An meine erste Begegnung mit einem Gedicht Adam Kuckhoffs kann ich mich noch gut erinnern. Mir fiel als Oberschüler eine Broschüre mit dem Titel »Verboten und verbrannt« in die Hände, in der kurz nach dem zweiten Weltkrieg Richard Drews und Alfred Kantorowicz an jene Autoren erinnern wollten, die Opfer der Nazis geworden waren. »Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt« war der Untertitel des Büchleins, das 1947 im Heinz Ullstein – Helmut Kindler Verlag Berlin und München erschienen war. Die in alphabetischer Reihenfolge vorgestellten Autoren reichten von Julius Bab und Ernst Barlach bis zu Hedda Zinner und Carl Zuckmayer. Adam Kuckhoffs »Abschiedsgedicht« an seine Frau Greta – kurz vor der Hinrichtung durch den Strang am 5. August 1943 geschrieben – berührte mich tief:
»Andern hab ich manchen Vers geschrieben,
Dir nur hier und da ein kleines Wort.
Zeugt das nicht von kleinerer Kraft im Lieben?
Geh ich nicht als Schuldner von dir fort?
O Geliebte, ungemessen
War die Liebe, die uns zwei verband.
Über ihr hab ich das Wort – vergessen
Weil ein jeder Tag uns in ihr fand.«
Einige Jahre später, als ich in Leipzig Germanistik studierte, war es der unvergessene Hans Mayer, der mich zu intensiverer Beschäftigung mit Leben und Werk des Dichters ermunterte. Dabei lernte ich in Kuckhoff einen Schriftsteller von glühender Wahrheitsliebe kennen, einen Nachfahren Lessings und Büchners.
Er stammte aus großbürgerlichen Verhältnissen. In einer Aachener Fabrikantenfamilie geboren, verbrachte er Kindheit und Jugend in Geborgenheit und ohne materielle Sorgen. 1912 promovierte er über Schiller. Während des Weltkrieges und in den ersten Jahren der Weimarer Republik sammelte er umfangreiche künstlerische Erfahrungen als Schauspieler und Dramaturg, unter anderem auch als Intendant des Frankfurter Künstlertheaters. Eine Gesamtausgabe der Werke Georg Büchners, die er 1927 mit einem umfangreichen einleitenden Essay herausgab, war die erste Volksausgabe. Obwohl Kuckhoff eine direkte parteipolitische Bindung vermied, gehörten seine Sympathien der KPD. Seine linke Position sprach nicht zuletzt aus vielen seiner Artikel in der Zeitschrift Die Tat, die er 1928/29 als Redakteur leitete. Ein neues Tätigkeitsfeld erschloß sich ihm 1930 mit der Berufung zum Chefdramaturgen des Berliner Staatstheaters am Gendarmenmarkt. Hier bemühte er sich um junge Autoren – wodurch er bald in Widerspruch zu konservativen Kräften geriet, für die diese erste Bühne des Reiches Repräsentations- und Startheater zu sein hatte, abhold jedem Experiment. Nach zwei Jahren mußte er gehen. Von nun an entstanden zahlreiche literarische Arbeiten: Romane, Dramen, Filmdrehbücher, Reportagen, zum Teil gemeinsam mit anderen Autoren. 1938 erschien sein literarisches Hauptwerk, der Roman »Der Deutsche von Bayencourt«. Komödien wie »Wetter veränderlich« oder »Rosen und Vergißmeinnicht« waren ausgezeichnete Tarnungen für einen im antifaschistischen Kampf Stehenden, der bereit war, sein Leben zu wagen – wie sein Schwager, der Schauspieler Hans Otto, den die Faschisten 1933 ermordet hatten. Treue und verläßliche Gefährten der illegalen Arbeit waren Greta Kuckhoff, der Sozialdemokrat Adolf Grimme, der Kommunist John Sieg, Arvid und Mildred Harnack, Harro und Libertas Schulze-Boysen. Greta Kuckhoff hat in ihren Erinnerungen »Vom Rosenkranz zur Roten Kapelle« ein ausdrucksstarkes Bild vom Heldenmut dieser Kämpfer gegeben, die über den langen Zeitraum von nahezu zehn Jahren mit vielfältigen Mitteln und Methoden die Terrorherrschaft bekämpften. Im Herbst 1942 wurde Adam Kuckhoff verhaftet. Auf das Anraten, sich mit einem Film über Hitler seine Begnadigung zu erkaufen, antwortete er: »Und hätte ich zwei Köpfe, ich legte sie lieber beide auf den Richterblock.« Und seiner Frau Greta ließ er durch einen Gefängnisgeistlichen zwei Worte aus seinem Drama »Till Eulenspiegel« übermitteln: »Fröhlich bestehen!« – die Maxime seines Lieblingshelden.
Am 5. August 1943 wurde er im Alter von 55 Jahren in Plötzensee gehenkt – nach einem Martyrium in den Folterhöllen der Gestapo.
Adolf Grimms schrieb 1946 über ihn: »Diese Ungebrochenheit seines Charakters war schlechthin beispielhaft. Was die deutsche Literatur an ihm verloren hat, wissen nur wenige, gehörte er doch zu den Naturen, denen der Erfolg erst gekommen sein würde.«
In der alten Bundesrepublik hat Kuckhoffs Leben und Wirken – im Gegensatz zur DDR – kaum Beachtung, geschweige denn Würdigung gefunden. In Aachen, seiner Geburtsstadt, ist wie in Berlin eine Straße nach ihm benannt. Vor 25 Jahren war es Ingeborg Drewitz, die mit einer von der Friedenauer Presse herausgegebenen liebevollen kleine Publikation Pionierarbeit geleistet hat. An eine umfassende Darstellung seiner beeindruckenden Persönlichkeit hat sich bis heute noch niemand gewagt.