Urlaubsbeobachtungen
Mit Beginn des Sommers konnten coronabedingte Beschränkungen teilweise gelockert werden. Die Urlaubssaison begann auch in Mecklenburg-Vorpommern. Gaststättenbesuche waren unter Einhaltung strenger Hygieneregeln wieder möglich. Beim Betreten eines Restaurants hatten wir uns mit einer Maske verkleidet und die Hände desinfiziert, woraufhin uns eine Maskierte an einen Tisch führte, den sie in unserer Gegenwart abwischte, um ihn zu desinfizieren. An einem urigen Balken war ein weißes Blatt befestigt, von dem uns ein Smiley mit starren Augen und Mund-Nasen-Maske anglotzte. Dem war folgender Text zugeordnet: »Terasse [sic!] und WC« in schwarzer Schrift und in roter: »Nicht am Tisch!!!« Die Farbzuordnung schien uns etwas willkürlich, dennoch fanden wir den Hinweis entgegenkommender als den nächsten: »Tische mit max. 6 Personen belegen!!!« Dankenswerterweise wurden wir dann doch sitzend versorgt. Betrübt mussten wir an anderem Ort lesen: »Dieser Bahnhof hat keine [signalrot markiert] Toilette [zwölf Ausrufezeichen]«. Darunter fand sich der unmissverständliche Hinweis: »Wir sind ein Buch- und Kunstverkauf ohne [signalrot markiert] Toilette«. Offenbar handelte es sich um den Aufschrei von Buch- und Kunstverkaufenden, obwohl sich ein neues Geschäftsfeld durchaus anbot. Vor Freude jauchzend sahen wir einen Tafelaufsteller: »Jetzt NEU! Originale DDR Himbeer-Kirsch Fassbrause«, grafisch gestaltet mit verschiedenfarbigen Kreiden, lachender Sonne, fliegenden Möwen sowie einem stilisierten Glas mit Trinkhalm und perlenden roten Punkten. Mindestens dreißig Jahre alte originale Fassbrause versagten wir uns ohne Bedauern. Der nächste Tafelaufsteller »Angebot – frischer Erdbeereisbecher 5,50« klang verlockend, aber wir blieben kritisch. An einem Zaun hing eine eingerahmte Tafel mit lachender Sonne links, dem Schriftzug »Restaurant«, lachender Sonne rechts, darunter: »Ahlbecker Flair kleine frische Küche [mit Wellenlinie unterstrichen]«. Ein Pfeil wies den Weg um eine Ecke. Wir hatten einen Tisch in einem Fischrestaurant reserviert und hofften nicht beworbenen frischen Fisch serviert zu bekommen. Enttäuscht wurden wir nicht. Wieder in heimischen Gefilden lasen wir am Eingang zum Supermarkt: »Liebe Kunden und Kundinnen, Zwecks der Situation Bitten [sic!] wir Sie pro Kunde [doppelt unterstrichen] einen Einkaufswagen für Ihren Einkauf zu nutzen. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Ihr […] Team«. Was bedeutet das jetzt für Frauen?
Im Barnim Panorama in Wandlitz begrüßte uns die Aufforderung »Bitte nur aufwärts gehen um Begegnungsverkehr zu vermeiden [sic!]«. Der Verabschiedungstext allerdings stimmte uns nachdenklich: »Bitte nicht aufwärts gehen«.
Erstaunlich, was alles auf welche Art mitgeteilt werden kann.
Gerhard Hoffmann
Defizite
Der spanische Diktator Francisco Franco ist seit fast einem halben Jahrhundert tot. Er starb am 20. November 1975, aber er spaltet noch heute die Nation.
Drei Jahre nach Francos Tod gab sich Spanien eine neue Verfassung. Bereits das 1977 erlassene Amnestiegesetz, die »transición« (Übergang), verhinderte eine Aufarbeitung. Über die Verbrechen während der Franco-Diktatur wurde ein Mantel des Schweigens gelegt. Der Aufbau der Demokratie begann auf dem Fundament der Diktatur. Zum 50. Jahrestag des Bürgerkriegs sagte der damalige Ministerpräsident Felipe González von der Partido Socialista Obrero Español 1986: »Wegen seines spaltenden Charakters ist ein Bürgerkrieg kein erinnerungswürdiges Ereignis.« Es sind vor allem linke Politiker, die sich der Aufarbeitung annehmen – vielfach ohne Erfolg. Viele Spanier wollen an dem sogenannten Burgfrieden nicht rütteln.
In den Schulen hören die Schüler wenig oder überhaupt nichts zur Franco-Zeit. Bei vielen jungen Spaniern klafft eine große Wissenslücke über die jüngste Geschichte. Dabei hat die Diktatur schlimme Auswirkungen auf das Leben von Tausenden und Abertausenden gehabt.
Karl-H. Walloch
Walter Kaufmanns Lektüre
Heimkehr – ins Haus der Kindheit, zu den Hügelketten der ihm von jeher vertrauten Landschaft, zu den Wäldern, die Wolfgang Büscher zusammen mit den anderen Jungen durchstreifte, bis hinein ins Holz, wo es früh dunkelte und früh die Nacht fiel. Und immer wird der Förster die Hütte entdecken, die sie für kommende Nächte gebaut hatten, und immer wird er sie abreißen lassen: Der Förster war ihr Feind, Feind seiner Kindheit – nicht aber dieser andere Förster, der im Jetzt und Heute, der ließ ihn in der Waldhütte leben, die der Sohn des Fürsten Wolfgang Büscher überlassen hatte – eine Bleibe ohne Wasser, ohne Licht, verborgen im tiefsten Wald. Es wurde eine Reise sehr anderer Art für Büscher, den Vielgereisten in weiten Welten, ein Vorstoß ins Innerste seines Wesens wurde es, einer zu sich selbst. Monate lang harrte Büscher in der Hütte aus, vom blühenden Frühling an bis in den Herbst, wenn das Laub sich verfärbte, und es kühl wurde im Wald, feucht-kühl, und es hieß, sich im Morgennebel zurechtzufinden, Holz zu sammeln für die Nächte, Holz zu hacken, einen Scheiterhaufen zu bauen für ein Feuer, das noch wärmen würde, wenn es nur noch glimmte und es an der Zeit war, in der Hütte ins Bett unter die Decken zu kriechen. Ein Einsiedler-Dasein! Robinson Crusoe im hessischen Wald. Die Einsamkeit lehrte Büscher viel, der Wald lehrte ihn viel, er durchlebte den Kampf der Bäume gegen das Sterben, gegen die Stürme, die Trockenheit, die tödlichen Käfer. Am Gesang der Vögel lernte er ihre Art zu deuten, und er beobachtete, wie hellwach die Rehe Gefahren witterten. Der Förster, dieser Förster lehrte ihn viel, trotz seiner Jugend war er erfahren, er kannte die Wälder, liebte das Stück Wald, das der Sohn des Fürsten ihm anvertraut hatte. Und für Büscher war es ein Glück, dass der Mann sich immer wieder in der Waldhütte einfand: Eine Männerfreundschaft entstand, ein Erfahrungsaustausch zwischen zwei Männern. Wolfgang Büscher hat Bleibendes daraus gemacht. Seine Personenbeschreibungen vergisst man nicht, man sieht den Förster, hört ihn, und man bewundert seine Mühen um den Wald, seinen Einsatz, die Liebe zum Beruf. In Büschers klarer Prosa wird der Mann deutlich, auch der Sohn des Fürsten. Büschers alternde Mutter wird auf eine geradezu rührende Weise deutlich: das Portrait einer Mutter, die sich ein Leben lang um den Sohn sorgt. Worüber er auch schreibt – die Hilflosigkeit eines Rehkitzes zum Beispiel, das verlassen und verloren in einer Mulde kauert, – alles wird durch diese Prosa zu einem Stück schöner Literatur. In der Waldeinsamkeit bleibt die Reise zum Innersten seines Wesens grenzenlos.
W. K.
Wolfgang Büscher: »Heimkehr«, Rowohlt Berlin, 294 Seiten, 22 €
Von wegen Bienenfleiß
Man will es einfach nicht glauben …, aber früher in der Schule und im Elternhaus wurden uns die Bienen immer als emsig und strebsam gepriesen – vor allem mit dem Hintergedanken, dass wir uns gefälligst ein Beispiel daran nehmen sollten. Doch die Sache mit dem sprichwörtlichen Bienenfleiß ist nicht mehr als ein erstunkenes Märchen. Renommierte Bienenforscher haben herausgefunden, dass Biene Maja gar nicht so emsig und betriebsam ist, wie landläufig angenommen wird – sie lungert vielmehr dauernd im Bienenstock herum und lässt die Flügel hängen. Vierzig Prozent ihrer Zeit verbringt sie einfach mit Nichtstun. Nach den Maßstäben unserer modernen Leistungsgesellschaft also ein stinkfaules Insekt, allerdings mit einem professionellen Fleißiges-Lieschen-Image.
Auch der Ameise werden Arbeitseifer und Strebsamkeit nachgesagt. Doch da bin ich jetzt skeptisch geworden. Überhaupt sollten die Forscher einmal Bärenstärke, Fuchsschläue und Schwanenschönheit unter die Lupe nehmen. Könnte ja sein, dass sich dann antilopenschnell als lahmarschig und elefantengroß als kümmerlich herausstellen. Ich würde mich nicht wundern, wenn das Faultier das fleißigste Tier auf unserem Globus wäre.
Nun frage ich mich besorgt, was machen wir jetzt mit solchen Lebensweisheiten wie »Ohne Fleiß kein Preis« oder »Fleiß ist aller Tugenden Anfang«. Sollen wir diese Sprüche in unseren alten Poesiealben ausradieren und fett darüber schreiben: »Wer fleißig ist wie eine Biene, Kräfte hat wie ein Stier, rackert wie ein Pferd, abends müde ist wie ein Hund, sollte schleunigst zum Tierarzt gehen: Vielleicht ist er ein Kamel!«
Manfred Orlick
Zuschriften an die Lokalpresse
Kürzlich gab mir eine Meldung in der Presse doch sehr zu denken: An die gegenseitige Bedrohung und Nichtachtung von Politikern, an das Abfackeln ihrer Autos und andere gefährliche Auswüchse hat man sich ja schlimmerweise schon gewöhnt. Aber neuerdings können schon besonders herzliche Begrüßungen zu Körperschäden führen! Wie der Berliner Kurier am 19. August berichtete, hat Ex-AfD-Landeschef Kalbitz seinen Parteifreund Hohloch in den Potsdamer Fraktionsräumen körperlich so heftig touchiert, dass sich selbiger wegen eines Milzrisses in medizinische Behandlung begeben musste! Das wirft die Frage auf, wie man die Abgeordneten – welcher Parteien auch immer – noch besser voreinander schützen kann. Wäre es beispielsweise sinnvoll, alle Volksvertreter mit schusssicheren Westen, Abstandssensor-App (1,50 Meter), Spraydosen und anderen Hilfsmitteln auszustatten? Vielleicht könnte dadurch verhindert werden, dass sich Schlagzeilen in Schlägerzeilen verwandeln! – Robinson Meier, Lebensberater, 07389 Grobenereuth
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Nach wie vor ist der Kampf des schönen Geschlechts um die Gleichberechtigung eines der häufig diskutierten sozialen Themen. Untersuchungen beschäftigen sich mit Ungleichheiten in der Vergütung der Geschlechter. Nach wie vor werden die Defizite in Führungspositionen oder die ungleichen prozentualen Anteile in den Parlamentsfraktionen offengelegt und alle möglichen Meinungsumfragen gestartet. Der Frust über die unbefriedigende Situation scheint sich auch darin widerzuspiegeln, dass sich immer mehr Frauen gegen körperliche Misshandlungen kräftig zur Wehr setzen. So hat die Schauspielerin Hayden Panettiere – wie der Berliner Kurier am 21. Juli berichtete – ihren Gatten verklagt und seine Festnahme ausgelöst. Aus derselben Ausgabe erfährt man aber auch, dass eine 84-jährige geschiedene Frau ihren 73-jährigen Ex erst mit einem Fleischerhammer attackiert und danach sicherheitshalber mit Benzin übergossen und angezündet hat. Der anstehende Prozess musste wegen »erheblicher Seh- und Hörprobleme« und »der körperlichen Einschränkungen der Angeklagten« allerdings verschoben werden. Überhaupt bleibt der Justiz nichts anderes übrig, als sich nicht nur der Scheidung, sondern auch der Gewalt in der Ehe zu widmen, vor allem dann, wenn es um Promis geht. So geht der Londoner Prozess um die Mimen Jonny Depp und Amber Heard schon in die dritte Runde. Beide, die sich 2016 nach 15-monatiger glücklicher Ehe unglücklich trennten, beschuldigen sich, wie die Berliner Zeitung am 21. Juli mitteilte, gegenseitig der Gewalt, belegen das mit Fotos ihrer attraktiven ramponierten Gesichter und behaupten, dass es auf beiden Seiten nicht nur Widerworte, sondern auch Todesdrohungen gegeben habe. Die private Tragödie spaltet erneut die aus der EU ausgetretene Nation! Und über 460.000 Filmfans unterschrieben eine Petition gegen die weitere Besetzung Ambers in einer laufenden Filmreihe! Nur gut, dass es außer Corona auch noch andere pandemische Themen gibt! – Nathan Nobel (53), Mediator, 17121 Wüstenfelde
Wolfgang Helfritsch