»Klopfzeichen« heißt eines seiner letzten Bücher, und dieser Titel könnte für das Lebenswerk des Schriftstellers, Rundfunkautors, Dokumentarfilmers und Redakteurs Christian Geissler stehen. Am 26. August ist er in seiner Heimatstadt Hamburg gestorben, die Medien haben davon kaum Notiz genommen, obwohl sein Beitrag zur Literatur der Bundesrepublik höchst beachtenswert ist. Aber weder der politische Mensch noch der Schriftsteller Geissler fügte sich in die üblichen Wahrnehmungsmuster. Wer seine älteren Bücher lesen will, muß antiquarisch suchen, zum Verlagsliebling taugte er nicht. Zu loben ist der Hamburger Nautilus Verlag, der ihn nicht ins Abseits stellte, obwohl Geissler als »Sektierer« galt, als anfällig für terroristische Ideen. In Wirklichkeit war er ein hartnäckiger, eigensinniger Kritiker jeder Art von politischer Menschenverachtung, stets bereit, auch zeitweiligen Weggenossen in die Quere zu kommen.
Kennengelernt habe ich Geissler Anfang der 1960er Jahre im Redaktionskreis der linkskatholischen werkhefte. Den Katholizismus, zu dem er konvertiert war, verließ er später wieder, und mit der KPD, der er in der Illegalität angehörte, brach er, als sie in die legale DKP überging, was ihm zu legalistisch erschien. Um inhaftierte westdeutsche Verfechter des »bewaffneten Kampfes« kümmerte er sich, ohne ihnen nach dem Munde zu reden. Und er blieb Kommunist, freilich ein individueller; der Widersprüchlichkeit, die darin lag, war er sich auf manchmal verzweifelte Weise bewußt.
Ganz falsch aber wäre die Annahme, der »Außenseiter« Geissler sei wirkungslos geblieben. Sein 1958 erschienener Roman »Anfrage« gab damals intensive Anstöße für die Auseinandersetzung mit den Staatsverbrechen des NS-Regimes statt der üblichen Verharmlosung. Wer Geisslers Arbeiten kennt, der weiß, wie irreführend die gängige Legende ist, die westdeutsche Linke habe sich erst 1968 daran gemacht, die Nazi-Vergangenheit zu thematisieren – und habe selbst dann noch »über Auschwitz hinweggesehen«. Ich erinnere mich an eine bundesweite Konferenz der außerparlamentarischen Opposition, die wir im Juni 1961 in Frankfurt am Main organisiert haben. Erich Kästner, Martin Niemölller, Heinrich Hannover und Alexander Mitscherlich gehörten zu den Einladern. Christian Geissler hielt das Hauptreferat zum Thema »Auschwitz, Hiroshima – den Schrecken in Kraft zum Widerstand ummünzen«. Von dieser Konferenz ging der Impuls aus, die Ostermärsche zu einer großen »Kampagne für Demokratie und Abrüstung« zu entwickeln. Eins der wenigen und um so wichtigeren Kapitel linker Erfolgsgeschichte. Es endete 1968.