Ursula von der Leyen, enttabuisierend. – Einen »Gag« hätten Sie gebracht, der »daneben« gewesen sei – Ihnen als Militärministerin durchaus wohlgesonnene Kommentatoren fanden keinen Gefallen an dem Spruch »Wo auch immer gespielt wird, Deutschland schickt schießendes Personal«. So hatten Sie sich zu der Frage geäußert, ob denn die Bundesrepublik mitmachen solle, wenn demnächst die Fußballweltmeisterschaft in Rußland und dann in Katar ausgetragen werde; beide Länder seien doch schurkisch, das eine wegen der »Annexion der Krim«, das andere wegen Subventionierung von »Gotteskriegern«. Auch die SPD-Generalsekretärin zeigte sich ungnädig; solch eine »flapsige Einlassung« sei jetzt, in »Krisenzeiten«, nicht hilfreich. Durch Ihren Pressesprecher ließen Sie mitteilen, selbstverständlich habe es sich um einen Scherz gehandelt; den nun zurückzunehmen, sähen Sie keinen Grund. Warum auch? Wir nehmen an, daß Sie nicht aus Versehen mal so nebenbei witzig aufgetreten sind. In demselben Interview nämlich haben Sie ganz überwiegend unhumorig sich ausgedrückt: Jetzt sei, was schießendes deutsches Personal angeht, ein epochaler Schritt dran, »Tabus« müßten »beiseite gelegt«, militärische Interventionen »ohne Schere im Kopf« bedacht werden; das Treiben der IS sei nur ein Fallbeispiel für diese Notwendigkeit. Im Politmarketing sind Sie talentiert; ein Späßchen macht die Gewöhnung an den kriegerischen Ernstfall gefälliger.
Ralf Fücks, Merkelflüsterer. – Der Bundeskanzlerin haben Sie, bevor diese in Kiew Besuch machte, per Gastbeitrag in der F.A.Z. den Übergang zur politischen Offensive gegen das »Reich Putins« nahegelegt, das »immer mehr einer regelrechten Diktatur« ähnlich werde. Bisher sei die Bundesregierung zu zögerlich bei der »Antwort auf den unerklärten Krieg Rußlands gegen die Ukraine«, beim Reagieren auf den Putinschen »Zugriff« auf dieses Land, das »mit Gewalt vom Weg nach Europa abgehalten« werde. Die »Millionen von Menschen« preisen Sie, die an der »Maidan-Bewegung teilgenommen« hätten; nach dem Muster aus Kiew wünschen Sie sich offenbar einen Umsturz auch in Moskau, herbeigeführt durch »ernsthafte Sanktionen« der NATO-Länder. Ein Revolutionsexport in russische Lande, diesmal grün angestrichen, mit dem Zerfall von Staatlichkeit dort als Folge? Es kann sein, daß Angela Merkel bei solchen Aussichten denn doch leichte Bedenken bekommt. Aber vielleicht muß sie nicht mehr kanzlern, wenn Schwarz-Grün im Bund regiert. Sie, Herr Fücks, übernehmen dann das Außenministerium, endlich wäre Ihnen nicht mehr der Name lästig, unter dem die von Ihnen geführte Stiftung immer noch zu operieren hat.
Barack Obama, in der Sommerfrische gestört –. Dem US-Reporter James Foley haben Terroristen des »Islamischen Staates« (IS) im Grenzbereich zwischen Syrien und Irak vor laufender Kamera die Kehle durchgeschnitten. Deshalb nannten Sie das mordende Gesindel vor der Weltpresse ein »Krebsgeschwür, das entfernt werden« müsse. Die Islamisten hätten »keinen Platz im 21. Jahrhundert.« Deutsche Agenturjournalisten titelten daraufhin prompt, Sie glichen in Ihrer Wortwahl nun Ihrem Amtsvorgänger George W. Bush. Sie sehen, Sie haben noch Freunde in den deutschen Konzernmedien. Weniger gönnerhafte Schreiber hätten angemerkt, daß Sie nicht nur wegen Ihrer Wortwahl wie ein supermächtiger Gewalttäter wirken, sondern längst als solcher handeln. Der Unterschied zu dem widerwärtigen Schlächter, der Foley umbrachte, und Ihnen ist lediglich: Sie tun es nicht selbst, Sie ordnen es an. Woche für Woche. Weltweit. Staatlich organisierter Massenmord, genau wie bei Ihrem Vorgänger.
Golineh Atai, preisgekrönte ARD-Korrespondentin. – Sie beherrschen zwar weder Russisch noch gar Ukrainisch, beweisen dafür aber in den Sendungen von »Tagesschau« und »Tagesthemen«, daß zuviel Sachkenntnis nur stört und Sie beim Abfassen rußlandfeindlicher Reportagen über den Bürgerkrieg in der Ostukraine genauso blockieren würde wie eine Spur Nachdenklichkeit und das Bemühen um Objektivität. Nun sitzen Sie in Moskau und spekulieren von dort aus über Vorgänge, deren Zeugin Sie nicht waren und von denen Sie nichts Profundes wissen. Für die ARD gelten Sie eben als Expertin, denn schon zu Zeiten Ihrer unmittelbaren Korrespondenz aus der Ukraine haben Sie höchst informativ über die mörderischen Umtriebe der Faschisten – zum Beispiel beim Pogrom in Odessa – hinweggesehen. »NATO-Sirene« nennt man Sie in kritischen deutschen Zuschauerkreisen. Ein guter Rat: Lassen Sie sich davon ebensowenig beirren wie von den Unverschämtheiten des lebenserfahrenen US-amerikanischen Wirtschaftsfachmanns Paul Craig Roberts. Der nennt mittlerweile Journalisten Ihres Schlages »whores«. Roberts meint damit »presstitutes«, auf Deutsch: Presstituierte.
Peter Frey, ZDF-Chefredakteur. – In der ZDF-Sendung »Was nun, Herr Steinmeier?« fragten Sie unseren Außenminister: »Ein weiterer Krisenherd ist die Ostukraine … Und auch die Ukraine wünscht sich ja Waffen von Deutschland zur Unterstützung des Kampfs gegen die Separatisten. Müssen Sie nicht auch darüber nachdenken, wenn Sie eben so leidenschaftlich für den Nordirak plädiert haben?« Einen Ossietzky-Leser provozierte das zu der Gegenfrage: Müssen wir Fernsehgebührenzahler nicht darüber nachdenken, die Bewohner des Mainzer Lerchenbergs zu bewaffnen, um Sie aus Ihrem Amt zu jagen?
Arno Krieger, aufmerksamer Ossietzky-Abonnent. – Im Beitrag von Matthias Biskupek »Korrekt geprügelte Erinnerung« (Heft 17/14, S. 596) steht, daß die Prügelstrafe in der ehemaligen BRD erst 1973 abgeschafft wurde. Das ist falsch, monieren Sie, die Prügelstrafe war Ländersache; Hessen beispielsweise schaffte sie bereits 1946 ab. Die Thematik ist in der Tat differenziert in der Praxis gehandhabt worden. Dabei muß man noch unterscheiden, ob es um die Prügelstrafe an Schulen oder durch die Eltern zu Hause geht. An den Schulen erfolgte die Abschaffung in den 70er Jahren bis 1973, in einzelnen Bundesländern – darunter Hessen – bereits früher (zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen 1971, Bayern 1980 beziehungsweise gesetzliche Regelung 1983). Hessen und Berlin waren dabei Vorreiter, Hamburg 1969, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zogen später nach. Das Züchtigungsrecht der Eltern gegenüber ihren Kindern wurde bundeseinheitlich erst durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 2.11.2000, was zur Änderung von § 1631 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches führte, abgeschafft. Danach haben Kinder einen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung.