Cem Özdemir, ganz locker. – Als Halbvorsitzender der Grünen reisen Sie im Wettbewerb um Bundestagssitze durch die Lande und preisen (so im Interview mit der Bielefelder Neuen Westfälischen) Ihre Partei an, weil sie sich »geöffnet« habe, und zwar »für Koalitionen mit wechselnden Partnern«. Auch Schwarz-Grün sei nicht mehr verpönt, in Hamburg und in etlichen Kommunen funktioniere es schon. Auf Bundesebene stehe allerdings einem solchen Bündnis die FDP im Wege, denn die sei für die Union als Koalitionspartner »zum Nulltarif zu haben«. Die Grünen, läßt sich folgern, verstehen sich besser aufs Koalitionsgeschäft. Sie bestehen darauf, sich mit Gewinn zu verkaufen.
Angela Merkel, gut gelaunt. – Endlich mal etwas Positives über die deutschen Gewerkschaften in allen Zeitungen: Sie haben den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer und die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften zu einem Gespräch eingeladen und ihnen öffentlich eine gute Zensur erteilt. Die deutschen Arbeitnehmerorganisationen hätten sich »verantwortungsvoll an der Bewältigung der Wirtschaftskrise beteiligt«, dafür gebühre ihnen Dank. »Anders als Kanzler Schröder«, so erfahren wir bei dieser Gelegenheit aus der F.A.Z., pflegen Sie »regelmäßig den Kontakt zum DGB«, Sie telefonieren einmal wöchentlich mit Sommer. So können Sie weiterhin mit gutem Betragen dieser Art von Klassenkämpfern rechnen. »Seid nett zueinander!« – diese Parole, die der Springer-Konzern schon vor Jahrzehnten plakatierte, spricht aus keinem deutschen Politikergesicht so unbeirrt wie aus dem Ihren. Darum wundert es uns nicht, daß Sie laut Sonntagsumfrage der ARD in der Sparte Beliebtheit mit 62 Prozent führen. Zugleich nehmen 72 Prozent der Befragten an, daß Sie Ihre Wahlversprechen keinesfalls halten werden. Politisch gesehen können Sie also als die beliebteste Schwindlerin des Landes gelten.
Michael Sommer, selbstlos. – Gerade erst von der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin als »verantwortungsvoll« gewürdigt, haben Sie das Lob weitergegeben. Nach einem Gespräch mit dem Kanzlerkandidaten der SPD äußerten Sie, auf die Sozialdemokratie sei, was Arbeitnehmerrechte angeht, »immer Verlaß«. Vermutlich erinnern Sie sich ebenso wie wir an die sozialpolitischen Grausamkeiten, die seit 1998 unter sozialdemokratischer Regierung oder Mitregierung beschlossen wurden. Aber offenbar setzt man an der Spitze des DGB auf die Fortführung der Großen Koalition, und darum sind Sie auch bereit, weiter »verantwortungsvoll« mitzutun, wenn neue Grausamkeiten zu exekutieren sind.
Berthold Huber, patriotisch bescheiden. – »Belegschaftsaktien« fordern Sie als Vorsitzender der IG Metall. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung haben Sie das Projekt erläutert: Von der Krise geschüttelten Unternehmen könne auf diese Weise »geduldiges Kapital« zugeführt werden, »ein Gegengewicht gegen den Angriff angelsächsischer Investoren auf deutsche Unternehmen«. Das ist vaterländisch gedacht. Aber könnten Beteiligungsrechte der Arbeitnehmeraktionäre, betreut von einer gewerkschaftlichen Stiftung, nicht eine »Neutralisierung« der Haupteigentümer zur Folge haben, fragte die F.A.S. Dieser Sorge haben Sie entgegnet: »Glauben Sie mir, der Huber mit seiner IG Metall wird nicht die Macht über die deutsche Industrie erringen.« Wir glauben Ihnen.
Guido Westerwelle, etwas monoton. – In der Print-»Bürgersprechstunde« der Welt am Sonntag durften Sie Ihre persönlichen Liebhabereien und Ihre politischen Vorstellungen dem Wahlvolk präsentieren. Ihre soziale Botschaft, nicht gerade originell: »Wer morgens aufsteht, muß mehr haben als derjenige, der liegen bleibt.« Daß Sie über diejenigen hinwegsehen, die morgens erst mal liegenbleiben, weil Arbeitsagenturen noch keinen Termin für sie haben, verwundert nicht. Aber wollen Sie andere vor den Kopf stoßen, die später aufstehen, weil es erst dann an der Börse munter wird? Vorsicht beim Umgang mit Leistungsträgern, nicht alle sind Frühaufsteher.