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Alte Allianzen bei der Endlagersuche  (Wolfgang Ehmke)

Alles auf null: Nach dem Scheitern der bundesdeutschen Atommüllpolitik wurde 2013 das Standortauswahlgesetz (StandAG) verabschiedet. Eine »weiße Landkarte« solle es geben, um einen Standort für ein nukleares Endlager zu finden, in dem »insbesondere« hochradioaktive Abfälle in einer tiefengeologischen Schicht endgelagert werden. Neue Behördenstrukturen sollten geschaffen werden, neue Partizipationsansätze wurden versprochen, aus den Fehlern der Vergangenheit wollte man lernen.

 

Die Neuordnung der Behördenstrukturen und Zuständigkeiten im Bereich der Atommüllentsorgung scheint abgeschlossen: Die Atomkonzerne setzen den Rückbau von Atomkraftwerken um und finanzieren ihn. Sie sind auch dafür zuständig, die Abfälle zu konditionieren, das heißt endlagerfertig zu verpacken. Der Staat übernimmt mit bundeseigenen Gesellschaften die Zwischen- und Endlagerung des Mülls und kann dabei auf 24 Milliarden Euro zurückgreifen, die die Atomkonzerne aus ihren »Rückstellungen« für die Atommüllentsorgung in ihren Bilanzen ausgewiesen hatten – das wird einen Bruchteil der Kosten abdecken, geschätzt werden die tatsächlichen Kosten auf das Vierfache.

 

Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) steuert den Prozess, die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) übernimmt sukzessive die Verantwortung für die 16 Lagerstätten mit hochradioaktivem Müll, später auch die Lager mit schwach- und mittelaktiven Abfällen. Und die neue Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ist zuständig für die havarierten Endlager Morsleben und Asse II sowie die Inbetriebnahme des umstrittenen Schachts Konrad. Im ehemaligen Eisenerz-Bergwerk Schacht Konrad in Salzgitter soll bis 2027 ein Lager für »nicht wärmeentwickelnden« Atommüll entstehen. Das ist schon deshalb kritikwürdig, weil dort täglich mehr Wasser eindringt als in das Salzbergwerk Asse, aus dem der dort lagernde Strahlenmüll geborgen werden soll. Um möglichst viele radioaktive Stoffe in Konrad loszuwerden, plant die Bundesregierung ein sogenanntes Bereitstellungslager, in dem der Müll so sortiert werden soll, dass das genehmigte Strahleninventar voll ausgenutzt werden kann.

 

Und nicht zuletzt ist die BGE zuständig für die Suche nach einem Endlager für den heißen Müll, die wärmeentwickelnden hochradioaktiven Abfälle, den sogenannten Neustart der Endlagersuche. Moderiert und begleitet wird der Prozess vom Nationalen Begleitgremium (NBG) unter der Leitung der Professoren Klaus Töpfer und Miranda Schreurs, der Schnittstelle zwischen Behördenhandeln und Zivilgesellschaft, das bisher mit offenen Workshops der interessierten Öffentlichkeit ein Forum bot, den aktuellen Stand bei der Endlagersuche zu verfolgen.

 

Für die Bundesgesellschaft für Endlagerung scheint die erste Phase der Endlagersuche gut voranzugehen. Thomas Lautsch, der technische Geschäftsführer der BGE, präsentierte auf einem Workshop des Nationalen Begleitgremiums in Hannover eine imponierende Datenfülle: 500.000 Hinweise auf Vulkanismus, Seismik, ehemaligen Bergbau und Bohrungen et cetra würden derzeit gesichtet.

 

Doch der Optimismus trügt: Zum einen gibt es immer noch kein Geowissenschaftsdatengesetz, das ermöglichen soll, dass Daten von Privatfirmen, die sie bei der Suche nach Bodenschätzen gesammelt haben, ebenfalls ausgewertet werden können. Gravierend ist zum anderen der Umstand, dass viele Datenblätter nicht digitalisiert sind und die Landesämter bisweilen nur angeboten haben, dass BGE-Mitarbeiter*innen diese in ihren Dienststellen auswerten könnten. Roland Eichhorn, der Vorsitzende des Direktorenkreises Staatliche Geologische Dienste Deutschlands, der Sprecher aller Landesämter, die fast vollständig auf dem NBG-Workshop vertreten waren, relativierte in seinem Vortrag auch die Aussagekraft der vielen Daten. Es gebe ein klares »Tiefendefizit« und ein »Clusterphänomen«: Daten aus einer Tiefe von über 300 Metern seien rar und hinsichtlich ihrer Qualität auch nur teilweise bei der Endlagersuche hilfreich, weil der Fokus auf die Gewinnung von Bodenschätzen gerichtet war. Das Clusterphänomen zeigt sich, indem es Regionen gibt, die gut erforscht sind, weil dort Bodenschätze vermutet oder abgebaut wurden, und es gibt Regionen, die tatsächlich als weiße Landkarte beschrieben werden könnten, weil sie nicht erkundet seien. Ob die BGE unter diesen Umständen in der ersten Phase, also beim Ausschluss von Regionen, bei der Betrachtung von Mindestanforderungen und der Abwägung der Kriterien bis zum Jahr 2020 »liefern« könne, ist mehr als zweifelhaft, unklar blieb, wie mit den »weißen Flecken« umgegangen wird.

 

Zweifelhaft bleibt ohnehin, ob die »neuen« Akteure angesichts der Vorgeschichte der Endlagersuche vorurteilsfrei und als »selbstlernende Behörden« arbeiten können, wie sie selbst gern betonen. Hinter der BGE verbirgt sich die einstige Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE), eine hundertprozentige Tochter der Stromkonzerne, die unter anderem in Gorleben die Schachtanlage ausgebaut hat. Die Beschäftigten der DBE wurden zu 100 Prozent in die BGE übernommen, allein die Behördenspitze ist personell neu organisiert, neuer Chef wird der ehemalige schleswig-holsteinische Innenminister Stefan Studt (SPD). Und die BGZ übernahm ebenfalls zu 100 Prozent Mitarbeiter*innen der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), ebenfalls eine Tochter der großen Atomstromproduzenten.

 

Nun kommt noch ein bekannter Akteur hinzu: Ende August 2018 unterzeichneten die Chefs der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Ralph Watzel, eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit im Bereich der Standortauswahl bei der Endlagersuche und bei den bisherigen Endlagerprojekten Asse, Konrad und Morsleben. »Die Zusammenarbeit erfolgt auf Grundlage der Rolle der BGR als zentrale Institution der Bundesregierung auf dem Gebiet der Geowissenschaften und der durch die BGE gesetzlich normierten wahrzunehmenden Aufgaben des Bundes nach dem Standortauswahlgesetz und dem Atomgesetz«, heißt es in der Erklärung der Institutionen.

 

Bei der Standortsuche sei geplant, dass die BGR spezifische Fragestellungen im Auftrag der BGE untersucht und hierdurch die BGE bei der Suche nach einem Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle unterstützt. Des Weiteren wird die BGR im Auftrag der BGE Forschungs- und Entwicklungsarbeiten aufgabenbezogen durchführen.

 

Aus Sicht der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ist das ein schlechtes Zeichen: »Die bisherige Rolle der BGR in Sachen Gorleben bedarf einer umfassenden Aufarbeitung und Klärung. Eine Kooperation ohne die Aufarbeitung dieser Altlasten lässt darauf schließen, dass der umstrittene Salzstock Gorleben-Rambow weiter als heimlicher Favorit gehandelt wird.« Jahrzehntelang favorisierte die BGR die »Salzlinie« bei der Endlagersuche und arbeitete – oft im Verbund mit der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) – an geologischen Expertisen, die die Eignungshöffigkeit des Salzstocks Gorleben-Rambow als nukleares Endlager belegen sollten. Die Arbeit gipfelte in einer Eignungsaussage. Die fragliche Studie wurde im Geologischen Jahrbuch 2008 veröffentlicht. Dort heißt es: »Trotz der noch nicht abgeschlossenen Erkundung des Erkundungsbereiches 1 (EB 1) kann nach den bisherigen Untersuchungen festgestellt werden, dass aus geowissenschaftlicher Sicht keine Erkenntnisse aus dem Salinar gegen die langzeitsicherheitliche Eignung des Salzstocks Gorleben für die Endlagerung radioaktiver Abfälle vorliegen.« Man muss wissen: der Salzstock Gorleben-Rambow ist nicht aus der Endlagersuche herausgefallen. Dort gab es keinen Rückbau, das Endlagerbergwerk wird offengehalten. Ein Kurswandel bei der Endlagersuche ist schwer zu erkennen.

 

Die Workshop-Ergebnisse finden Sie unter www.nationales-begleitgremium.de/.