Bettina Völter, Prorektorin für Forschung und Kooperation an der Alice-Salomon-Hochschule. – Sie haben die Diskussion um ein Gedicht von Eugen Gomringer aufgegriffen und schreiben: »Muss gerade an der Hauswand einer Hochschule mit dem Anliegen der Professionalisierung von Frauenberufen genau dieses Gedicht stehen, in dem Frauen als Gruppe und nicht als Individuen skizziert werden und keine Handlung zugeschrieben bekommen, während der Bewunderer, sei es auch ein vom Dichter nicht weiter definiertes Wesen, als handelndes Wesen, nämlich als bewunderndes Wesen dargestellt wird?« Zur Erläuterung zitieren wir hier zunächst das Gedicht auf Deutsch: »Alleen / Alleen und Blumen // Blumen / Blumen und Frauen// Alleen / Alleen und Frauen // Alleen und Blumen und Frauen und / Ein Bewunderer«. Hier unser produktiver Gegenvorschlag, für den wir jeweils mehrfach drei männliche Worte, ein geschlechtsloses und ein weibliches Wort verwendet haben: »Wege / Wege und Kakteen // Kakteen / Kakteen und Männer // Wege / Wege und Männer // Wege und Kakteen und Männer und // Eine Bewunderin«.
Makake Naruto, Self(ie)madeape. – Sie haben mit Hilfe des Fotografen David Slater ein Selfie von sich gemacht. Ein Gericht hat Ihnen jetzt 25 Prozent der Einnahmen aus Ihrem Foto zugesprochen. Wir wären glücklich, wenn Sie die Einnahmen für nützliche Zwecke verwendeten, zum Beispiel für ein Ossietzky-Abonnement.
Jan Hofer, Tagesschau-Sprecher. – Im Wechsel mit Ihren Kolleginnen und Kollegen berichten Sie in der täglichen Nachrichtensendung über allfällige Katastrophen, Terroranschläge und politische Auseinandersetzungen. Dabei müssen Sie Abend für Abend Halbwahrheiten, tendenziöse Einschätzungen bis hart an die Grenze der Unwahrheit über die Lippen bringen. Nur ein Beispiel: Am 20. August behaupteten Sie im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen gewählter Regierung und oppositioneller Parlamentsmehrheit in Venezuela: »Seit Monaten protestieren die Venezolaner gegen die sozialistische Regierung.« Die Venezolaner? Als politisch informierter Mensch wissen Sie, dass sich in Venezuela Vertreter ungezügelter kapitalistischer Profitinteressen mit allen Mitteln bemühen, die sozialreformerisch orientierte Regierung Maduro zu beseitigen. Das wäre ihnen schon längst gelungen, wenn die Regierung nicht von breiten Teilen der Bevölkerung verteidigt würde. Wie können Sie da behaupten, die Venezolaner protestierten gegen ihre Regierung? Verteidigung der Pressefreiheit bedeutet auch, sich um glaubwürdige Berichterstattung zu bemühen.
Martin Schulz, Kanzlerkandidat. – Dass Sie ohne die Linkspartei nicht Kanzler werden können, wussten Sie gleich. Dass Sie mit der Linkspartei nicht Kanzler werden dürfen, auch. Weil Sie keine Option darauf haben, mehr als Angela Merkels Kofferträger zu werden, der geneigte Wähler das aber nicht so direkt mitkriegen soll, haben Sie ein zweites TV-»Duell« von der Titelverteidigerin erbeten. Es gilt eben, den Schein von Demokratie zu wahren. Zum Glück hat Merkel abgesagt. Es reicht wirklich, was die Wahlwerbespots an Gedankenarmut transportieren. Ihr Wunsch nach Mehr davon war einfach albern.
Elmar Brok, CDU-Mandatar in der EU. – Sie haben sich als antirussischer Hetzer im Ukraine-Konflikt Sporen verdient. Jetzt will EU-Kommissionspräsident Juncker Sie von der Front abziehen und zum USA-Beauftragten machen. Das ist ganz im Sinne Ihrer Partei. Dem CDU-Wirtschaftsflügel gehen nämlich der antirussische Regierungskurs und die Sanktionen gegen Russland inzwischen zu weit. Das Geschäft mit Russland hat gar zu große Einbußen erlitten. Sie werden mit dem neuen Posten zufrieden sein: Schöne Flugreisen Erster Klasse. Sie brauchen nicht mehr zu agitieren und haben mehr Zeit für Forschungsexkursionen. Die werden von unseren Medien in den USA noch weniger aufmerksam und kritisch verfolgt als Ihr bisheriges Wirken in Osteuropa. Sie können das (Nacht-)Leben unbeschwert genießen.
Alexander Dobrindt und Wolfgang Schäuble, Geheimniskrämer. – Drei Schlichtungsrunden fanden mit der von Insolvenz bedrohten A1 mobil GmbH & Co. KG statt. Die letzte endete ergebnislos im Februar 2017. Nun verklagt das Konsortium, welches im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) ein 72,5 Kilometer langes Teilstück der A1 zwischen Hamburg und Bremen bewirtschaftet, zusammen mit seinen Gläubigerbanken den Bund auf gut 800 Millionen Euro (inklusive Verzugszinsen). Die Rahmenbedingungen dieser öffentlich-privaten »Partnerschaft« sind in jeder Hinsicht ein ÖPP-Musterbeispiel: Intransparenz, Kostenexplosion, Risikoabwälzung auf den Staat. Nur schade, dass es Ihnen gelungen ist, diesen brisanten Fall vor der Zementierung von ÖPP im Grundgesetz durch die Beschlüsse zur Infrastrukturgesellschaft Verkehr Anfang Juni im Bundestag und Bundesrat unter der Decke zu halten. Dass Sie vom A1-Desaster nichts gewusst haben, ist unwahrscheinlich. Denn laut Beamtenrecht ist es unüblich, dass ein paar kleine Beamte vor Ort Schlichtungsverfahren im dreistelligen Millionenbereich ohne Rückkopplung mit den Landes- und Bundesministerebene führen. Doch wo bleibt der Aufschrei aller Parlamentarier, die damals für die GG-Änderung gestimmt haben, besonders der SPD-Abgeordneten? Oder wussten alle Bescheid und haben nur angesichts der Verknüpfung mit dem Bund-Länder-Finanzausgleich stillgehalten?