Sie haben es nicht leicht, die Bellizisten und die Marketing-Beauftragten in Uniform. Trotz aller propagandistischen Anstrengungen wollen mehr als 70 Prozent der deutschen Bevölkerung Sinn und Notwendigkeit des Afghanistankrieges einfach nicht begreifen, sind schlicht »uneinsichtig« und lehnen den Militäreinsatz rundheraus ab. Mehr Erfolg dagegen haben sie mit ihren Charme-Offensiven durch die Hintertür, vor allem die Jugendoffiziere der Bundeswehr, die sich in den Klassenzimmern der Nation die »Enttabuisierung des Militärischen« (Gerhard Schröder) auf ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen schreiben dürfen. Sie schaffen es in wenigen Minuten, aus der Bundeswehr eine richtig sympathische Truppe zu machen, einen Hort »humanitärer Helfer«. Soldaten werden im Handumdrehen zu »Pazifisten in Uniform« – auch sie selber, die als junge Sympathieträger und erfahrene Experten in einer Person auftreten. Sie geben sich als Idealisten, beseelt von ihrer Friedensmission in einer Welt voller Konflikte und Krisen. Sie sind eloquent, locker, witzig und wirken nicht viel älter als die Altersgruppen, auf die sie losgehen. Als »Öffentlichkeitsarbeiter« bezeichnen sie sich, unterwegs in Sachen »Information« und »Aufklärung« zum Thema »Sicherheit und Verteidigung«.
Ja, Experten sind sie gewiß: Propagandaexperten. Und was sie machen, ist so simpel wie verlogen. Sie machen Werbung für das Großunternehmen Bundeswehr und seine verteidigungspolitischen Ziel- und Richtlinien, wie sie im »Weißbuch« der Bundeswehr von 2006 zu lesen sind.
Längst ist die Bundeswehr keine Armee zur Landesverteidigung mehr – wie sie es laut Grundgesetz, Artikel 87a zu sein hätte – sondern eine Armee, die Angriffskriege führt. Und weder am Hindukusch noch anderswo wird unsere »freiheitlich-demokratische« Grundordnung verteidigt, auch nicht unsere »Sicherheit«. Was in heutigen und zukünftigen Kriegen »verteidigt« und »gesichert« werden soll, sind vielmehr »unsere« wirtschaftlichen Interessen an gewinnbringenden Rohstoffen und Ressourcen in allen Teilen der Welt, und dafür ist die »Freiheit«, unsere ordnungspolitischen Vorstellungen durchzusetzen, unabdingbar. Wahlweise deklariert als »humanitäre Hilfe«, als Maßnahmen zur Verhinderung von Chaos und staatlichem Zerfall oder eben – so die ultima ratio – als »Kampf gegen den Terror«. Und dafür braucht man Rekruten. Mit diesem Etikettenschwindel und mit bunten »events im politischen Kontext« – Stichwort: »Erlebnispädagogik« – wie dem geopolitischen Plan- und Rollenspiel PoL&Is werden Jugendliche geködert, mit System und äußerst kreativ in die sich immer weiter ausdehnenden Konflikte hineingelogen. Zugespitzt formuliert: Militainment für die Spaßgesellschaft an der »Heimatfront«. Frei nach dem Motto: Spaß – fröhlich – und im Ernstfall: tot.
Ein Blick in die – offiziell unter Verschluß gehaltene und nun im Internet kursierende – interne Arbeitsgrundlage der Bundeswehr gibt Aufschluß. Nämlich der Blick in das »Handbuch: Der Jugendoffizier« vom November 2009. Da ändert sich das Bild vom »netten Jungen von nebenan«, seine Auftrags-Taktik und Weisungsgebundenheit werden kenntlich: »Du bist nun auf einem der schönsten, aber auch anspruchsvollsten Dienstposten, den die Bundeswehr zu bieten hat«, heißt es da suggestiv gleich zu Beginn. Denn das oberste Ziel auf seiner umfangreichen »to do«-Liste ist, die »Zustimmung der Bevölkerung« für die Aufgaben der Bundeswehr zu gewinnen, die sonst ihren Auftrag nicht erfüllen könne. Dazu gehören das NATO-Konzept, der »erweiterte Sicherheitsbegriff«, »die Legitimation des Soldatenberufs« und der »Bundeswehr als Großorganisation« in unserer Gesellschaft. Der Jugendoffizier sei – so heißt es salopp – »sozusagen Mr. Bundeswehr«. Im Klartext: Er hat Stellvertreter und Sprachrohr zu sein; »Repräsentant für die Exekutive« der Bundesrepublik. Für seinen Arbeitsauftrag werden insbesondere die Medien als »wichtige Informations-Multiplikatoren« für die Projekte und »Erfolge« der Bundeswehr hervorgehoben. Empfohlen wird der Kontakt zur »örtlichen Presse«, weil die »fast nie kritisch« berichte; deren Arbeit könne nach ihrem eigenen Medienverständnis also durchaus auch als »Hofberichterstattung« bezeichnet werden, aber das – so heißt es findig – »das soll Ihnen ja nur recht sein«.
Verlangt wird Identifikation, »glaubwürdiges Auftreten«, Flexibilität und ein hoher Einsatz für den »Ausbau von Netzwerken«. Bei zu erwartender Kritik hat sich der Jugendoffizier »immer an politische Grundsatzaussagen, Analysen und Hintergrundinformationen« des Verteidigungsministeriums zu halten. Und das ist ein Befehl!
Ferner muß jeder der 94 Jugendoffiziere – so das Jahresplanziel – an die 80 Vorträge vor Schulklassen halten, Schulen und Lehrpersonal kontaktieren, zehn Truppenbesuche und zehn Seminare organisieren. Besonders viel Wert bei dieser generalstabsmäßig geplanten Akquise wird auf PoL&Is (über das Ossietzky wiederholt berichtet hat) gelegt. Die Einsatzmöglichkeiten dieses »Spiels” sollen – laut Bundeswehrhandbuch –zur militärpolitischen Indoktrination, die man dort freilich nicht beim Namen nennt, genutzt werden.
Und so wird mit PoL&IS oder »Heissa, wir machen Weltpolitik«, mit sogenannten Adventure Games, mit »Girl’s Day« und anderen »events« gespielt und »gebaggert«, getrickst und getäuscht; werden Spiel- und Experimentierfreude, Technikbegeisterung, Unwissenheit, Erfahrungs- und Perspektivlosigkeit von Heranwachsenden und Minderjährigen skrupellos manipuliert und mißbraucht. Aus dem »Spiel« an der »Heimatfront«, in der Kulisse eines »Abenteuer-Bau-Spielplatzes« der Bundeswehr wird dann blutiger Ernst in der Einsatzrealität. Vor allem für die einheimischen Menschen im fernen Ausland.
Und wenn »unsere Jungs« zurückkommen an die »Heimatfront«, wenn die Regierungspolitiker zum Kondolieren Spalier stehen an ihren Särgen – auch dann sind 46 tote Bundeswehrsoldaten und Hunderte von Verletzten, Verstümmelten und Traumatisierten nun wirklich kein Gegenargument zu diesem propagandistisch aufgeblähten Schwindel. Denn es geht ja um »Größeres«, irgendwas mit »freier Welt«, »Verantwortung« und »Werten« – »unseren«, versteht sich. Und dafür braucht man die Deutungshoheit aus »erster Hand«. Die der Protagonisten und Profiteure.
Das ist politisch gewollt, ideologisch lanciert und sozusagen amtlich – dank der Kooperationsvereinbarungen zwischen Schul- und Weiterbildungsministerien und dem Unternehmen Bundeswehr.