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Titel1719

Bemerkungen

Dreifache Moral

Die Voreingenommenheit ist die Mutter der Moral, der Gerechtigkeitswahn ihr Vater.

 

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Wer den Leuten mit der gesellschaftlichen Moral kommt, hat etwas Anrüchiges. Unsere gesellschaftliche Moral ist wie ein hundertfach geflickter alter Mantel, der uns nicht mehr passt. Aber wir haben keinen anderen.

 

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Kein Land kann sich solcher Moral rühmen wie das unsrige. Wir haben sie sogar doppelt.

 

Wolfgang Eckert

 

 

Beschämende Wahrheit

Am 11. August wurde in der Demminer Kirche St. Bartholomaei eine Ausstellung über den Krieg des Deutschen Reiches gegen die Sowjetunion 1941 bis 1945 eröffnet. 200 Fotos und Zitate sowjetischer Kriegsopfer und deutscher Soldaten werden dort noch bis Mitte September gezeigt, zusammengestellt von der Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin.

 

Der Hauptredner Jörg Morré, Direktor des Deutsch-russischen Museums Berlin-Karlshorst, machte unmissverständlich klar: »Der Sowjetunion ist der Krieg aufgezwungen worden, ein Überfall mit unerbittlicher Härte.« Diesen konnte die Rote Armee abwenden und mit einem Sieg beenden. »Das glückliche Ende eines aufgezwungenen Verteidigungskrieges.« Morré betonte auch, dass Deutschland den Krieg als Vernichtungskrieg begonnen und geführt hatte.

 

Das entsprach der Ausstellung, die auch drei wichtige Befehle Hitlers vom 22. Juni 1941 dokumentiert: den Kommissarsbefehl zur Erschießung kriegsgefangener Politkommissare, den Befehl zur unmenschlichen Behandlung von Kriegsgefangenen und den Befehl zur Kriegsgerichtsbarkeit, die selbst schwerste Kriegsverbrechen der deutschen Soldaten von Verfolgung freistellte. Der auch in der Ausstellung dokumentierte deutsche Anspruch auf Vergeltung war: 50 oder 100 zu ermordende Zivilisten im Gegenzug für die Tötung eines deutschen Soldaten durch Partisanen.

Spätestens seit der vieldiskutierten Ausstellung über die »Verbrechen der Wehrmacht« des Hamburger Institutes für Sozialforschung besteht auch in Deutschland weitgehender Konsens über den Charakter des Krieges gegen die Sowjetunion als Vernichtungskrieg zur Umsetzung des »Generalplans Ost«, der die Tötung und das Verhungern von 30 Millionen Menschen einkalkulierte. Von daher präsentiert die Ausstellung nichts Neues, sondern macht hauptsächlich die Bilder des Grauens dieses Krieges und die Statements von Opfern und Tätern der jungen Generation zugänglich. Eine ältere Demminerin ließ während des Vortrages von Morré halblaut wissen: »Das haben wir doch alles in der Schule gelernt.«

 

Einen ehemaligen Regisseur hingegen, der sich um Demmin in den letzten Jahren besonders »kümmert«, erregte die Ausstellung dennoch auf besondere Weise. Er hat nach dem Beitritt des 1990 neugegründeten Landes Mecklenburg-Vorpommern zur BRD in Nossendorf bei Demmin seine alt-neue Heimat gefunden und mischt sich nun immer wieder in Demminer Angelegenheiten ein.

 

Der Filmemacher hatte sich bei der Demminer Zeitung über die Ausstellung beschwert und sich in der Ausgabe vom 9. August zitieren lassen: »Die Kirche sollte keine Position ergreifen. Die Kirche muss frei bleiben für alle.« Offensichtlich bedeutet für ihn schon die Darstellung der Leiden sowjetischer Kriegsopfer und die Dokumentation der Befehle der hauptverantwortlichen deutschen Täter eine unakzeptable kirchliche Positionierung.

 

Oder hat er Angst, dass die Ausstellung einer anderen Ausstellung in der Demminer Kirche Konkurrenz machen könnte? Gegenwärtig stehen dort auch ein halbes Dutzend Modelle für eine Neugestaltung des Marktplatzes von Demmin. Der ehemalige Regisseur hatte den Stuttgarter Architekturprofessor Alexander Schwarz dafür gewinnen können, seine Architekturklasse »in wissenschaftlicher Freiheit« (so der Begleittext zur Ausstellung) die Entwürfe anfertigen zu lassen, jeweils inklusive eines Archivs für Materialien zu seinen Filmen. Er habe auch schon Ideen wie das Programm eines derartigen Archivs in den nächsten zehn Jahren aussehen könnte. Glücklicherweise wollen seine Ideen bei den Verantwortlichen der Stadt Demmin und des Landes Mecklenburg-Vorpommern so recht nicht ankommen. Und auch die BürgerInnen warten noch auf die angekündigte Befragung, um mitteilen zu können, was sie von den Plänen halten. Doch wäre nicht in Zeiten der Digitalisierung ein einfacher 64-Gigabite-USB-Stick mit seinen Filmen ein hinreichendes Archiv?

 

Der ortsfremde Kritiker fragt sich allerdings, ob die DemminerInnen schon über eine andere gedenkpolitische Frage debattiert haben: Soll als dauerhafte Erinnerung an die Auswirkungen der Kriege allein die zweihundertjährige Tradition der Nennung gefallener Soldaten und Offiziere aus Demmin in der Kirche fortgeführt werden? Zu finden sind dort die Namen all derer, die »für König und Vaterland« (in diversen Variationen) in den Kriegen 1813/14, 1864, 1866, 1870/71, 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 als aktive Kriegsteilnehmer gestorben sind. Was ist hingegen mit den Opfern der Demminer Kriegsteilnehmer in Frankreich 1870/71, auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges und in den im Zweiten Weltkrieg unterworfenen und besetzten Ländern? Und wie wird künftig der Opfer der Demminer Ulanen beim Versuch der Ausrottung der Nama und Herero in Namibia gedacht werden, des ersten und prototypischen Vernichtungskrieges des Deutschen Reichs? 1904 waren aus Demmin 78 Ulanen und drei Unteroffiziere im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika, alle hatten sich freiwillig gemeldet.

 

Wenn schon an die gefallenen Demminer Soldaten der letzten 210 Jahre in der Kirche St. Bartholomaei erinnert wird, sollte man dann nicht auch ein Gedenken an die ungenannten Opfer dieser Soldaten und ihrer Kommandeure erwarten dürfen?

 

Nachtrag: »Das Geheimnis der Versöhnung ist Erinnerung« lautet das Motto der derzeitigen Ausstellung, ein Wort aus dem Talmud abwandelnd. Wäre jedoch nicht zu fragen, ob es angesichts der deutschen Gräueltaten in der Sowjetunion um Versöhnung gehen kann? Oder zeugt nicht schon der Verzicht der Roten Armee auf eine Vergeltung der deutschen Untaten von einer nicht erwartbaren Generosität und damit uneinholbaren moralischen Überlegenheit? Mit dem Verzicht auf Vergeltung machte die Sowjetunion ein historisches Angebot zur Aussöhnung, das von deutscher Seite selten gebührend beantwortet wurde – und in den letzten Jahren der zunehmenden Aggressivität gegenüber Russland immer weniger gewürdigt wird. Ein anderer Dreischritt könnte das Notwendige genauer beschreiben: »An deutsche Gräueltaten erinnern, auf antirussische Propaganda und Kriegsvorbereitungen verzichten, Frieden schließen und halten.«                         

Kai-Bernd Gareseé

 

 

Lenin pur

Wer Lenins Gedanken über die Wirtschaft Sowjetrusslands und ihre Umgestaltung kennenlernen will, ohne über zehn Bände mit den von ihm nach Oktober 1917 verfassten Schriften und Briefen zu studieren, findet in dem Büchlein des italienischen Ökonomen und Finanzfachmanns Vladimiro Giacché ein ziemlich umfassendes Kompendium über »Lenins ökonomisches Denken nach der Oktoberrevolution« vor. Es besteht wohl schätzungsweise zu achtzig Prozent aus Zitaten, darunter einigen wenigen, die in den deutschsprachigen Leninausgaben nicht enthalten sind. Die die Zitate verbindenden Sätze geben die zu ihrem näheren Verständnis notwendigen Hinweise über ideologische Anlässe und historische Rahmenbedingungen. All das geschieht ohne jede Hagiographie und ohne die heutzutage übliche, Lenin als »Vorgänger Stalins« denunzierende Sicht. Auch gegenüber jenen, die sich nach Lenins Tod beständig auf ihn beriefen und vorgaben, in seinem Sinne zu handeln, ist Giacché von geradezu vornehmer Zurückhaltung: Die Entwicklung der Sowjetunion nach Lenins Tod »entsprach jedenfalls nicht den letzten Empfehlungen des Gründers des Sowjetstaates«.

 

Was die Zitatkollagen besonders anregend macht, ist die Tatsache, dass Lenin vor allem seine eigene, aber auch die Politik seiner Mitstreiter beständig kritisiert hat. In seinen Reden und Schriften fehlte völlig der »Triumphalismus« seiner amtlich bestallten Nachfolger. Das enthob den Verfasser zu einem Gutteil der Aufgabe, eine eingehende analytische Kritik der Leninschen Wirtschaftspolitik zu liefern. Wer bedauert, dass der Verfasser diese nicht selber weitergetrieben habe, hat sicher recht, sollte aber zweierlei bedenken: Zum einen setzt eine solche an die Substanz gehende, nicht an bloßen Erscheinungen orientierte Kritik eine umfassende Kenntnis der originalsprachigen Quellen voraus (die dem Verfasser mangels Sprachkenntnis fehlt), zum anderen hatte der Verfasser ein sehr viel bescheideneres Resultat vor Augen, nämlich »eine Entdeckungsreise zu einem ökonomischen Aufbauprozess, der vor hundert Jahren auf unerforschtem Gebiet stattfand«. Wer ihm auf die »Entdeckungsreise« folgt, wird vielleicht auch einmal bei Lenin selbst nachlesen wollen.

 

Wer Geschichte und Gegenwart zusammendenkt, wird nicht verwundert sein, wie aktuell sich manche Überlegungen Lenins ausnehmen – sicherlich nicht für das in den Schoß des Kapitals zurückgekehrte Osteuropa, wohl aber angesichts der andauernden Diskussionen über die chinesische Wirtschaft und ihren Charakter. Die dort vorhandene »neuartige Kombination von Planwirtschaft und Marktwirtschaft« ist nach Giacchés Auffassung »nicht weniger verblüffend, als es einmal der Übergang zur NÖP unter Lenin war. Und auch die Reaktion darauf ähnelt der vieler Zeitgenossen Lenins: Es handle sich um eine simple Rückkehr zum Kapitalismus. Die chinesische Führung spricht ihrerseits von einem ›Sozialismus mit chinesischen Merkmalen‹...«

 

Schließlich sei auf ein Zitat in dem Buch hingewiesen, das nicht von Lenin stammt, sondern vom ehemaligen Führer der französischen Sozialisten (und späteren Präsidenten) François Mitterrand, und das jeder Wirtschaftspolitiker, gleich welcher politischen Couleur, beherzigen sollte: »In der Wirtschaft gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder Sie sind Leninist. Oder Sie ändern nichts.« Mitterrand war kein Leninist, er änderte nichts.                      

 

Thomas Kuczynski

 

 

Vladimiro Giacché: »Lenins ökonomisches Denken nach der Oktoberrevolution«, übersetzt von Hermann Kopp, Edition Marxistische Blätter 115, Neue Impulse Verlag, 143 Seiten, 9,80 €

 

 

Wer war Frank Arnau?

Es gibt Zeitgenossen, die uns schon seit längerem verlassen haben, aber es lohnt, an den einen oder anderen und sein Wirken zu erinnern. Zu ihnen gehört ohne Zweifel der Österreicher Frank Arnau, der später die deutsche und noch später die schweizerische Staatsbürgerschaft erhielt und dessen Bücher eine Auflage von etwa 1,5 Millionen Exemplaren erreichten. Er wurde am 9. März 1894 in der Nähe von Wien geboren, begann bereits in jungen Jahren, sich literarisch zu betätigen, und schrieb vor allem Kriminalromane. Bereits 1933 musste er aus Deutschland fliehen, weil er sich gegen die Naziherrschaft ausgesprochen hatte. Er lebte dann zunächst in den Niederlanden, Spanien, Frankreich und der Schweiz. Ab 1939 hielt er sich in Brasilien auf. Erst 1955 kehrte Arnau wieder zurück in die inzwischen gegründete Bundesrepublik und war dann als Redakteur beim Stern beschäftigt sowie auch für die Münchener Abendzeitung tätig. Als Mitte der 1960er Jahre der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke der Beteiligung am Bau von Konzentrationslagern während der Nazizeit beschuldigt wurde, griff Arnau die Thematik auf und machte sich neben anderen zum Fürsprecher der erhobenen Vorwürfe.

 

Zuvor entstammten seiner Feder aufsehenerregende Bücher wie »Kunst der Fälscher – Fälscher der Kunst« (1959) oder »Das Auge des Gesetzes«.

 

Als 1960 Vera Brühne und Johann Ferbach wegen Mordes verurteilt wurden, unterzog er das Urteil einer gründlichen Analyse. Das Verfahren gegen beide bleibt bis zum heutigen Tag höchst umstritten, ihm hängt der Makel an, dass es sich um ein Fehlurteil handeln könnte. Auch Frank Arnau kam im Ergebnis seiner Untersuchung zu einer kritischen Einschätzung. Deren Veröffentlichung brachte ihm einen Rüffel aus dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz ein. Das beeindruckte ihn wenig. Stattdessen antwortete er dem zuständigen Ministerialdirigenten im Frühjahr 1970 in einem Brief, der mit den Zeilen endet: »Ich empfinde es als eine tragische Verpflichtung, Ihnen zu sagen, dass mich der Anblick der Justitia vor deutschen Gerichtsgebäuden häufig zu der Vermutung verleitet, dass sie die Augenbinde nicht deshalb trägt, weil sie ohne Ansicht der Person Recht zu sprechen hat, vielmehr deshalb, weil sie nicht mit ansehen kann oder will, was in ihrem Namen an Unrecht geschieht.«

 

1967 erschien ein weiterer bedeutsamer Titel, »Kriminalität von den biblischen Anfängen bis zur Gegenwart«. Die Humboldt-Universität zu Berlin/DDR verlieh Arnau 1968 den Ehrendoktortitel, und auch aus anderen Teilen des Auslands erhielt er verschiedene Ehrungen. Besondere Aufmerksamkeit erregte auch 1967 sein Buch »Die Straf-Unrechtspflege in der Bundesrepublik« – eine kritische Auseinandersetzung mit der Strafrechtspraxis jener Zeit. Drei Jahre zuvor war bereits der Titel »Warum Menschen töten« erschienen. Auch ein Buch über den Watergate-Skandal unter US-Präsident Richard Nixon brachte er 1974 auf den Markt. In der DDR erschien im selben Jahr ein Sammelband unter dem Titel »Tätern auf der Spur – Auswahl aus dem Lebenswerk«.

 

Mich faszinierte bereits damals Arnaus Schreib- und Herangehensweise, man bemerkte schnell, dass er nicht nur ein Kriminalautor war, sondern sich auch wissenschaftlich mit den von ihm selbst gewählten Themen auseinandersetzte. Das brachte ihm international Anerkennung und Achtung ein. In einem kleinen Band mit Grußadressen anlässlich seines 80. Geburtstages finden sich so auch die Glückwünsche prominenter Zeitgenossen, unter anderem auch des bekannten DDR-Rechtsmediziners Otto Prokop, der wie Arnau in Österreich geboren wurde.

 

In diesem Jahr wäre Frank Arnau 125 Jahre alt geworden.       

  Ralph Dobrawa

 

 

Landtagswahl in Brandenburg

Rund 2,1 Millionen waren in Brandenburg zur Stimmenabgabe aufgerufen, die Wahlbeteiligung betrug 59 Prozent. Die vorläufigen Zahlen: Die SPD kommt auf 26,2 Prozent, die CDU auf 15,6 Prozent, die Linke auf 10,7 Prozent und die Grünen auf 10,8 Prozent. Die Freien Wähler holen mit 5 Prozent 5 Sitze und die Alternative für Deutschland mit 23,5 Prozent 23 Sitze. Damit hat die AfD ihr Ziel, stärkste Partei zu werden, verfehlt. Alexander Gauland: »Wir sind nicht die stärkste Partei in Brandenburg geworden. Jetzt fängt für uns die Arbeit erst an.« Fast wortgleich äußerte sich am Wahlabend AfD-Spitzenkandidat Andreas Kalbitz, dem der Spiegel, enge Kontakte zu den Neonazis vorwirft: Kalbitz soll 2007 gemeinsam mit NPD-Funktionären zu einem Neonazi-Aufmarsch nach Athen gereist sein. Mit dabei in der griechischen Hauptstadt NPD-Chef Udo Voigt. Auf dem Balkon ihres Hotels Solomou hängte die Gruppe laut dem Hamburger Nachrichtenmagazin eine Hakenkreuzfahne auf. Die Reise wurde vom Bundeskriminalamt dokumentiert.

 

Nach dem Wahlergebnis könnte es in Brandenburg, ähnlich wie in Berlin, zu einer Koalition aus SPD, Linken und Grünen kommen. Auch eine Koalition von SPD, CDU und Grünen wäre möglich.                                 

 

Karl-H. Walloch

 

 

Schöner Traum

Es wäre ehrlich gewesen, hätte der Verlag zu dem Untertitel des Buches ein Adjektiv hinzugefügt: »Erkundungen eines linken Wessis im Osten«. Gerd Schumann sieht im von ihm erkundeten Osten vor allem die Vereinnahmung durch den Kapitalismus, was ihm nicht gefällt. Er ist zudem ein Kenner der Liedermacher- und Musikszene linker Couleur – Reinhold Andert, Gisbert »Pitti« Piatkowski, die Puhdys, Gina Pietsch, Hans-Eckardt Wenzel, aber auch Franz Josef Degenhardt und Hannes Wader. Viele Artikel in dem Buch handeln von den Sängern und ihren Liedern, die vergessen zu werden drohen. Neben Kritik an den Zuständen leben die Texte von der großen Sehnsucht nach dem Besseren: Frieden, Solidarität, Gerechtigkeit. Das nicht zu vergessen ist ein großes Anliegen des Autors, der sich für das Morgen einen Sozialismus ohne die Fehler der DDR wünscht. Das ehrt Gerd Schumann, ist leider aber ein schöner Traum.

 

Christel Berger

 

 

Gerd Schumann: »Das Morgen im Gestern. Erkundungen eines Wessis im Osten«, Neues Leben, 272 Seiten, 15 €

 

 

 

 

Zuschrift an die Lokalpresse

Bei meinen oft ausgedehnten Eisenbahnfahrten quer durch die Republik stoße ich erfreulicherweise auf manche Informationen, die mir unter normalen Umständen entgangen wären. Glücklicherweise fährt ja mancher IC oder ICE verspätet oder überhaupt nicht, so dass man dazu angeregt wird, sich die Regionalpresse zu besorgen und das Gebiet mit seinen Vorzügen einschließlich der Problemlagen seiner Promis noch individueller kennenzulernen. So erfuhr ich am 13. August in der Süddeutschen Zeitung auf der Panorama-Seite vom anhaltenden Durchfall und dem daraus resultierenden besorgniserregenden Gewichtsverlust des Sängers Andreas Gabalier. Er hat nach eigenen Angaben wegen seiner Verdauungsstörungen im Krankenhaus an die 500 Sitzungen verbringen müssen und infolgedessen sechs Kilo Lebendmasse verloren. Man kann ihm nur wünschen, dass er sich inzwischen wieder stabilisieren konnte und bei seinen Auf- und Abtritten keine weiteren ungewollten Wirkungen mehr erzielt.

 

Sehr interessiert haben mich auch die pädagogischen Auffassungen der Bestseller-Autorin Charlotte Roche, die mir durch die ausführliche Darstellung des Umgangs mit ihren Feuchtgebieten zum Begriff geworden war. Sie ist – ohne die Zugverspätung und die Zeitung hätte ich das nie erfahren – mit ihrem Mann und ihren Teenagern in das Kölner Umland verzogen, was ihren Kindern die Teilnahme am altersgerechten kulturellen kölschen Nachtleben erschwert. Deshalb kutschiert Charlotte ihr Mami-Taxi oft noch spätnachts in die Stadt. »Wir haben unseren Kindern versprochen, dass sie niemals eine soziale Verabredung verpassen«, erklärte sie der Süddeutschen. »Sie sollen ja nicht darunter leiden!« Gut so! Da kann man Frau Roche nur wünschen, dass ihre Kinder im Notfall einst auch für sie als Seniorentaxi bereitstehen. – Waldefried Fürchtenich (62), freischaffender Beobachter, 51147 Köln-Wahnheide

 

Wolfgang Helfritsch