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Titel1720

Antworten

Lea Deuber, China-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung. – »Außer Kontrolle« heißt Ihre Reportage aus der chinesischen Provinz Hubei in der SZ vom 30. Juli. Der Vorspann suggeriert, »die Partei« habe auf die Herausforderungen, die mit der Corona-Pandemie und der unmittelbar darauf folgenden »Jahrhundertflut« verbunden waren, panisch und planlos reagiert: »Die Partei macht hier eine Schleuse auf, dort eine zu, verschont die eine Stadt und flutet die nächste.« Gern hätte man erfahren, wie die Probleme, deren Größenordnung wir uns hier kaum vorstellen können, angegangen wurden. Wenn Millionen vor den Überschwemmungen geflohen sind: Wo sind sie geblieben? Wer hat sie versorgt? Wie wurde das von wem organisiert? Wer hat was bezahlt? Wenn versucht wurde, die Wassermassen durch ein kompliziertes Management der Rückhaltebecken unter Kontrolle zu bringen: Mit welchen Problemen waren die Verantwortlichen konfrontiert? Nach welchen Kriterien haben sie entschieden? Wenn eine »aufgebrachte« Frau aus einem überschwemmten Ort im chinesischen Fernsehen (!) mutmaßt, bei den Entscheidungen hätten Fabriken und Minen eine größere Rolle gespielt als die Interessen der ländlichen Bevölkerung: Hat sie recht? Wer hat warum wie entschieden? Einzelfall oder allgemeiner Usus? All das verschweigen Sie. Stattdessen eine Abfolge willkürlich aneinandergereihter, boshaft interpretierter Zufallsbeobachtungen. Kaltekriegsberichterstattung. Wenn sich schon die SZ nicht zu gut ist dafür: Sie sollten es sein.

 

Heiko Maas, eifriger Außenminister. – Zum »Krisentreffen« mit Ihren EU-Kollegen erklärten Sie: »Wir haben als EU zu Belarus Geschlossenheit demonstriert und deutlich klargestellt, dass wir das Wahlergebnis dort so nicht anerkennen. Alle Mitgliedsstaaten sind sich einig, neue Sanktionen auf den Weg zu bringen. Wir verteidigen unsere Werte auch jenseits unserer Außengrenze.« Sie bleiben sich unnachahmlich treu: im Widerspruch zum Völkerrecht, maßlos arrogant und ignorant. Erstens: Es nicht Sache der EU, das Wahlergebnis in einem nicht der Union angehörenden Land »anzuerkennen«. Zweitens sind Sanktionen, die nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligt wurden, völkerrechtswidrig.

 

Markus Lanz, schlechter Zuhörer. – In Ihre Sendung am 20. August hatten Sie zwei junge Frauen aus Hanau eingeladen: Ajla Kurtovic und Saida Hashemi. Ajlas Bruder Hamza (22) und Saidas Bruder Nesar (21) wurden, ebenso wie acht weitere Hanauer, in der Nacht vom 19. auf den 20. Februar 2020 von dem 43-jährigen Tobias Rathjen getötet. Neun Menschen erschoss der Rassist in zwei Shisha-Bars, anschließend zu Hause seine Mutter und sich selbst. Von einem »fremdenfeindlichen Anschlag« war danach die Rede. Saida Hashemi stellte den Begriff in Frage: »Was ist denn mit ›fremd‹ gemeint?« sagte sie. »Diese Menschen haben ihr Leben in Hanau verbracht. Sie haben Familie, Freunde, sie sind in Hanau zur Schule gegangen, haben gearbeitet – deswegen verstehe ich nicht, was mit ›fremd‹ gemeint ist.« Sie übergingen die kritische Anmerkung Ihres Gastes, als hätten Sie sie nicht gehört. Und am Ende des Gesprächs fragten Sie die beiden Frauen nach einer »Gesamtbewertung«: »Ist das nun ein klar fremdenfeindlicher Anschlag oder ist es eine Wahnsinnstat eines merkwürdigen Einzelgängers?« Was für eine Auswahl! Die These vom psychisch gestörten Einzeltäter, der sich ganz heimlich und angeblich unauffindbar vor seinem Computer radikalisiert hat, ist als Strategie der Verharmlosung nur allzu durchschaubar. Und die andere Alternative? Haben Sie Saida wirklich nicht zugehört? Oder finden Sie es falsch, dass sie sich und ihre Familie nicht als Fremde definieren will? Was für eine Vorstellung von »deutsch« und »fremd« verbirgt sich hinter solchen Begrifflichkeiten (unterschieden nicht die Nazis zwischen »Deutschblütigen« und »Fremdblütigen«)? Eine lohnende Diskussion – aber die Chance wurde vertan.

 

WDR- und NDR-Rundfunkräte, vor intensive Hygienewünsche gestellt. – Die ARD will an ihren politischen Talkshows »Anne Will«, »Hart aber fair« und »Maischberger« festhalten. Zum Ende 2020 laufen die bisherigen, viele Millionen Euro schweren Verträge mit den Produktionsfirmen der drei Moderatoren aus, sie sollen bis Ende 2023 verlängert werden. Vorgesehen ist, dass der NDR mit »Anne Will« pro Jahr wieder 30 Ausgaben herstellen lässt, der WDR soll mit jeweils 34 Ausgaben »Hart aber fair« und »Maischberger. Die Woche« über die Bildschirme flimmern. Den Programmverantwortlichen graust eben vor gar nichts: Nicht vor den absurden Millionenhonoraren für die Talkveranstalter und erst recht nicht vor dem niveauarmen Plauder-Abgrund, der sich in den Sendungen auftut. Sie als verantwortliche Rundfunkräte haben jetzt Gelegenheit, dem verschwenderischen Treiben den Stoff zu entziehen: Alles, was mehr als zwei Millionen Euro kostet, muss von Ihnen genehmigt werden. Tun Sie´s nicht! Zeigen Sie klare Kante bei seichtem Talk.