Die Wochenzeitung Unsere Zeit berichtete in ihrer Ausgabe vom 13. Mai 2016, im Berliner Bundeskanzleramt sei in der vierten Etage »ohne jeden weiteren Kommentar das Porträt von Hans Maria Globke, Staatssekretär im Bundeskanzleramt von 1953 bis 1963« zu sehen.
Aha, mag sich der Bürger im Jahr 2018 denken, das wird sich wohl inzwischen stillschweigend und endlich geändert haben. Immerhin befindet sich unweit vom Sitz der Kanzlerin das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, das den sechs Millionen Opfern gewidmet ist. Mir schien es jedoch sicherer, beim Bundespresseamt nachzufragen, inwieweit die UZ-Information zutreffend sei oder ob es sich um eine Zeitungsente beziehungsweise fake news handele. So geschehen im Juli.
Die Antwort über die Poststelle@bk.bund.de unter dem Datum vom 22. August 2018: »...in einem Verwaltungsflügel des Bundeskanzleramtes hängen, wie auch schon im Bonner Bundeskanzleramt, Portraitfotos aller bisherigen Chefs des Bundeskanzleramtes, darunter auch eines von Herrn Dr. Globke. Sie sind einheitlich groß (Rahmen ca. DIN-A-4 groß), in schwarz/weiß fotografiert, einheitlich gerahmt und in chronologischer Reihenfolge gehängt. Das Passepartout enthält jeweils in zwei Zeilen die Angaben von Namen und Amtszeit (hier: ›Dr. Hans Globke/ 1953-1963‹). Eine Wertung ihres Wirkens oder Vorlebens ist damit nicht verbunden. Letzteres bleibt den unabhängigen Forschungsprojekten zur Aufarbeitung der NS-Belastung des Bundeskanzleramtes vorbehalten, die derzeit von wissenschaftlichen Instituten durchgeführt werden.«
Das Institut für Strafrecht der Universität von Amsterdam hat längst unter Federführung von Christiaan F. Rüter und Dick W. de Mildt eine umfangreiche Sammlung über deutsch-deutsche Justiz und NS-Verbrechen erarbeitet. In »DDR-Justiz und NS-Verbrechen« wurden Strafurteile von 1945 bis 1990 sowie die Namen von 216 abgeurteilten Angeklagten publiziert. Im Band III sind die Verfahren Nr. 1064 – 1114 der Jahre 1955 bis 1964 enthalten. Unter G auf der Liste der angeklagten Männer: Globke, Hans lebenslänglich 1068. Diese Nummer führt zur Einzelausfertigung des Urteils des OG (Oberstes Gericht der DDR, d. Verf.) vom 23.07.1963, 1 Zst (I) 1/63.
1426 Namen wurden nicht aufgenommen, weil die Personen nicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder zum Tode verurteilt worden sind oder weil das gegen sie geführte Verfahren nach 1991 für rechtsstaatswidrig erklärt wurde. Also: Da sich der Name des früheren Kanzleramtschefs weiterhin auf der Liste befindet, war das in der DDR gegen ihn geführte Verfahren weder rechtsstaatswidrig, noch erfolgte eine Rehabilitation durch ein bundesdeutsches Gericht. Globke gilt seit 55 Jahren als überführter und verurteilter Nazi-Verbrecher.
Vorschlag für eine schnelle unbürokratische Lösung in dieser unerträglichen Angelegenheit: Die Hausherrin im Bundeskanzlerinnenamt lässt zupackend das anstößige Bild sofort entfernen und beweist Mut zur Lücke.