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Titel1710

20 Jahre Kammeroper Rheinsberg  (Jochanan Trilse-Finkelstein)

»Was ist das Besondere, das Einmalige? Die glückhafte Verbindung von Natur, Musik und Architektur mit dem Charme junger Stimmen an einem kulturhistorischen Ort inmitten einer idyllischen Landschaft.« So der Begründer des Festivals, der Komponist Siegfried Matthus.

Damals spotteten manche: Ein neuer Virus zur um sich greifenden Festivalitis! Die Vermutung lag nahe. Neben Bayreuth, Salzburg, Edinburgh, Prag und Wien veranstalten viele Orte, die ein Schloß oder wenigstens eine Ruine oder eine Tradition haben, Sommerfestspiele, um den Tourismus zu beleben. In den besten Fällen treffen sich dort – außerhalb der großstädtischen Konzert- und Opernsaison, engagierte Künstler, um neue Spielweisen zu erproben, alte Werke zu entdecken oder sich n neuen zu versuchen. Manche Festspiele sind ermüdend geworden, Bayreuth zum Beispiel mit seinem ewigen Kanon von elf Werken. Das neue Festival am Grienericksee ist ein Festival für junge Sänger mit der Begrenzung auf 35 Jahre. Die Teilnehmer werden in Wettbewerben ermittelt, denen sich inzwischen mehr als 8000 Nachwuchskünstler aus den meisten Ländern dieses Planeten, wo Musik europäischer Tradition gepflegt wird, gestellt haben. Etwa 500 wurden ausgewählt und durften an den 65 Inszenierungen mitwirken in großen und kleinen Partien in 350 Vorstellungen vor mehr als 300.000 Besuchern.

Die meisten haben sich inzwischen in ihrem Beruf durchgesetzt, einige singen jetzt auf den besten Bühnen der Welt: Argis Agiris, Annette Dasch, Marco Jentzsch, Claudia Barainsky, Susanne Elmark, Andreas Karasiak, Hyun Ju Park, Friedemann Röhlig, Camilla Tilling – darauf kann Rheinsberg stolz sein. Des Gründers und Meisters Matthus Oper »Cornet« (nach Rilke) eröffnete 1990, damals mit Barainsky, das erste Fest, sein Hauptmotiv erklingt seither als Anfangs- und Pausensignal. Ansonsten hält sich Matthus mit seinen eigenen Werken zurück, macht kein Matthus-Festival daraus. Nur sein »Kronprinz Friedrich« folgte 1999 (wiederaufgenommen 2000 und 2001) anläßlich der Eröffnung des wiedererrichteten Schloßtheaters und der Jahrhundertwende, außerdem ein Benefizkonzert »Die Macht des Gesanges« mit Werken von ihm.

Die kleine Stadt im Norden Brandenburgs ist reich an Spielorten. Anfangs spielte man direkt vor dem Schloß, und zwar die einzige Strauss-Oper, die hierher paßt: »Ariadne auf Naxos« – den komödischen ersten Akt mit dem Sängerstreit im Schloßhof, die runde Rasen-Insel war die der Ariadne, Theseus kam vom See. Das Orchester (damals unter Christian Thielemann) konnte in den Kolonnaden musizieren – es war traumhaft schön.
Später konnte diese »Insel« aus denkmalpflegerischen Gründen nicht mehr genutzt werden. Dafür kam ab 1999/2000 das seit der Schlacht um Berlin 1945 schwer beschädigte Schloßtheater hinzu, außen historisch, innen modern gestaltet, mit etwas über 300 Plätzen, sehr begehrt. Freilich nicht geeignet für größere Produktionen.

Dafür hat man das Heckentheater im Park, wo fast 1000 Zuhörer Platz finden. Hier kann man Opernwerke in der Größenordnung bis Verdis »Falstaff« und Mozarts »Don Giovanni« aufführen. Die umgebenden alten Bäume – meist sehr gut an- und ausgeleuchtet – spielen mit. Ganz ohne Nachteil ist dieser wunderschöne Platz, hier einfach »Hecke« genannt, freilich nicht. Wenn es der Wind gut meint, singen die Bäume auf ihre Weise mit. Wenn Orchester und Sänger indes auf piano, gar pianissimo eingestellt sind, klingt das nicht gut zusammen. Mancher Dirigent verzweifelte fast daran. Und noch ein böser Feind wartet mitunter hinter Bäumen und Wolken: der Regen. Da geht gar nichts mehr am lieben Ort, selbst wenn der Regen kurz vor der Vorstellung aufgehört hat: Die Luft ist zu feucht, und da streiken die Orchester, die Streicher und Holzbläser können keinen sauberen Ton mehr halten.

Ein Auswege führte früher in eine Art Industriehalle, die freilich so poetisch wie war wie ein Rinderstall. Seit einigen Jahren steht die neue Mehrzweckhalle namens Arena bereit. Der Zauber der Hecke ist weg, aber die Musik erklingt so streng wie sauber, und man hört die Sänger original, also ohne Kehlkopfverstärker.

Mehr im nächsten Heft.