein des Menschen mit der Natur bietet, das er an Flecken realer Wirklichkeit ins Ideale steigerte und ihre mannigfaltige Schönheit feierte, ein Farbzauber voll glühendem Leuchten.