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Titel1710

Spendabel  (Arno Klönne)

Es sei nur ein Gag des derzeit modischen Medienphilosophen, vermuteten Kritiker, als Peter Sloterdijk die Ablösung des Steuerstaates durch die Spenden-Gesellschaft proklamierte. Aber siehe da, der Einfall erwies sich als durchaus politiknah: Bill Gates und Warren Buffet, zwei Spitzenleute in der internationalen Vermögenshierarchie, riefen das Zeitalter der privaten Wohltätigkeit aus. »So sanieren Milliardäre die Welt«, titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, und Claudia Roth, Vorsitzende der Grünen, hat nun neue »Vorbilder«.

Der Auftritt von »Big Spendern« und der Beifall für sie kommen aufmerksamkeitsstrategisch gerade passend, um die nach den kostspieligen Rettungsschirmen für die Finanzwelt naheliegenden Forderungen nach höheren Vermögenssteuern zu übertönen und abzublocken. Wenn die Superreichen freiwillig ihr Geld dem Gemeinwohl opfern, brauchen die Finanzämter sie nicht mehr zu belästigen. Philanthropen muß man doch nicht mit nörgelnden Fragen malträtieren, etwa diesen: Welchen Anteil denn Lohndrückerei und Preistreiberei an ihrer Vermögensbildung haben? Wer bei ihren Finanzspekulationen die Verlierer waren und sind? Welche Kosten privater Kapitalvermehrung sie dem Staat aufgebürdet, also »sozialisiert« haben? Wie hoch die steuerlichen Vorteile ihrer Spendabilität liegen, wie viel an Steuern so den öffentlichen Haushalten entgeht? Und was »Gemeinnützigkeit« bedeutet, wenn Milliardäre eigenmächtig entscheiden, wem die Spenden zufließen?

Wer so fragt, zieht den Vorwurf der Undankbarkeit auf sich. »Wohltäter«, ermahnte uns jetzt ein Leitartikler der Frankfurter Allgemeinen, stelle man nicht »unter Verdacht«.

Ein neues Gesellschaftsmodell: Milliardäre und Millionäre werden von der Steuer befreit, damit sie als Wohltäter aktiv werden können; wofür sie spenden wollen, werden sie ja selbst am besten wissen. Spendenempfänger haben sich dankbar zu zeigen.

Ganz aber kann der Steuerstaat nicht verschwinden, denn auch die Großvermögenden brauchen den Schutz der Polizei, wünschen manchmal auch den Einsatz der Militärs, außerdem den Bau von Straßen, Flughäfen und so weiter, und gelegentlich brauchen sie auch staatliche Rettungsschirme. Damit dies finanziert werden kann, wird der Staat weiterhin die zahlreichen Kleinverdiener und die Massen von Konsumenten besteuern.

Das Volk hat dafür zu sorgen, daß es den Milliardären und Millionären gut geht, sonst könnte ja Schluß sein mit ihrer Spendabilität.