Bruch der Zivilklausel
Unter der Überschrift »Hochschule kooperiert für den Cyberkrieg« hat Ossietzky in der Ausgabe 13/2016 darüber berichtet, dass in Bremen die im Hochschulgesetz des Landes verankerte Zivilklausel unterlaufen wird.
Der nach längerer Geheimhaltung inzwischen öffentlich gewordene Kooperationsvertrag zwischen der Hochschule Bremen und dem »Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr« legt in § 1 fest, »regelmäßig ca. 10 Studierende im ›Internationalen Frauenstudiengang Informatik-Dual‹ an der Hochschule ausbilden zu lassen und den Hochschulgrad Bachelor of Science zu ermöglichen«.
Im Gegenzug übernimmt die militärische Seite die Zahlung der Studiengebühren (Semesterbeitrag für die Verwaltung, das Studentenwerk, den AStA und das Semesterticket), und sie beteiligt sich mit einem Betrag von 250 Euro pro Monat und Studentin an den Ausbildungskosten. In § 2 des Kooperationsvertrages werden Ausbildungsmodalitäten vereinbart, die einen Studienverlaufsplan vorsehen, bei dessen Festlegung »die jeweiligen Belange der Vertragspartner Berücksichtigung finden«. Das bedeutet: Die militärische Seite ist berechtigt, ihre Vorstellungen und Erwartungen geltend zu machen. Ein klarer Verstoß gegen die Freiheit der Lehre.
Gegen die Vereinbarung erheben sich Proteste der Studierenden und Lehrenden. Das Bremer Friedensforum spricht von einem klaren Verstoß gegen die Zivilklausel und fordert die Annullierung des Vertrags. Selbst der Bremer Weser-Kurier, die örtliche Tageszeitung, schlussfolgert: »Natürlich verändert es einen Studiengang, wenn die Bundeswehr direkter und bislang einziger Kooperationspartner für das Fach wird.« In einem Kommentar der Zeitung vom 20. August schreibt Sara Sundermann: »Doch wenn die Zivilklausel in solchen Fällen nicht greift, verkümmert sie zum Papiertiger.« Die vereinbarte Kooperation der Hochschule mit dem militärischen Zahlmeister verstößt gegen die Zivilklausel und die Grundgesetzgarantie der Freiheit von Forschung und Lehre.
Rudolph Bauer
Unsere Zustände
Modernes Märchen: Es war einmal ein Politiker, der sich vor sein Volk hinstellte und sagte: Ich trage eine Mitschuld.
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Die am Tisch sitzen, um über den Frieden zu verhandeln, tragen Atombomben in ihren Hosentaschen.
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Romantiker sehen, wie aus einem hässlichen Frosch eine schöne Prinzessin wird. Realisten braten aus ihm Froschschenkel.
Wolfgang Eckert
Politik als Teil des Lebens
Im September kommt die Grande Dame der einstigen italienischen Linken, Luciana Castellina, nach Berlin, Hamburg, Ludwigshafen und Frankfurt am Main, um von der Entdeckung ihrer (nicht nur politischen) Welt zu erzählen, einer Welt mit weiter gespannten Zukunftsperspektiven vor 70 Jahren als heute. Castellina ist neben der noch älteren und körperlich nicht mehr so agilen, aber schon fast legendären Rossana Rossanda, die sich nach Paris zurückgezogen hat, nicht nur die Mitbegründerin der »manifesto«-Gruppe (die wegen Linksabweichung 1969 aus dem PCI ausgeschlossen wurde und bis heute die anspruchsvolle Tageszeitung il manifesto herausgibt), sondern hat ein langes aktives politisches Leben in verschiedenen Formationen der Linken hinter sich und ist eine intime Kennerin auch Europas, in dessen Parlament sie zwanzig Jahre lang saß.
Dieser Erfahrung entspringt ihr jüngstes, äußerst kritisches »Manuale antiretorico dell'Europa«, ein Handbuch über die Entwicklung der EWG/EU seit 1957, in dem sie den offiziellen Europadiskurs als Ideologie entlarvt.
Auf Deutsch liegt nun ihr 2011 erschienener Rückblick auf die Kriegswende in Italien seit dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 vor, entstanden anhand jener Tagebuchaufzeichnungen, die die 14-jährige bis kurz nach ihrem Eintritt in die PCI, Ende 1947, festhielt. Sie reflektiert unter anderem auch die außergewöhnlichen Ereignisse dieser Zeit aus jugendlicher Distanz: den Fortgang des Krieges nun gegen Deutschland, die Resistenza, die Nachkriegswende hin zum Kalten Krieg. Luciana Castellina brachte, aus einem privilegierten sozialen Umfeld kommend, sicher die nötigen Voraussetzungen mit, um die komplexen Ereignisse einschätzen und produktiv verarbeiten zu können, so heißt es in den einführenden Worten ihrer Tochter Lukrezia Reichlin: »Dies ist eine Mikrogeschichte der Entdeckung des Lebens, eines sich unter Schwankungen und Ängsten entwickelnden großen Bedürfnisses, das Leben in seiner Gesamtheit zu umarmen, zu sein, teilzunehmen und vor allem, das Leben zu gestalten.« Politik als untrennbarer Teil des Lebens – diese Grundüberzeugung trägt und bewegt Luciana Castellina bis heute. Nach ihren eigenen Worten hat ihr Eintritt in die Kommunistische Partei (PCI) die 18-Jährige damals davor bewahrt »dumm zu bleiben – was geschehen wäre, wenn ich nicht aus dem Ghetto meiner Herkunft hinausgegangen wäre und nicht die Möglichkeit gehabt hätte, mit meinen ›andersartigen‹ Genossen die schönste Leidenschaft zu teilen: den Versuch, die Welt zu verändern.«
Eine gut lesbare Übersetzung, angereichert durch 167 ausführliche Fußnoten zum Verständnis der zitierten Namen und Ereignisse sowie einige Fotos, gibt dem deutschen Leser einen besonderen Einblick in italienische Verhältnisse, die so ganz anders waren und sind als seine eigenen.
S. B.-K.
Luciana Castellina: »Die Entdeckung der Welt«, aus dem Italienischen übersetzt von Christiane Barckhausen-Canale, Laika-Verlag, 216 Seiten, 21 €; Veranstaltungstermine siehe unter: www.laika-verlag.de/termine-aktuell
Dialoge im Schloss Güstrow
Noch bis zum 4. September sind im Schloss Güstrow Arbeiten von Horst Hirsig und Rolf Kuhrt unter dem Titel »Dialoge« zu sehen. Die beiden Künstler lebten, arbeiteten und lehrten bis 1990 in zwei unterschiedlichen politischen Systemen – Rolf Kuhrt an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, Horst Hirsig an der Hochschule der Künste in Westberlin, ab 1993 an der Hochschule für bildende Künste in Dresden.
Im Vorwort des Katalogs schreibt der Direktor des Staatlichen Museums Schwerin Dirk Blübaum: »Das Staatliche Museum Schwerin / Ludwigslust / Güstrow ist Horst Hirsig und Rolf Kuhrt seit längerem verbunden. Horst Hirsig stellte bereits 1998 in Schwerin eine damals aktuelle Werkgruppe aus. Das Museum ist im Besitz eines seiner Gemälde, dessen Eigentümer Herr Müller-Praefcke ist und das mit besonderer Freude in die Ausstellung integriert wurde. Rolf Kuhrt war 2011 auf Schloss Güstrow mit einzelnen Gemälden in einer Ausstellung zur Leipziger Malerei in der DDR vertreten sowie wiederholt mit Arbeiten, die das Land Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2013 von ihm erworben hat. In der Mittelaltersammlung auf Schloss Güstrow zeigen wir dauerhaft sein ›Kruzifix‹ von 1992, ein Schlüsselwerk seines skulpturalen Schaffens.«
Die Kindheitserfahrungen von Krieg und Nachkriegszeit haben die zwei Künstler geprägt. Beide erlebten die Entwicklung der zwei Deutschen Staaten, den Bau der Mauer wie 28 Jahre später deren Fall. Sie beobachteten die Aufrüstung von NATO und Warschauer Pakt, auch das Scheitern politischer Hoffnungen, besonders das von Salvador Allende in Chile. Kuhrt und Hirsig sind politische Menschen, die über ihre Arbeiten in der Gesellschaft Stellung beziehen. Im politischen Diskurs besteht ihre größte Übereinstimmung, das wohl auch aus der Summe von mehr als sechzig Jahren. Entwickelt haben die beiden Künstler ihre eigene und individuelle Bildsprache. Rolf Kuhrt ist der figurativen Gestalt, kurz dem Realismus verpflichtet Anders Horst Hirsig, der seine Bildsprache ans Abstrakte anlehnt.
An der Leipziger Hochschule hatte die künstlerische Erberezeption eine hohe Bedeutung in der Lehre, in der Bundesrepublik und Westberlin galt die umgekehrte Regel. Diese Grundsätze, so scheint es, lassen sich bis heute im gesamten Werk der beiden Künstler sehen. So sagt Horst Hirsig: »Das gefühlte Denken ist die eigentliche Qualität oder die Grundlage des Schöpferischen, weil dieser Dialog zwischen dem Gefühlten und dem Gedachten sowohl den Anteil des Romantischen als auch den des Aufklärerischen in sich trägt.« Rolf Kuhrts Sicht: »... solange man das noch machen kann, solange man sich mit der menschlichen Figur tief einlässt, und sich an der Tragik oder der Last, die da zu tragen wäre, immer wieder reibt, ist das an sich ein positiver Vorgang.«
Gezeigt werden von beiden Künstlern Malerei und Arbeiten auf Papier, von Rolf Kuhrt auch Skulpturen und Buchillustrationen.
Karl-H. Walloch
»Dialoge«, Staatliches Museum Schloss Güstrow, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr; Katalog 56 Seiten, 14 €
Lässliche Sünden
Bemerkung zu Ralph Hartmanns Artikel »Keiner hat die Absicht« in Ossietzky 16/2016: Dass Politiker lügen, ist beängstigend genug. Aber dass ein Staatsoberhaupt nicht weiß, was zwei Monate später in dem Staat, für den er die Verantwortung trägt, passieren wird, ist noch um ein Vielfaches beängstigender. Dass die Bundestagsabgeordnete Petra Hinz über ihren Lebenslauf gelogen hat, ist schlimm. Aber weitaus schlimmer ist es, dass die Medien und die öffentliche Meinung suggerieren, das Abitur oder ein akademischer Grad, den jeder Trottel erwerben kann, wenn er aus einem Elternhaus kommt, das ihn dazu motiviert und das nötige Kleingeld bereitstellt, besagten irgendetwas über die Qualifikation für ein politisches Mandat. Lügen erscheinen als lässliche Sünden im Vergleich zur Verantwortungslosigkeit von Politikern und zur Arroganz von Akademikern.
Thomas Rothschild
Liaisong auf dem Darß
Sie passen gut zueinander, im Leben wie auf der Bühne, die blonde Frau und der hochgewachsene Mann mit dem lockigen grau melierten Haar; singfreudig beide – ein Künstler-Duo, das sich Liaisong nennt. Charmant, bildhaft und stets kurzweilig moderiert Dunja Averdung die Auftritte, leitet über zum eigenen Auftritt und zugleich auch zu Jörg Nasslers virtuosem Gitarrenspiel. Als jüngst die beiden in der Fischerkirche zu Born am Darß ihre Liederauswahl »Mit fremden Federn« vorstellten, wurde gleich klar, sie hatten es verinnerlicht, hatten sich die Lieder so zu eigen gemacht, dass die, die diese Lieder schrieben und vertonten, höchst angetan gewesen wären. Der meist so lässige Manfred Krug, dem es, wenn nötig, an Biss nicht fehlt, hätte seiner sanften Komposition »Wenn du schläfst mein Kind« wohlwollend zugehört, Veronika Fischer ihren »Sommernachtsball« bejubelt, Paul McCartney bei Jörg Nasslers Singen von »Blackbird« beide Daumen gereckt, und so manchem Mexikaner wäre bei ihrem »Bésame mucho« das Herz aufgegangen. Fremde Federn? Russischer als Dunja Averdung Jewtuschenkos »Nachthexen« gesungen hat, war das Loblied auf jene todesmutigen Sowjet-Pilotinnen im Zweiten Weltkrieg nicht vorzutragen – in wie vielen Sprachen noch, so fragte man sich, würde das Duo sich zukünftig bewähren, bei größter Identifikation mit dem fremden Liedgut. Und immer wieder erstaunte ihre Bühnenpräsenz, die voller Verve, Esprit und Anmut war. »Mit fremden Federn« verging wie im Fluge.
Walter Kaufmann
Beeindruckend
Zwei sich widersprechende Bemerkungen, die ihr immer wieder begegneten, bewogen die Autorin zu diesem großartigen Kompendium: Die einen meinten, wenn von jüdischen Schicksalen oder jüdischem Leben die Rede war, »haben wir alles gedreht und gesendet«, während andere immer wieder beteuerten, in der DDR nichts darüber gehört zu haben. Ganz wird dieser Widerspruch wohl nicht geklärt werden, aber nun kann man präzise nachweisen, was die Leugner alles nicht zur Kenntnis genommen haben. Zahlreiche Spiel- und Dokumentarfilme liefen in Kino und Fernsehen. Beginnend mit »Ehe im Schatten«, über »Die Bilder des Zeugen Schattmann«, »Jakob der Lügner« bis hin zu »Die Schauspielerin« dokumentiert Elke Schieber alle Filme in DDR-Produktionen und darüber hinaus alle Sendungen im »Augenzeugen« und in Fernsehmagazinen, erfasst Reportagen, Interviews und biografische Darstellungen bekannter oder auch nicht so berühmter jüdischer Männer und Frauen. Größte Hochachtung vor dieser Fleißarbeit und der lexikalisch genauen und sachlichen Darstellung!
Im Vorwort verschweigt Elke Schieber außerdem nicht, dass es durchaus zuweilen »Bauchschmerzen« der DDR-Oberen vor manchem Unternehmen gab und Bestrebungen, einiges zu verschweigen oder kleinzuhalten. Doch angesichts der Fülle und Qualität des Gesendeten waren die Bedenkenträger wohl in der Minderheit und konnten sich letztlich selten durchsetzen.
Christel Berger
Elke Schieber: »Tangenten. Holocaust und jüdisches Leben im Spiegel audiovisueller Medien der SBZ und der DDR 1946 – 1990. Eine Dokumentation«, DEFA-Stiftung, Verlag Bertz und Fischer, 692 Seiten, 29 €
Mitbringsel
Wir fahren mit dem Auto durch Deutschland. Nicht auf der Autobahn, wo man links und rechts Schallschutzwände sieht. Nicht in der Dunkelheit, wo man fast gar nichts sieht. Nur kleine Strecken, dann wandern oder schlendern wir.
Lutherstadt Wittenberg bereitet sich auf das Reformationsjubiläum 2017 vor. Das Geschäft läuft schon an. Den Reformator Martin Luther gibt es für 15 Euro: aus Hartplastik in verschiedenen Farben, auch schwarz-rot-gelb-gestreift. Der »Wittenberger Hof« bietet auf der Getränkekarte »Lutherwein« an. Herkunftsbezeichnung: Südfrankreich.
Die »Klosterschänke« in Bad Herrenalb wirbt: »Herein, herein die lieben Gäste / mit viel Geld das ist der Beste.«
In Idar-Oberstein müssen wir, um von Oberstein nach Tiefenstein zu gelangen, mehrere Kilometer bergauf wandern oder fahren; dabei plätschert uns der Idar-Bach entgegen. Seltsam. Aber wir kennen etwas Ähnliches aus Nordwestdeutschland: Friesland liegt östlich von Ostfriesland.
Ärgerlich sind fehlende oder fehlerhafte Schilder. Eine Radfahrerin klagt wie wir: Geradeaus war die Strecke mehrmals beschildert, aber als sich der Fahrweg gabelte, fehlte jeder Hinweis. Irreführung. Weite Umwege. Zeit- und Kraftverluste.
In Tübingen auf dem Marktplatz bitte ich zwei Polizisten, die einen Aufmarsch von Tierschützern beaufsichtigen, um eine kleine Auskunft: Wie finden wir durch das Gewirr der Einbahnstraßen zu unserem Hotel? Der eine versucht vergeblich, es uns zu erklären, der andere sagt mehrmals, das sei sehr, sehr schwierig. Beide kennen die Straßennamen nicht. Drei weitere Polizisten kommen und hören aufmerksam zu. Es stellt sich heraus, dass wir ohne Navigationsgerät unterwegs sind. Die Beamten schütteln die Köpfe. Ich sehe, dass einer von ihnen einen kleinen Stadtplan bei sich hat. Ich frage, ob er mir den verkaufen kann, dann würde ich mich wohl zurechtfinden. Nein, unmöglich. Aber per Handy dürfe ich den Plan fotografieren, bietet er mir an. Als ich gestehe, dass ich nicht einmal ein Handy besitze, bin ich unten durch. Alle fünf Polizisten wenden sich ohne jedes weitere Wort ab.
Ein Ortsschild: »Neuärgerniß, Kreis Greiz«. Das ß muss für alle Lehrer der alten und der neuen Orthographie ein Ärgernis sein.
In der Burg Bernburg, hoch über der Saale, ist eine Baustelle mit großen Tüchern verhängt. Draufgedruckt sind Porträts anhaltinischer Grafen und Fürsten. Christian III. und Leopold I. werden je als »ein starkes Stück Anhalt« gewürdigt. Nach Adam Riese zwei Stück. Dazwischen als »einer von uns« der Komponist Kurt Weill. Ob der von dieser Verwandtschaft geahnt hat?
Eckart Spoo
Max Mustermann
Man will es einfach nicht glauben …, aber neulich las ich in einer Zeitung: Der deutsche Durchschnittsmann ist 1,78 Meter groß und mit 82 Kilogramm leicht übergewichtig. Na prima, da bin ich fast Durchschnitt. Immerhin einen Zentimeter größer, und über die zusätzlichen Kilos decke ich den Mantel des Schweigens.
Außerdem hat eine Forschungsgruppe den deutschen Mann statistisch durchleuchtet und auf diesem Wege einen »Max Mustermann« herausgefunden. Dabei traten bemerkenswerte Eigenheiten zutage: Max fährt VW Golf, spricht ungefähr 16.000 Wörter am Tag und trinkt derweil im Durchschnitt 1,5 Tassen Kaffee und 0,35 Liter Bier. Dazu raucht er noch vier Zigaretten, und beim Frühstück bevorzugt er Käse und Wurst. Der Mustermann braucht länger im Bad als seine Musterfrau, die übrigens Sabine heißt. Er besitzt 23,4 Hemden und wechselt nur zwei Mal im Jahr seine Zahnbürste. Igittigitt.
In seinem Leben hinterlässt dieser Musterknabe 25 Handys, sieben Fernsehgeräte, zwölf Computer – zusammengenommen mit den Tausenden von Bierbüchsen ein ziemlicher Schrotthaufen. Insgesamt 13 Stunden und 14 Minuten sitzt er pro Woche vor der Glotze. Selbstverständlich fehlten auch einige pikante Angaben nicht. Schließlich ist ja von öffentlichem Interesse, wie oft dieser Durchschnittstyp seine Unterwäsche wechselt oder an Sex denkt.
Da möchte ich am liebsten »Hilfe, ich bin kein Max Mustermann« schreien. Schließlich fahre ich Mazda, rauche nicht, habe nur 18 Hemden, bin ein Handy-Muffel, und Wurst zum Frühstück mag ich nicht, außerdem heißt meine Frau nicht Sabine.
Manfred Orlick
Zuschrift an die Lokalpresse
»Belohnung nach Brand in Gera ausgelobt« war eine Nachrichtenspalte der Ostthüringer Zeitung vom 23. Juli überschrieben. Unbekannte hatten den Schlaf- und Speisesaal eines ehemaligen Ferienlagers heiß saniert, was offensichtlich im Nachhinein besonders anerkannt werden sollte, aber die Akteure hatten weder ein Bekennerschreiben noch eine Anschrift am Brandherd hinterlassen. Dadurch können die ausgelobten 500 Euro nicht zugestellt beziehungsweise keinem wohltätigen Zweck zugeführt werden.
Das Versäumnis lehrt, dass auch derartige Vorkommnisse durch die Täter ordnungsgemäß buchhalterisch begleitet werden müssen. Vielleicht sollten dafür auch Formulare oder digitale Techniken entwickelt werden, die ohne großen Zeitaufwand vermittelt und eingesetzt werden können.
Für die Redakteure solcher Meldungen ergibt sich jedoch auch die Frage, ob durch eventuell nicht ganz eindeutige und korrekte Formulierungen ein falsches Bild von einem Hergang entstehen könnte. – Dagobert Knobelsdorf (67), Deutschlehrer i. R., 09618 Brand-Erbisdorf
Wolfgang Helfritsch