»Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist.« So lautet eine alte Bauernregel, die irgendwie zum Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg passt. Noch nie sah man so glückliche Verlierer und so frustrierte Gewinner. In Sachsen stellt die CDU trotz hoher Stimmenverluste auch künftig den Ministerpräsidenten, in Brandenburg die SPD. Ein vorzeitiges Ende der Großen Koalition in Berlin wird es nicht geben, wer auch immer als Sieger aus dem Gerangel um die künftige Führung der SPD hervorgeht.
Erleichterung allerorten, dass die AfD nicht stärkste Partei wurde. Ein Zeichen dafür, wie weit besonders die beiden sogenannten Volksparteien ihre Erwartungen heruntergeschraubt hatten. Ist die Partei des ehemaligen CDU-Mitglieds Gauland wirklich das größte Problem für die Demokratie, wie die Grünen-Politikerin Göring-Eckardt am Wahlabend sagte? Das dürften wohl eher die Verhältnisse in unserem Land sein, auf denen gediehen ist, was sich rechts von der CDU aufplustert. Und es ist die große Kluft zwischen dem, was die Menschen denken und was die Parteien sagen.
Der große Stimmungswandel hat 2015 eingesetzt, als hunderttausende Opfer des Kampfes um Öl und andere Bodenschätze aus dem Nahen Osten und aus Afrika unkontrolliert hereinströmten und die demokratischen Parteien nicht wahrhaben wollten, dass das vielen Menschen Angst machte. Jeder Zweite in Deutschland hat inzwischen Vorbehalte gegen den Islam, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung ergab. Die AfD nahm sofort Witterung auf und machte sich zum Fürsprecher der Verängstigten. Mit ihrem deutsch-völkischen Vokabular konnte sie sich alsbald auf Trumps stupides »America first« berufen.
Die Linke in ihrem Elfenbeinturm, paralysiert von Angela Merkels »Wir schaffen das«, dachte, mit der sozialen Frage punkten zu können, redete aber an den Menschen vorbei. Zerknirscht gestand ihre sächsische Spitzenkandidatin am Wahlabend ein: »Wir haben Politik von oben gemacht.« Die Rolle des Kümmerers übernahmen im Osten die Rechten. Selbst mit ihrer Haltung gegenüber Russland grub die AfD der Linken dort das Wasser ab. Sahra Wagenknecht, die die offene Flanke ihrer Partei erkannte, wurde weggemobbt. Jetzt ist der Jammer groß.
Dabei liegen die Probleme auf der Straße. Jede zweite Altersrente in Deutschland liegt unter 900 Euro, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervorgeht. Betroffen sind 9,4 Millionen Menschen. Die Armutsschwelle liegt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für einen Einpersonenhaushalt bei 1035 Euro. Und das in einem Land, das 2019 im ersten Halbjahr 45,3 Milliarden Euro mehr eingenommen hat als erwartet und das sich in diesem Jahr Militärausgaben in Höhe von 43,5 Milliarden Euro leistet. Wenn es nach der CDU-Vorsitzenden und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer geht, sollen sie bis 2024 verdoppelt werden.
In der Lausitz bangt eine ganze Region wegen des Ausstiegs aus der Braunkohleproduktion um ihre Zukunft, aber niemand spricht, wenn es um die Verminderung des Kohlendioxidausstoßes geht, vom Militär. Das Problem wird ins Private abgeschoben, konstatierte die Süddeutsche Zeitung am 22. August. Der größte Energieverbraucher der Welt ist nach ihrer Schilderung das amerikanische Militär. Es verbrennt an einem einzigen Tag 48 Millionen Liter Öl. Das ist ungefähr so viel, wie ganz Schweden an einem Tag verbraucht. Physiker der McMaster University in Montreal haben herausgefunden, dass der Anteil der digitalen Kommunikation an der Entstehung von Treibstoffgasen größer ist, als der Beitrag des gesamten Flugverkehrs.
Hat man dazu von den Grünen, die wohl künftig in Sachsen und Brandenburg mitregieren werden, schon jemals etwas gehört? Ja, die AfD ist gefährlich, und der Grünenvorsitzende Habeck hat Recht, wenn er die CDU davor warnt, nach rechts auszuscheren, um ihr Paroli zu bieten. Aber beim Klima geht es um unser Leben. Es muss sich etwas ändern, sonst kräht eines Tages kein Hahn mehr nach uns.